Im ICE von Hamburg nach Dänemark: Recruiting bei der Deutschen Bahn. Im ICE von Hamburg nach Dänemark: 22 Teilnehmer haben sich auf den Weg gemacht, um an einem Planspiel teilzunehmen, das für einige von ihnen schon bald real werden könnte.
Kaum hat man den Hamburger Hauptbahnhof betreten, ist man mittendrin in dieser ganz speziellen Bahnhofs-Atmosphäre. Fast unscheinbar wirkt in dem Gewirr der ICE, der auf einem Gleis inmitten dieses Gewirrs auf seine Fahrgäste wartet. Einige von ihnen sind schon da und steigen mit ungewöhnlichem Reisegepäck ein. Robindro Ullah zum Beispiel verlädt gerade Flipcharts und einen Beamer, dazu diverse Kartons mit Pappschildern, Stiften und Mappen.
Dieses Material wird er später den anderen Fahrgästen des Zuges zur Verfügung stellen. Der Wirtschaftsmathematiker ist Angestellter der Deutschen Bahn AG und dort zuständig für die Nachwuchsgewinnung und das Hochschulmarketing. Für heute hat er 22 Studenten, allesamt kurz vor dem Abschluss, zu einer Fahrt von Hamburg ins dänische Padborg und zurück eingeladen. Was während der Fahrt passiert, erläutert er selbst: „Die Teilnehmer werden in Gruppen aufgeteilt, jede Gruppe erhält dann eine Aufgabe, die sie auf dem Hinweg lösen muss. Auf dem Rückweg werden schließlich die Lösungen präsentiert.“
Solche und ähnliche Planspiele gibt es bei vielen Recruiting-Veranstaltungen. In kurzer Zeit bekommen die Veranstalter einen guten Einblick in die Fähigkeiten der Teilnehmer: Wie gut arbeitet ein Bewerber im Team? Wie präsentiert er die Ergebnisse? Ist er bereit, auch unkonventionelle Lösungswege zu beschreiten?
Im ICE will man den Bewerbern nicht nur einen Einblick ins Unternehmen gewähren, sondern ihnen etwas Besonderes bieten. Oder wie Ullah es ausdrückt: „Wir konkurrieren um die besten Hochschulabsolventen, aber die Bahn ist leider nicht so sexy wie Porsche oder BMW. Mit dem ICE sind wir allerdings schon auf einem sehr guten Weg.“
Viele der Bewerber, die er für diese Fahrt eingeladen hat, hat Robindro Ullah bereits überzeugt. Thomas Friedrichs zum Beispiel: Der 24-Jährige studiert an der TU Berlin Verkehrswesen und möchte später als Diplomingenieur bei der Bahn einsteigen. „Mit meinem Studium habe ich ohnehin keine große Auswahl an möglichen Arbeitgebern“, sagt er, betont aber gleichzeitig, dass ihn das überhaupt nicht störe. Im Gegenteil: „Ich bin schon als Kind oft mit der Bahn gefahren, vor allem die Technik hat mich immer begeistert“, erinnert Friedrichs sich. Er hat schon an einigen Informationsveranstaltungen der Bahn teilgenommen und sich sofort beworben, als er an der Uni von dieser speziellen ICE-Fahrt erfuhr.
Bei Tanja Heinz war es ein wenig anders. Die Hamburger BWL-Studentin hatte keinen besonderen Bezug zur Bahn, von der Aktion hat sie ganz zufällig erfahren. Für sie ist vor allem die Teilnahme spannend, „ich habe vorher noch nie an so einer Recruitingveranstaltung teilgenommen“. Viele Gedanken über den Veranstalter hat Tanja Heinz sich zwar noch nicht gemacht, trotzdem ist sie sich sicher, dass die Deutsche Bahn durchaus ein „abwechslungsreicher Arbeitgeber“ sein könnte.
Kurz nach der Abfahrt, der ICE rollt gerade durch die Vororte von Hamburg, werden die Teilnehmer in fünf Gruppen aufgeteilt. Thomas Friedrichs bildet mit vier anderen Ingenieurstudenten eine Gruppe, alle übrigen Teilnehmer kommen wie Tanja Heinz aus dem Bereich Wirtschaftswissenschaften. Das Szenario, das die Techniker bearbeiten sollen, unterscheidet sich von der Aufgabe für die anderen Gruppen, aber die Rahmenbedingungen sind für alle gleich: Bis zur Mittagspause in Padborg bleiben knapp drei Stunden Zeit. Bis dahin müssen Lösungsansätze gefunden und eine kleine Präsentation vorbereitet werden, in der jede Gruppe auf der Rückfahrt ihre Ergebnisse vorstellen wird.
Die Aufgaben sind durchaus real. Die angehenden Ingenieure sollen sich um eine Strecke zwischen zwei Kleinstädten kümmern, an der verschiedene Wartungsarbeiten durchgeführt werden müssen – im laufenden Betrieb und mit eng begrenztem Budget. Die anderen Gruppen dagegen sollen sich Gedanken über eine möglichst wirtschaftliche Auslastung von Bahnstrecken zwischen fiktiven Kleinstädten machen. Wie im richtigen Leben können Strecken, die für den Konzern nicht profitabel sind, nicht einfach geschlossen werden, dagegen protestieren Politiker und Bürgerinitiativen.
Während die Gruppen sich Gedanken machen, beginnt bereits die Bewertung der Teilnehmer. Denn so spielerisch die Szenarios auch anmuten, für die Bahn geht es darum, geeigneten Nachwuchs zu finden. „Normalerweise haben wir ein dreistufiges Bewerbungsverfahren“, erläutert Robindro Ullah. „Wird eine Bewerbung positiv bewertet, folgt im zweiten Schritt ein Telefoninterview, wenn der Bewerber uns dabei ebenfalls überzeugt, wird er zu einem eintägigen Assessment Center eingeladen.“
Für die Teilnehmer heute gelten etwas andere Spielregeln: Eine Bewerbung haben sie alle bereits geschrieben, nun werden sie während der Gruppenarbeit bewertet. Konkrete Ziele habe man sich zwar nicht gesetzt, betont Robindro Ullah, schließlich sei dieser Recruiting-Tag in dieser Form bislang einmalig. „Aber nachdem wir die Ergebnisse ausgewertet haben, werden wir in den nächsten Tagen und Wochen sicher einige der Teilnehmer zum Assessment Center einladen.“
Am Ende des Tages würden sich die meisten Teilnehmer über eine solche Chance sicher freuen. Das Feedback ist durchweg positiv, auch Thomas Friedrichs und Tanja Heinz hat der Tag „viel Spaß gemacht“, wie sie sagen. Vor allem haben sie und die anderen Teilnehmer etwas erfahren, das Robindro Ullah bei vielen Veranstaltungen immer wieder betonen muss: „Die Deutsche Bahn AG ist ein großer Konzern mit großem Bedarf an gutem Nachwuchs, und natürlich gibt es dabei viele interessante Jobs für Hochschulabsolventen.“