Welche Schutzmaßnahmen gibt es bei einem Atomunfall? Hier werden einige der drängenden Fragen beantwortet.
Unter Radioaktivität (von lat. radius = Strahl, Strahlungsaktivität) versteht man den Zerfall von Atomkernen bestimmter chemischer Elemente wie z. B. Kobalt, Polonium, Radium und Uran, wobei Energie in Form von Alpha- (griech.: α) und Beta- (griech.: β) Teilchen und elektromagnetische Gamma- (griech.: γ) Strahlung freigesetzt wird. Je nachdem, ob ein Zerfall auf Grund der Beschaffenheit des Atomkerns eines bestimmten Elementes spontan erfolgt oder in Kernreaktoren erzeugt wird, spricht man von natürlicher oder künstlicher Strahlung. Schädliche Folgen für die Gesundheit haben beide Strahlungen.
Auf die Dosis kommt es an
Werden durch eine Atombombe oder Unfälle in Kernkraftwerken hohe Emissionen an radioaktiven Elementen und radioaktiver Strahlung freigesetzt, kann dies innerhalb kürzester Zeit zum Tode führen. Werden weniger hohe Dosen aufgenommen, so sind Spätfolgen wie Krebs, Leukämie und Missbildungen von Neugeborenen zu erwarten, weil die Strahlung das menschliche Erbgut, die DNA, nachteilig verändert.
Bester Schutz: Abstand
Schutzkleidung und Atemmasken verhindern nur die Kontamination mit radioaktiven Teilchen, die durch die Luft fliegen, gegen die Strahlen sind sie weitgehend unwirksam. Tritt radioaktive Strahlung auf, besteht der beste Schutz darin, sich möglichst weit von der Emissionsquelle zu entfernen. Ist dies nicht durchführbar, sollte der Aufenthalt im Freien gemieden werden. Experten veranschlagen das Risiko, verstrahlt zu werden, in einem Holzhaus auf 50 %, in einem Einfamilienhaus auf 10 – 20 % und in einem Hochhaus auf unter 1 %, vorausgesetzt Türen und Fenster bleiben verschlossen. Nach Aufenthalten unter freiem Himmel sollte die Kleidung gewechselt und es sollte ausgiebig geduscht werden, um anhaftende verstrahlte Partikel abzuwaschen. Letzteres gilt insbesondere auch für draußen getragene Schuhe.
Schutz der Schilddrüse
Bei einem Reaktorunfall wird unter anderem Jod 131 und Cäsium 137 freigesetzt. Jod ist ein wichtiger Baustein für die Hormonsynthese in der Schilddrüse und wird aus Nahrungsmitteln und aus der Luft aufgenommen. Bei der Aufnahme von radioaktivem Jod wird dieses in der Schilddrüse gespeichert und schädigt sie nachhaltig (Schilddrüsenkrebs kann entstehen). Durch die Einnahme von Tabletten mit sehr hohem Jodgehalt wird der Jodbedarf der Schilddrüse gesättigt, sodass sie kein weiteres, radioaktives Jod mehr aufnehmen kann. Die Einnahme von Jodtabletten muss allerdings zügig geschehen, am besten, bevor Jod 131 freigesetzt wird. Jod bleibt indes nicht lange in der Schilddrüse, deshalb ist eine Prophylaxe nicht sinnvoll, vielmehr ist ein Zuviel an Jod schädlich und es sollte daher nur im akuten Fall eingenommen werden.
Cäsium
Das radioaktive Cäsium 137 wird nach Reaktorunfällen wie derzeit in Japan im Umkreis von Atomkraftwerken nachgewiesen. Gegen Cäsium 137 gibt es keine Medikamente. Anlässlich der Tschernobyl-Katastrophe im Jahr 1986 gelangte dieses radioaktive Isotop in großem Umfang in die Umwelt. Es wird durch Regen aus der Luft ausgewaschen und gelangt in den Boden, wo es auf Grund seiner Halbwertszeit von ca. 30 Jahren erst nach 60 Jahren weitgehend abgebaut wird. Über die Nahrungskette gelangt es aus dem Boden in den menschlichen Organismus und lagert sich dort in Muskeln und Nerven ab, wo es seine karzinogene Wirkung entfaltet. Auf Grund der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl sind noch heute große Waldgebiete in Bayern hoch mit Cäsium belastet. Pilze und Wild aus dieser Region sind deswegen nicht zum Verzehr geeignet. Vorsicht ist auch bei Pilzimporten aus Osteuropa geboten.
Sievertwerte
Radioaktivität ist weder sichtbar noch kann sie gefühlt, aber mittels eines Geigerzählers (auch Geiger-Müller-Zählrohr) gemessen werden. Die Maßeinheit (früher Rem), in der die biologische Wirkung auf einen lebenden Organismus gemessen wird, ist seit dem 31. Dezember 1985 nach dem schwedischen Mediziner und Physiker Sievert benannt. Eine Dosis von ein bis zwei Millisievert pro Jahr – etwa aus natürlicher Ursache durch radioaktive Bestandteile in Böden oder Gesteinen – wird für die menschliche Gesundheit als unbedenklich angesehen. Ab zehn Millisievert im Jahr muss mit Spätfolgen gerechnet werden. Kurzzeitdosen ab 2.000 Millisievert haben schwere Fälle von Strahlenkrankheit zur Folge, die bereits nach wenigen Tagen zum Tode führen. In unmittelbarer Nähe des havarierten Atomkraftwerkes in Japan wurden zuletzt 400 Millisievert gemessen.