Schelfeis abgebrochen

Am Schelfeis der antarktischen Halbinsel hat es im Februar 2008 einen Eisabbruch gegeben. Forscher geben Erklärungen auf der Grundlage von Langzeitbeobachtungen.

Forscher der Universitäten Münster und Köln haben das Ereignis des Eisabbruchs im Wilkins-Schelfeis verfolgen können. „Plötzlich ging ein Riss durch das Eis und ein riesiger Eisberg löste sich aus dem Schelfeis der Antarktis.“ So beschreibt die Universität Münster den Vorgang. Die Wissenschaftler sehen die Ursache für diesen gewaltigen Eisabbruch in den Auftriebskräften, die auf Eisschichten unterschiedlicher Stärke wirken.

Langzeitbeobachtung

Dr. Angelika Humbert von der Arbeitsgruppe Polargeophysik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und ihr Kollege Dr. Matthias Braun vom Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn haben über Jahre hinweg die Entwicklung in einer sensiblen Region im Wilkins-Schelfeis verfolgt. Ihr wichtigstes Informationsmittel waren und sind Radarbilder des Europäischen Umweltsatelliten ENVISAT, der von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA betrieben wird.

Das beobachtete Schelfeis verbindet die beiden Inseln Charcot und Latady miteinander. Diese Region ist von zentraler Bedeutung für die Stabilität des Wilkins-Schelfeises. Schon im Juli des Jahres 2007 mussten die Wissenschaftler ein besonders spektakuläres Ereignis beobachteten. Da hat sich innerhalb kürzester Zeit ein Riss mit 52 Kilometer Länge gebildet – und das an einer Stelle, wo das Eis 200 bis 250 Meter stark ist. Weniger als 30 Sekunden hat die Bildung dieses Risses gedauert. So die Vermutung der Forscher.

Der Aufbruch 2008

Der eigentliche große Aufbruch des Eises ereignete sich wischen dem 28. und dem 29. Februar 2008. Der hat sich dann innerhalb von 24 Stunden entwickelt. Die Messungen der Forscher ergaben eine abgebrochene Fläche von fast 400 Quadratkilometer. Diese Eismasse ist in mehrere gigantische Eisberge zerborsten. Die Verbindung zwischen den beiden Inseln Charcot und Latady ist seit dem Bruch nicht mehr 20 km, sondern nur noch sechs Kilometer breit. Vermutlich wird die Stabilität des restlichen Schelfeises weiter beeinträchtigt.

„Durch den Aufbruch haben sich bereits bestehende Schwächezonen vergrößert und vereinigt, so dass das gesamte Wilkins-Schelfeis mit einer Größe von 14.000 Quadratkilometern jetzt gefährdet ist“, erklärt Dr. Angelika Humbert. „Spektakulär ist hierbei nicht der Bruch alleine, sondern dessen Effekt auf die gesamte schwimmende Eisplatte.“

Die Untersuchungen der Forscher zeigen, dass die Rissbildung in dem Schelfeis zwischen den beiden Inseln durch Auftriebskräfte bewirkt wird: „Die Eisplatte ist innen dicker als an den Außenseiten“, erklärt Dr. Angelika Humbert. „Die Auftriebskraft führt dazu, dass sich im Eis Spannungen aufbauen. Wenn sich diese aufgestaut haben, dann knallt es irgendwann“. Bisherige Vermutungen, das Schmelzseen auf der Eisoberfläche die Ursache sind, wurden als nicht zutreffend eingeordnet.

Vor allem durch die Radarbilder des Europäischen Umweltsatelliten ENVISAT konnte der Bruch des Schelfeises eindrucksvoll dokumentiert werden. Geholfen hat den Forschern in Münster und Bonn das Internationale Polarjahr. Im Rahmen dieses Internationalen Polarjahrs wurde die Zahl der Aufnahmen von ENVISAT über den Polarregionen deutlich erhöht. Und durch die wachsende Zahl der Satelliten wird es geschafft, dass beinahe täglich Bilder der Region für die Wissenschaft verfügbar werden.

Der Hintergrund

Entlang der Antarktischen Halbinsel sind die Temperaturen in den letzten Jahren außergewöhnlich stark angestiegen – jedenfalls deutlich kräftiger als in anderen Regionen der Antarktis. Auch die Temperaturen im Ozean zeigen einen Trend zur Erwärmung. Dieser Temperaturanstieg wirkt sich auf Schelfeis doppelt aus: Einmal werden die Schmelzprozesse an der Unterseite von Schelfeisen verstärkt. Damit verbunden ist möglicherweise auch die Verstärkung der Unterschiede bei der Eisdicke, die hier zum Aufbruch geführt haben. Dann erwärmt sich auch noch die gesamte Eismasse mit der Folge, was die Bruchzähigkeit des Eises verringert wird. So die Einschätzung der Forscher zur Lage am Eisrand der antarktischen Halbinsel.

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