Merkmale modernen Liebeswerbens über SMS und Mail.
SMS und Mails ersetzen zunehmend andere geschriebene Formen des Liebenswerbens. Sie ersetzen mehr und mehr die kleinen, zugesteckten Zettel, die im Briefkasten schimmernden Umschläge. Doch das schriftliche Liebeswerben an sich ersetzen sie nicht. Liebeswerben realisiert sich weiterhin räumlich, da Menschen an sich räumliche Wesen sind: „Wir müssen uns zeitigen wie räumlichen. Das ist der radikale Sinn von Wirklichkeit.“ (Baier, 18) Unsere Lebensräume zersplittern dabei zunehmend. In der Liebe und im Liebeswerben werden sie wieder zusammengefügt, und damit konstituiert sich auch ein gemeinsamer Raum.
Merkmale des modernen LiebesRaumes
Eines ist vielen Formen moderner Minne, modernen Liebeswerbens gemeinsam: Sie finden desynchron statt, auch wenn sie teilweise wieder synchron werden: Austausch über Mail und SMS. Jeder sendet zu seiner Zeit, dem Empfänger steht es anheim, wann er die Sendung abruft. Damit wird nicht nur ein bestimmtes kommunikatives Verhalten situiert, damit wird auch der virtuelle Raum konstituiert, in seiner vierdimensionalen Vollendung: der Zeit. Was geschieht, ist Raumkonstruktion, etwas auch Architektonisches.
Literarische Beispiele
Der Stellenwert moderner Minne zeigt sich auch in Romanen, wie etwa dem Roman „Gut gegen Nordwind“ von Glattauer 2006. Hier wird eine ganze Liebesgeschichte aus „nur“ einem Dialog über Email erzählt.
Mails
Mails sind flächig – lang oder kurz. Sie sind an sich immerhin zweidimensional, springen dann, die dritte, raumkonstituierende Dimension auslassend, in die vierte Dimension.
Ihre Flächigkeit wird von Liebenden vielfach gestaltet: Durch Farbe, Schriftart, Schriftgröße und jene Sonderzeichen, die manche lästig, andere liebenswert finden: J, L etc. Auch ist das Timing der Mails, der Rhythmus von Empfang und Antwort, auch die Verortung in der Tageszeit, ein wichtiges Signal. Dass Liebeswerben Grenzen überschreitet, reflektiert sich oft in den ungewöhnlichen Zeiten des Sendens: In der Nacht, frühmorgens.
Liebeswerben mit SMS: In der Kürze liegt das Geheimnis
Die Kürze von SMS sind traditionell auf die zuerst sehr kleinen Bildschirme der ersten Handys angepasst. Die Kürze macht SMS aber auch für das Liebeswerben besonders geeignet: Kleine, manchmal kryptische Botschaften, teilweise durchsetzt von Abkürzungen, die zumindest im günstigen Fall immerhin beiden Kommunikationspartnern bekannt sind. Gerade die Kurzzeichen, da sie großen Deutungsspielraum erlauben, eignen sich für Träume, Sehnsüchte, Projektionen – und, auch hier, für mal zaghaftere oder behutsamere mal stürmische oder mutige Grenzüberschreitungen.
Die Geschwindigkeit des virtuellen Raumes bei SMS
Die Geschwindigkeit, in der SMS ausgetauscht werden können, konstituiert dabei den gemeinsamen Raum: Von einem Tag auf den anderen, jeden Abend oder jede Nacht, jede Stunde…. Und dann in seiner verändernden zeitlichen Dynamik: Vielleicht eine Zeit von Tag zu Tag oder nur Woche von Woche, dann intensiver, drängender mehrfach nachts. Die Dynamik des virtuellen Raumes konstruiert sich auch in seinen Personen: Werden SMS abwechselnd ausgetauscht, mal A, mal B, oder gehäuft von einem der Partner? Gibt es Phasen des Rollentausches, in der einmal A mehr SMS schreibt, mal B?
So hat das Liebeswerben auch in modernen Zeiten ihren Ort. Er sieht nur anders aus.