Pharmaindustrie soll die Kosten für Arzneimittel begrenzen. Gesundheitsminister Rösler will die Preise für patentgeschützte Medikamente regulieren und die Pharmaindustrie hart angehen, mithilfe von Verträgen und Höchstpreisen.
Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will auch für innovative, patentgeschützte Medikamente eine Preisregulierung einführen. „Ich habe immer gesagt, dass ich hart an die Pharmaindustrie und deren Preise herangehen werde“, sagte er am 10. März der „Bild“-Zeitung. Eine solche Preisregulierung existiert bislang erst für Nachahmerprodukte, sogenannte Generika, deren Patentschutz ausgelaufen ist. In Deutschland können Pharmafirmen für ihre neu entwickelten Arzneimittel einen beliebigen Preis festsetzen, den die Krankenkassen zahlen müssen. Nach Aussage vieler Experten ist dieser Preis in der Regel weit höher als beim selben Präparat im Ausland.
Verträge oder staatliche Höchstpreise
Rösler setzt bei seinen Plänen auf Verträge zwischen Arzneimittelherstellern und Krankenkassen, die Verhandlungen über den Preis führen müssen. Bekommen sie dabei innerhalb eines Jahres keine Einigung hin, was im hoch umstrittenen Gesundheitssystem erfahrungsgemäß bei so manchen Verhandlungen (Honorarverhandlungen zwischen Ärzteorganisationen und Krankenkassen) nicht selten der Fall ist, werden staatlicherseits Höchstpreise festgesetzt.
Kosten-Nutzen-Bewertung seit Jahren verschleppt
Diese Preise sollen durch eine Kosten-Nutzen-Bewertung festgelegt werden. Eine solche Maßnahme durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist bereits seit Jahren geplant, wird jedoch durch komplizierte wissenschaftliche Diskussionen verschleppt: auf welchem Wege transparent festgestellt werden kann, ob ein neu entwickeltes Medikament dem Patienten einen wirklichen Zusatznutzen in Form einer echten Verbesserung des Behandlungserfolges im Vergleich zu bestehenden oft fast inhaltsgleichen Medikamenten bringt („Scheininnovation“). Und wenn ein solcher Zusatznutzen feststeht, muss ein Berechnungsverfahren nach nachvollziehbaren Kriterien stattfinden, welcher Preisaufschlag dafür angemessen ist. Ein solches ist naturgemäß schwer zu finden. Da kann man trefflich wissenschaftlich streiten und dadurch Ergebnisse in die Länge ziehen, was seit Jahren passiert.
Zuletzt brachte Rösler sogar einen Plan ins Spiel, die Arzneimittelhersteller zu verpflichten, bevor sie neue Präparate auf den Markt bringen, über eine Studie den Zusatznutzen für Patienten wissenschaftlich zu belegen. Dieser Plan wird momentan laut Rösler geprüft und zäumt das Pferd von hinten auf, d. h. nicht das Bundesgesundheitsministerium oder der Gemeinsame Bundesausschuss beauftragen eine solche Studie, wie bislang immer geplant, sondern direkt die Pharmafirmen, wobei nach der Neutralität des jeweiligen Instituts hohe Ansprüche zu stellen sind.
Kritik aus der Union wie seit Monaten
Teile der mit der FDP gemeinsam regierenden Union kritisierten bereits die Pläne von Rösler als noch lückenhaft, überarbeitungswürdig und nicht mit ihnen abgestimmt. Das passt nahtlos in den Gesamtzusammenhang des monatelangen Streits zwischen den Regierungsparteien seit der Bundestagswahl, insbesondere über die von der FDP gewollte und der CSU abgelehnte Einführung einer Kopfpauschale. In der Unions-Bundestagfraktion wird zudem kritisch gefragt, ob die Verhandlungsposition der Krankenkassen bei wirklich neuen Medikamenten, zu denen es keine Alternative gibt („Solisten“), ausreicht, um einen Rabatt bei den Pharmafirmen herauszuholen.
Gesundheit ist keine Ware und ein leidender Patient kein Kunde
Die Einsparchancen liegen laut Rösler bei zwei Milliarden Euro, auch wenn die genaue Summe aufgrund der ausstehenden Verhandlungsergebnisse noch nicht beziffert werden kann. Dabei wird mit den teuren Entwicklungskosten der Pharmaindustrie vor Einführung eines innovativen Medikaments gegenüber dem Sparzwang in einem regulierten System ohne echte Marktwirtschaft argumentiert, denn Gesundheit ist keine Ware und ein leidender Patient kein Kunde mit freien Wahlmöglichkeiten. Die Bundesregierung möchte die Lohnzusatzkosten durch steigende Krankenkassenbeiträge nicht noch weiter in die Höhe treiben, zumal aufgrund der Alterung der Bevölkerung („Demographie“) und der immer weitergehenden medizintechnischen Entwicklung und Forschung in den nächsten Jahren weitere hohe Kostensteigerungen im Gesundheitssystem abzusehen sind. Dabei ist der Arzneimittelbereich ein entscheidender Kostenblock im System (nach dem weit überwiegenden Krankenhaussektor und auf gleicher Höhe mit dem ambulanten Bereich), wo Sparmaßnahmen eine große Wirksamkeit entfalten können.
Lob an Rösler von ungewohnter Seite
Daher wagt sich Rösler momentan an seine Pläne, obwohl seine Partei FDP sonst eher der Pharmaindustrie nahestehen dürfte. Daher ist die diesmalige Flankierung der geplanten Maßnahmen durch Äußerungen von Krankenkassenverbänden, die Interesse daran haben, mit ihren finanziellen Mitteln ohne die Erhebung von Zusatzbeiträgen auszukommen, ein ungewöhnlicher Verbündeter für einen FDP-Minister in einer konservativen Regierung. Bis die Preisregulierung für patentgeschützte Medikamente in Kraft ist, muss es laut Rösler kurzfristige Kostenbremsen, wie Zwangsrabatte und Preismoratorien, geben. Keine guten Zeiten für die bislang selbst in der Finanz- und Wirtschaftskrise sehr profitable Pharmaindustrie also momentan.