Von den Licht- und Schattenseiten einer reichen Folklore. Eine Hochzeit in einem rumänischen Dorf ist nach wie vor ein besonderes folkloristisches Ereignis. Aber nicht alle können sie sich leisten.
Selbst im 21. Jahrhundert kommen ausgewanderte Rumäninnen und Rumänen nicht selten aus dem Ausland zurück, zum Teil mit ihren ausländischen Partnern, um in ihrem Dorf eine traditionelle Hochzeit zu feiern. „So wie hier kann man halt in Deutschland nicht feiern“, erklärte im Sommer 2007 die Bewohnerin eines rumänischen Dorfes, die für ihre in Nürnberg lebende Schwester eigens das Elternhaus renovierte, um ihr eine angemessene Hochzeitsfeier zu ermöglichen. Die Schwester hatte in Bayern Abitur gemacht und dort einen bayerischen Mann kennengelernt, den sie jetzt in ihrem Heimatort heiraten wollte.
Wie die Rumänen (und Rumäninnen) Hochzeit feiern
Etwas Ähnliches berichtet der rumänische Dichter Mihai Beniuc im Vorwort des Buches „Nunta la români“ („Hochzeit bei den Rumänen“), das 1977 in Bukarest erschienen ist: Einmal kam er mit einigen Fremden in ein rumänisches Dorf. Dort wurde gerade eine Hochzeit vorbereitet. Beniuc und seine Begleiter beobachteten es aus der Entfernung. Aber sehr bald luden die Bauern sie ein, näher zu treten. Abzulehnen war unmöglich. Sie erkundigten sich, wer die Brautleute wären: Die jungen Leute stammten zwar aus dem Dorf, arbeiteten jedoch in einer Fabrik in Bukarest. Trotzdem musste die Hochzeit im Dorf gefeiert werden, und zwar, wie Beniuc schreibt, „nach allen Regeln der Kunst“. Die Fremden wurden an den Tisch genötigt und mussten mit den Hochzeitsgästen anstoßen. Die Braut wartete noch auf den Bräutigam, um von ihm in einem Schwarm von Leuten zum Haus seiner Eltern gebracht zu werden, und der Dichter wurde dazu gedrängt, sie auf die Stirn zu küssen, bevor die Fremden die Gesellschaft verlassen durften.
In seinem eigenen Dorf, berichtet er, nannte man den Hochzeitsbitter den „Teufel“. Er ging auf dem Weg zur Kirche an der Spitze des Hochzeitszuges, direkt hinter der Braut. Quer über Schultern und Brust trug er traditionelle rumänische Zierhandtücher, in der Hand einen tönernen Krug mit Wein. Er leitete die Gespräche am Hoftor der Braut. Vor ihm, in angemessener Entfernung, ritten die unverheirateten Begleiter des Bräutigams, auf Pferden, die mit bunten Bändern und Glöckchen geschmückt waren. Die jungen Männer trugen Hüte voller Blumen und kurze Westen mit blankpolierten kupfernen Knöpfen. Manchmal brachten sie die Dinge durcheinander und gingen weiter, statt am Hoftor der Braut anzuhalten, oder hielten ein paar Häuser zu früh. Dann war es die Sache des „Teufels“, sich zurechtzufinden. Das tat er auch und unterhielt die Hochzeitsgesellschaft dabei mit – zum Teil improvisierten – Versen.
Wichtige Bestandteile des Hochzeitsrituals
Das traditionelle Hochzeitsritual unterschied sich zwar von Ort zu Ort, blieb aber in seinen wesentlichen Elementen gleich. Den besonderen Zauber der Hochzeit machte jedoch nach Beniuc immer die Überraschung aus, das Unerwartete, in seinen Worten „eine Art ‚Commedia del arte’, die in jedem Dorf nicht mehr als eine, zwei, höchstens drei Personen beherrschten, die ihrerseits Nachfolger erfahrener Vorgänger waren.“
Ein unabdingbarer Bestandteil der Hochzeit war die Fahne. Sie war so wichtig, dass ältere Leute ihren Nachkommen erzählten, ihre Eltern hätten „beinahe nicht geheiratet“, weil die Fahne nicht schön genug gewesen sei. Man wählte dafür das schönste Schmuck-Kopftuch aus, das es im Dorf gab, ein Gebilde aus vielfarbiger, blumengeschmückter Kaschmirwolle. Blumenkränze zierten die Fahnenstange, und singende junge Männer schwenkten sie von fahrenden Pferdekarren aus durch die Luft.
Laut Beniuc ist die Hochzeit bei den Rumänen keine kirchliche Angelegenheit: „Sie hat ältere Wurzeln, und das Christentum hat sich höchstens beeinflussen lassen von der uralten Zeremonie, es blieb aber trotzdem eine Formalität mit bürokratischem Charakter, ebenso wie der Verwaltungsakt im Rathaus, nur mit etwas mehr Glanz.“
Die Schattenseite: Nicht alle können die Hochzeit bezahlen
Allerdings hat dieses aufwändige Ritual auch seine Schattenseiten: In demselben Dorf, das die Wahl-Nürnbergerin für ihre traditionelle Prunkhochzeit ausgewählt hat, berichtete im gleichen Sommer eine 32-jährige Bewohnerin in sachlichem Ton, aber mit leiser Stimme, dass sie ihren Mann nie geheiratet habe, „weil wir halt arme Leute sind.“
Die beiden waren zu diesem Zeitpunkt Eltern von sieben Kindern. Und „weil ein Brautbild zu einer Wohnung dazugehört“, hatten sie ein Hochzeitsfoto ihrer Schwester und ihres Schwagers in ihrer Hütte aufgehängt. Gleich neben der Ikone, „denn die muss auch sein bei orthodoxen Christenmenschen.“