Pubertät – das Leben im Umbruch. Kleine Hilfestellung für Eltern und Teenies. Pubertät ist, wenn Eltern peinlich, Schulstunden langweilig, Trends on Top und aktuelle Songs Lebenselixier sind.
Liebeskummer und Wolke sieben, Kuschelwärme und Elternstress, Lachen und Weinen – alles liegt nah beieinander, wenn die Hormone verrückt spielen. Einerseits wollen Jugendliche cool sein, andererseits sind sie empfindlicher als ein zarter Schmetterling. Sie möchten schillern, sich abheben, abgrenzen, frei sein und endlich tun und lassen, was sie wollen. Der Traum vom Erwachsensein wird immer greifbarer, hat aber leider auch unangenehme Nebenwirkungen wie wachsende Verpflichtungen im Alltag.
Eltern sind out, Freunde sind angesagt
Pubertät bedeutet vor allem Zeit der Abgrenzung und Abnabelung von den Eltern. Wichtig ist nicht nur, was man tut, sondern vor allem, dass es anders ist, als das, was die Eltern machen. Niemals so aussehen, niemals so leben, niemals mit den eigenen Kindern so umgehen – das sind die Vorsätze für die Zukunft. Besonders nach einem Wutanfall mit zugeknallter Tür oder tiefer Traurigkeit, weil man zuhause einfach nicht verstanden wird, ist der Wunsch nach Anderssein besonders groß.
Gleichgesinnte findet man nun unter Gleichaltrigen. Freundschaft steht ganz oben auf der Wunschliste und kann – und das verstehen Erwachsene oft nicht – von einem Tag zum anderen geschlossen oder gekündigt, bedingungslos gelebt und ebenso schnell tiegründig verachtet werden. Eine Person, mit der man alles besprechen kann, die alles weiß, der man alles sagen kann ist, das wunderbarste Geschenk in dieser Phase. War bisher die Familie ganz oben gelistet, ist der Mensch, dem man alles anvertraut nun die beste Freundin oder der beste Freund. Manchmal dauern diese Verbindungen Tage, manchmal Jahre und in Ausnahmefällen auch ein ganzes Leben lang an. Durch diesen Menschen an der eigenen Seite, der vollkommen anders groß geworden ist, andere Erfahrungen gemacht hat, anders denkt und handelt als die eigene Familie, gewinnt man nun Einblick in eine neue Gedankenwelt. Ziele werden neu definiert, Träume geschaffen und stille Sehnsüchte offenbart.
Zu wem bitteschön gehört dieser neue Körper?
Sich im nun rasch wachsenden Leistungsdruck der Erwachsenenwelt zu orientieren, mit der neuen Selbständigkeit zurecht zu kommen und sich im Wechselbad der Gefühle nicht ganz zu verlieren, ist wirklich schwer genug. Nun kommen auch noch körperliche Veränderungen dazu. Schamhaare erscheinen aus dem Nichts, der Körpergeruch verändert sich, die Haut beginnt unrein zu werden, die Proportionen verschieben sich. Würden manch begehrte Körperteile ebenso schnell wachsen wie es oft die Füße tun, wäre auch so mancher Selbstzweifel kleiner. Mädchen bekommen zum ersten Mal ihre Periode, Jungs erleben den Stimmbruch. Die Veränderungen sind natürlich, doch der Heranwachsende erlebt sie auf der Schwelle vom Kindsein zum Frau- oder Mannsein zum ersten Mal. Ein Erwachsener kann ihm tausendmal erklären, das sei vollkommen normal. Die Erfahrung muss jeder für sich machen. Eltern können sie ihren Kindern nicht abnehmen und Kinder wollen sie auch nicht abgenommen bekommen.
Der erste Kuss
Vom Küssen bekommt man keine Kinder, in der Regel überträgt man damit keine Krankheiten und es ist auch nicht unanständig, amoralisch oder anderweitig nachhaltig negativ. Die Eltern, deren Schützlinge flügge werden, können also vorerst gelassen bleiben, falls sie davon überhaupt erfahren.
Vor dem ersten Kuss ist die Vorstellung davon vielleicht sogar eklig oder zumindest sehr ungewohnt und trotzdem lässt sie einen nicht mehr los. An irgendeinem Tag wird der erste bewusst herbeigeführte Kuss dann bestenfalls mit zitternden Knien, pochendem Herzen und einem Flattern im Bauch eine neue Ära einläuten. Der andere Mensch kommt einem so nahe, wie es sonst noch niemand war. Es muss keine Verbindung für immer sein, noch nicht einmal eine wirkliche Liebe werden, und doch ist dieser Moment für viele Menschen noch Jahre später etwas ganz Besonderes. Der erste Kuss macht irgendwie größer, älter und ist meist die erste körperliche Erfahrung mit dem anderen Geschlecht.
Er ist aber auch eine Prestigesache, wie auch die ersten Male anderer Handlungen es sein werden. Damit punktet man im Freundeskreis und gehört dazu, weiß wovon gesprochen wird und kann endlich mitreden.
Loslassen und Halten
Die größte Herausforderung der Pubertät ist das Loslassen – für alle Beteiligten. Der Teenager übt das Loslassen häufig unüberhörbar durch dramatische Abgänge aus dem elterlichen Wohnzimmer. Stimmungsschwankungen, laute Musik und stundenlange Telefonate mit Freunden sind normal und kein Grund zur Beunruhigung. In seinen Gefühlen hin- und her geworfen ist die Abgrenzung zum Elternhaus auch eine seiner schwersten Übungen. Streit und Diskussionen sind nicht selten und dienen immer wieder dazu, eine neue eigene Position zu definieren. Glück und Unglück liegen in keiner Lebensphase so nah beieinander wie jetzt.
Die Eltern können im besten Fall lediglich verständig sein und versuchen weder durch Ablehnung, Ignoranz oder Einengung über zu reagieren. Jeder Mensch und jede Situation ist verschieden. Einen wirklich richtigen Rat gibt es wohl nicht – aber eine Anregung für beide Seiten: sich immer wieder in den anderen hinein versetzen und versuchen zu fühlen, wie diesem in dem jetzigen Augenblick zumute ist. Dem Erwachsenen kommen hierbei ganz spezielle Aufgaben zuteil: erstens sich an seine eigene Pubertät zu erinnern, an die damaligen Träume und heimlichen Wünsche und zweitens wirklich erwachsen zu reagieren – mit Größe, Liebe und viel Geduld. So, wie er es sich damals von seinen Eltern gewünscht hätte.