Die natürlichen Zerfallsfamilien enthalten auch das von Marie Curie im Jahre 1898 entdeckte Radium mit den beiden Isotopen 224Ra und 226Ra, das sie in reiner Form aus vielen Tonnen Pechblende isolierte. Zusammen mit ihrem Mann Pierre Curie erhielt sie dafür 1903 den Nobelpreis in Physik. Pechblende ist schwarzbraunes Uranerz, ein Material, das früher für wertlos gehalten wurde, heute aber der wichtigste Rohstoff für die Uran- und Radiumgewinnung ist. Marie Curie starb im Alter von 67 Jahren nach langer Krankheit an den Folgen radioaktiver Bestrahlung. Sie hatte bereits zwei Augenoperationen hinter sich und konnte nur noch schlecht sehen. Außerdem litt sie an einer seltenen Blutkrankheit, der perniziösen Anämie, die durch ihre jahrelange Arbeit mit ionisierender Strahlung ausgelöst wurde. In ihrem Labor gab es keinen Abzug für schädliche Dämpfe oder andere gesundheitliche Schutzvorrichtungen. In späteren Jahren überprüfte ihr Schwiegersohn Frederic Joliot ihre experimentellen Notizbücher; alle waren stark radioaktiv verseucht, selbst die Kochbücher, die sie nur zu Hause benutzte.
Henri Becquerel – erstes Opfer und Namensgeber für radioaktive Aktivität
Einer der ersten Kandidaten mit Radiumverbrennungen war übrigens Henri Becquerel, der eine von den Curies zu Forschungszwecken erhaltene Probe in seiner Westentasche bei sich trug. Zu dieser Zeit waren die Gefahren der Radioaktivität noch unbekannt, so dass nur geringe oder gar keine Vorsorge getroffen wurde. Zu Ehren des Physiker Henri Becquerel, der 1895 die natürliche Radioaktivität entdeckt hat, wird die Aktivität eines radioaktiven Stoffes in der Einheit „Becquerel“ (Bq steht als Abkürzung) gemessen. 1 Bq entspricht 1 Zerfall pro Sekunde. Es versteht sich fast von selbst: Je größer die Aktivität einer radioaktiven Quelle, um so größer auch die Strahlenbelastung, die sie verursacht. Vielleicht noch ein paar Daten, die es Ihnen erleichtern, Werte einzuschätzen: Radioaktive Quellen für Unterrichtszwecke haben Aktivitäten im Bereich von 1.000 bis 10.000 Bq, 1 kg reines Natururan bringt es immerhin schon auf 10 Millionen Bq und 1 g reines Radium hat eine Aktivität von 10 Milliarden Bq, ohne Folgeprodukte.
Radon – das Folgeprodukt
Radium ist ein Alphastrahler und zeigt ein sichtbares Leuchten, da es Atome anregt (Abb.). In der Natur kommt Radium als Zerfallsprodukt des Urans vor allem in Uranmineralen und einigen Quellwässern vor. Es ist selbst nicht stabil, bei seinem Zerfall sendet es Alphateilchen aus und geht in das Edelgas Radon mit den beiden ebenfalls nicht stabilen Isotopen Rn-220 (Thoron) und Rn-222 über. Radon wurde bereits um 1900 von Ernest Rutherford und seinem Mitarbeiter Frederick Soddy entdeckt, aber erst 1931 wurde der Name „Radon“ eingeführt, da man es als eigenes Element erkannte.
Radon kann sich von der radioaktiven Substanz lösen, als Gas ausströmen und sich in der Luft verbreiten. Überall, wo Uran im Erdboden vorkommt, wird Radon freigesetzt und gelangt in die Umwelt. Einen großen Einfluss auf die Radonkonzentration hat die Durchlässigkeit des Bodens. Bei lockerem Untergrund wie Sand oder bei Böden mit Spalten, Rissen und Kapillaren wandert das Gas aus den Randbereichen besonders leicht an die Oberfläche. Die Halbwertszeit des Rn-222 beträgt fast vier Tage; diese Zeit reicht aus, dass es sich in der unteren Luftschicht verteilt. Das Thoron hat dagegen nur eine Halbwertszeit von knapp einer Minute, es kann in der Atmosphäre daher nur über kurze Strecken transportiert werden.
Den höchsten Radongehalt hat man in Gebäuden festgestellt. Dies liegt vor allem an den Baumaterialien und an Radonausdünstungen in Kellerräumen. Die typischen lehmgestampften Kellerböden früherer Häuser weisen besonders hohe Radonwerte auf; Sanierungsmaßnahmen wie Abdichten der Böden mit Beton oder Abpumpen der Kellerluft werden den Besitzern nach entsprechenden Strahlenschutzmessungen dringend angeraten. Gegen diese Strahlenbelastung kann also etwas getan werden.
Radon und die Schneeberger Krankheit
Dass Radon die Gesundheit schädigt, ist durch die sogenannte Schneeberger Krankheit belegt. Bergleute, die jahrelang in den Gruben des Erzgebirges gearbeitet hatten, erkrankten an Lungenkrebs. Obwohl bereits seit 1897 bekannt, konnte erst 1937 das Edelgas Radon, das in den Stollen der Bergwerke in reichlicher Menge auftritt, dafür verantwortlich gemacht werden. Die Pechblende, die Madame Curie für ihre Arbeiten benutzte, stammte übrigens aus St. Joachimsthal im Erzgebirge.
Beim Zerfall des Radons entstehen kurzlebige Isotope der Elemente Polonium, Wismut und Blei, selbst wieder Alphastrahler. Vor äußerer Bestrahlung durch Alphateilchen kann man sich relativ einfach schützen, schon leichte Kleidung genügt. Beim wissenschaftlichen Arbeiten werden Alphaquellen mit einer Folie aus Papier oder Kunststoff abgedeckt. Auch die Luft selbst bietet in den Fällen, in denen man mit offenen Quellen arbeitet, einen ausreichenden Strahlenschutz, wenn man mit längeren Zangen hantiert, da die Reichweite der Strahlen in Luft nur wenige Zentimeter beträgt.
Anders sieht es aus, wenn radioaktive Substanzen über den Atem oder Speisen in den Körper gelangen. Was einen Alphastrahler von außen ungefährlich erscheinen lässt, macht ihn im Inneren zur zerstörerischen Zeitbombe, denn die gesamte Energie der Alpha-Teilchen wird auf engstem Raum umgesetzt. Eine intensive Strahlenbelastung bestimmter Zellbereiche ist die Folge. Während das Radongas beim Atmen von der Lunge kaum aufgenommen wird, bleiben die Folgeprodukte, die sich an Staubteilchen und Aerosole in der Luft heften, in den kleinen Bronchialverästelungen hängen und bestrahlen bei ihrem Zerfall die empfindlichen Zellen der Lunge. Heute ist Lungenkrebs als Folge erhöhter Radonbelastung als Berufskrankheit anerkannt, beispielsweise der Arbeiter aus dem Uranabbau in der ehemaligen DDR.
Und man kennt die qualitativen und quantitativen Zusammenhänge zwischen der Einwirkung ionisierender Strahlung und der Entstehung von Krebs, nicht zuletzt aufgrund der sehr intensiven und umfangreichen Untersuchungen der Opfer von Hiroshima und Nagasaki und später der Opfer des Unfalls von Tschernobyl (26.4.1986). Kurioserweise beruhen die heute gültigen Grenzwerte für ionisierende Strahlung im Wesentlichen auf den Erfahrungen aus diesen Katastrophen.
Von einigen Experimenten rate ich ab!
Von einem oft publizierten Versuch (siehe Literaturhinweis am Ende), in einem Kellerraum radioaktives Material mit einem unter Hochspannung stehenden, ausgespannten Draht über mehrere Stunden „einzusammeln“ und anschließend in ein Gefäß abzustreifen, ist dringend abzuraten. Menge und Art des Materials kann abhängig von den örtlichen Gegebenheiten sehr unterschiedlich ausfallen. Außerdem besteht die Gefahr, dass man beim Abstreifen radioaktiven Staub einatmet, auch wenn es sich nur um winzige Mengen handelt!