Warum Geschichtensammlungen häufig von Verlagen abgelehnt werden. Obwohl auch Bücher mit Geschichtensammlungen, so genannte Anthologien, sich verkaufen, werden von den Verlagshäusern eher Romane und Novellen bevorzugt.
Eine Reihe von Autoren hat die Erfahrung gemacht, dass ihre Werke gegebenenfalls trotz entsprechender stilistischer und sprachlicher Qualität von Verlagen mit der Begründung abgelehnt werden, dass sich Kurzgeschichtensammlungen nicht so gut verkaufen wie eine abgeschlossene Geschichte in Form eines Romans oder einer Novelle. Dennoch werden immer wieder Anthologien veröffentlicht, wobei es sich hierbei jedoch in der Regel um Geschichtensammlungen international bekannter Autoren wie etwa Stephen King handelt. Seine Geschichtensammlung „Im Kabinett des Todes“ ist ein Beispiel dafür, dass sich auch Anthologien gut verkaufen können. Ähnlich verhält es sich bei dem russischstämmigen Autor Wladimir Kaminer („Russendisko“, „Schönhauser Allee“). Die Mehrheit der Verlage steht dem Thema jedoch nicht mehr sehr aufgeschlossen gegenüber und bevorzugt, wie bereits erwähnt, Romane oder bestenfalls noch Novellen.
Vorteile von Anthologien für unbekannte Autoren
Geschichtensammlungen bieten jedoch gerade für Autoren, die ihr erstes Buch veröffentlichen möchten, eine Reihe von Vorteilen: Der Leser kann sich anhand von mehreren Kurzgeschichten zunächst ein Bild über Stil, Genre und Thematik des Schreibers machen. Eine zehn- oder zwanzigseitige Kurzgeschichte kann da eher als Appetithäppchen fungieren als eine lange, mehrere hundert Seiten umfassende Story, die in einem Roman erzählt wird. Auch wenn es in einer Anthologie einzelne Geschichten geben mag, die dem Leser nicht so zusagen, wird es sicher dennoch die eine oder andere Kurzgeschichte geben, die ihn zu faszinieren vermag. Bei Romanen eines Jungautors hat der Leser unter Umständen das Gefühl, sich bei Nichtgefallen durch einen „dicken Schinken“ hindurchquälen zu müssen. Bei renommierten Autoren, deren Stil der Leser kennt, ist er hierzu eher bereit.
Zudem gibt es neben Schriftstellern, die gerne einen langen Roman oder eine Novelle schreiben, auch Autoren, die eher das kurze Schreibvergnügen in Form von Kurzgeschichten bevorzugen und die gar nicht den Ehrgeiz haben, mehrere hundert Seiten lang eine spannende Geschichte zu erzählen. Analog gilt dies auch für die Leser.
Trends: Anthologie oder Roman?
Der Trend zu (Forsetzungs-)Romanen wie etwa Harry Potter oder den Krimis von Karin Slaughter (Belladonna, Vergissmeinnicht) hält seit einigen Jahren ungebrochen an, wobei natürlich davon ausgegangen werden kann, dass sich auch das wieder ändern wird, um auch so den Weg für Anthologie-Autoren wieder zu erleichtern.
Ähnlich trendabhängig sind oft auch die Themen, die in Romanen und Novellen zu finden sind: neben dem wohl wichtigsten Thema Liebe und Leidenschaft stehen Erfahrungsberichte von Frauen zu den Themen Inzest, sexueller Missbrauch, Ehrenmorde, Islam, schwere Krankheiten sowie Romane aus den Bereichen Fantasy und Vampirismus im Vordergrund. Hierbei handelt es sich jedoch um Themen, die meist schlecht in einer Kurzgeschichtensammlung geschildert werden können, insbesondere bei den Erfahrungsberichten.
Interessanterweise wird der Trend zu Romanen und Novellen auch durch TV-Sendungen wie „Was liest du?“ mit Jürgen von der Lippe und Gäste (WDR) oder „Literatur im Foyer“ (SWR) untermauert, da dort praktisch immer Auszüge aus Romanen gelesen oder besprochen werden.
Mögliche Gründe der Verlage, keine Anthologien zu veröffentlichen
Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet verkaufen sich Romane und Novellen scheinbar besser als Kurzgeschichtensammlungen, wobei mögliche Gründe bereits im vorherigen Absatz dargelegt wurden. Aspekte wie die Tatsache, dass Kurzgeschichten auch als Appetithäppchen fungieren können und von einigen Lesern sogar eher gekauft werden als mehrere hundert Seiten lange Romane, scheinen unberücksichtigt zu bleiben, zumal es immer noch eine Reihe von Verlagen gibt, die auch Anthologien veröffentlichen. Wenn sich Kurzgeschichtensammlungen überhaupt nicht verkaufen würden, würde kein Kurzgeschichtenautor sein Manuskript bei einem Verlagshaus erfolgreich unterbringen können.
Selbst wenn ein Autor nach einer Reihe von Absagen mit der Begründung, dass sich Anthologien nicht verkaufen, schließlich seine Kurzgeschichtensammlung bei einem Publikationsservice wie BoD, Lulu oder Rediroma herausgibt, dürfte er kaum ein Exemplar seines Buches verkaufen, außer an Freunde und Familie. Dennoch gibt es immer wieder Positiv-Beispiele, bei denen Anthologien sich entgegen des Trends in akzeptabler Stückzahl verkaufen (Zahlen wie bei international bekannten Autoren sind utopisch!) und sogar von Fremden gekauft werden, die den Autor nicht persönlich kennen.
Sicherlich spielt auch der Verfasser eine Rolle: Autoren, die man aufgrund ihrer Popularität als Erfolgsgaranten betrachten kann, bekommen noch eher die Chance, eine Anthologie zu veröffentlichen als unbekannte Autoren, die sich noch einen Namen machen müssen. Hierbei ist es allerdings in der Regel gleichgültig, ob ein Jungautor eine Anthologie oder einen Roman zur Begutachtung bei einem Verlag vorlegt.