Was Schmerz ist, wenn man ihn biochemisch und physiologisch betrachtet.
Nerven, die in die Peripherie ziehen (also zum Beispiel in Arme und Beine) enthalten sowohl afferente Nervenfasern (Nervenfasern, die Signale zum Gehirn und Rückenmark leiten) als auch efferente sympathische postganglionäre Nervenfasern (Nervenfasern des vegetativen Nervensystems, die Signale von Gehirn und Rückenmark wegleiten). Die Klassifizierung der afferenten Neurone erfolgt nach dem Grad der Myelinisierung (Ummantelung der Nervenfasern mit Myelin). Kurz zur Erklärung: Myelin ist eine fettreiche Membran, die viele Nervenzellen ummantelt und damit für eine elektrische Isolierung sorgt.
Nozizeptoren haben eine hohe Reizschwelle, was biologisch sehr sinnvoll ist
Es gibt zwei Typen von schmerzleitenden Nervenfasern (sog. Nozizeptoren): die myelinisierten A-delta-Fasern und die nicht-myelinisierten C-Fasern. Sie kommen in der Haut und tiefer gelegenen Strukturen, wie Muskeln, Bändern, Gelenkkapseln und Organen vor. Im Gegensatz zu rein sensiblen Nervenfasern (also solchen, die für Berührungsempfindungen und ähnliches verantwortlich sind) haben Nozizeptoren eine verhältnismäßig hohe Reizschwelle. Das heißt, sie senden nur bei starker Reizung ein Signal in Richtung Hirn und Rückenmark. Es ist ja auch sinnvoll, dass diese Fasern unter physiologischen Verhältnissen nicht erregt sind. Sonst hätten wir ständig Schmerzen, obwohl es gar keinen Anlass dazu gäbe. Die meisten Nozizeptoren sind polymodal, was bedeutet, dass sie potentiell auf ganz verschiedene Reize mit Signalübermittlung reagieren. Dazu gehören beispielsweise Hitze, mechanische Reize (z.B. Quetschungen) und chemische Reize.
Es gibt auch Nervenfasern, die nur bei Bedarf nozizeptive Funktionen übernehmen
Ein interessanter Sonderfall sind sogenannte A-beta-Fasern. Sie sind myelinisiert, haben einen großen Durchmesser und sind im Normalfall nur für Berührungsempfindungen zuständig. Unter bestimmten pathophysiologischen Bedingungen können diese aber auch an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sein. Ein Beispiel ist der Sonnenbrand. Hat man ihn, so sind selbst leichteste Berührungen schmerzhaft, was zeigt, dass o.g. Fasern an dieser speziellen Schmerzentstehung beteiligt sein müssen.
Das Phänomen der Sensibilisierung ist vor allem bei inneren Organen von Bedeutung
Eine Sonderform der Schmerzwahrnehmung ist die Sensibilisierung. Am Anfang steht eine intensive überschwellige, wiederholte oder lang anhaltende Reizung des Nozizeptors durch Gewebeschädigung (Verbrennung, Quetschung, …) oder Entzündung. Dadurch wird die physiologisch hohe Erregungsschwelle rasch herabgesetzt und schon kleinere Reize lösen Signale in Richtung Hirn oder Rückenmark aus. Zu dieser sogenannten Sensibilisierung tragen auch Stoffe bei, die bei Entzündungen entstehen. Dazu gehören Bradykinin, Prostaglandine und Leukotriene. Relevant ist die Sensibilisierung vor allem bei der Aktivierung sogenannter „Stiller Nozizeptoren“. Ein großer Teil der A- und C-Nervenfasern der inneren Organe gehört zu diesen. In „normalem“, gesundem Gewebe gelegene Organe besitzen also keine aktiven Nozizeptoren. Erst durch eine Entzündung werden diese Fasern aktiviert und können dann Signale an Hirn oder Rückenmark senden, die wir dann als Schmerz wahrnehmen.