Speichern ohne Masse mit Latentwärmespeichern im Gebäudebau. PCM-Baustoffe können Wärme oder Kälte speichern und zeitverzögert in den Raum abgeben. Sie könnten in Zukunft dazu beitragen, stromfressende Klimaanlagen zu ersetzen.
Sie stecken in Astronautenanzügen, Transportkisten für Organspenden, Unterlagen für Laptops und in Winterbekleidung: Latentwärmespeicher, sogenannte Phase Changing Materials, kurz PCM. Die PCM-Technologie wurde bereits in den 60er Jahren bei der NASA entwickelt. Sie basiert auf der einfachen wie genialen Überlegung, die in einem Material während des Phasenübergangs zwischen dem festen und dem flüssigen Aggregatzustand gespeicherte latente Energie für ein Wärmemanagement der Umgebung zu nutzen. Das bekannteste PCM wird schon seit Jahrtausenden eingesetzt: Wasser, in flüssiger und gefrorener Form. In Japan und Schweden werden heute wieder ganze Gebäude mit Eis- und Schneespeichern klimatisiert.
Kühlen mit Kerzenwachs
Zur Heizung und Kühlung von Räumen sind jedoch Materialien geeigneter, die ihren Schmelzpunkt im Bereich der gewünschten Raumtemperatur haben, die unabhängig von der Außentemperatur beibehalten werden soll. Für den Temperaturbereich mit Schmelzpunkten von circa 20 bis 30 Grad Celsius haben sich zwei Materialgruppen in der Baupraxis durchgesetzt: organische PCM, in Form von langkettigen Kohlenwasserstoffmolekülen – Paraffine (Kerzenwachs) und Salzhydrate. Sie sind besonders geeignet, da ihre Schmelz- und Erstarrungstemperatur entsprechend dem gewünschten Einsatzzweck „eingestellt“ werden kann. Aber wie lässt sich schmelzendes Wachs sicher in Baustoffe integrieren? Infolge eines bundesweiten Kooperationsprojektes ist es BASF gelungen, Wachströpfchen mit einem Durchmesser von zwei bis 20 Mikrometer mit einer Kunststoffhülle zu ummanteln.
Klimaanlage der Zukunft
PCM-Materialien zählen zu den Hoffnungsträgern im Baubereich. Ihre Vorzüge kommen vor allem an warmen Tagen zum Tragen – wenn durch die Fenster einstrahlendes Sonnenlicht die Raumtemperatur rasch ansteigen lässt. Besonders bei Passivhäusern kann dies problematisch werden. Denn der solare Wärmeertrag – im Winter erwünscht – kann im Sommer zu Überhitzung führen.
PCM-Baustoffe haben die Klimaregulierung integriert. Steigt die Raumtemperatur auf einen bestimmten Wert, beginnt das Wachs in den Kapseln zu schmelzen. Es ändert seinen Aggregatzustand von fest nach flüssig und bindet dabei Wärme aus der Umgebung. Ähnliches passiert bei einem Eiswürfel, den man in ein Glas Wasser gibt. Das Eis entzieht der umgebenden Flüssigkeit die Wärme, der Drink bleibt kalt, bis das Eis geschmolzen ist. Das Maß für die am Schmelzpunkt gespeicherte Energie ist die Schmelzenthalpie. Diese latente Energie geht nicht verloren, sondern steht bei der Umkehrung des Prozesses, dem Phasenübergang von flüssig zu fest, als Wärme wieder zur Verfügung: Sinkt die Raumtemperatur, wird das Paraffin wieder fest und gibt dabei Wärme frei.
Schlanke Dämmung
PCM kann in herkömmliche Baumaterialien eingebracht werden. Schleifen, Bohren oder Schneiden des Materials stellt kein Problem dar: Aufgrund der geringen Durchmesser sind die Kügelchen mechanisch nahezu unzerstörbar.
Paraffine sind chemisch gutmütig und brennbar, können aber mit einer feuerhemmenden Beschichtung versehen werden. Das korrosive Salzhydrat wird meist in Edelstahlbehälter, Aluminiumbeutel oder Glas mit einer Kunststoffschicht gefüllt.
Die Vorteile des mikroverkapselten Rohstoffs liegen unter anderem in der extremen Reduzierung der Außenwandstärke – zwei Zentimeter PCM-haltiger Baustoff entspricht etwa der Speicherkapazität einer 18 Zentimeter starken Betonwand. In Verbindung mit hochwirksamen Vakuumdämmstoffen sind Fassadenkonstruktionen mit einer Gesamtstärke von fünf Zentimetern realisierbar, die einem konventionellen Wandaufbau von etwa 40 Zentimetern entsprechen.
PCM in Baustoffen
Der Einsatz von PCM in Gebäuden wird seit einigen Jahren intensiv erforscht. Die Mikroverkapselung war ein Schritt hin zu breiten Anwendungsmöglichkeiten. Zunächst wurden Innenputze und Gipskartonplatten mit den Mikrokapseln ausgestattet.
Mittlerweile sind sie als mikroverkapseltes Pulver, Gipsputz, in Lehmputz und Lehmplatten, Farben, Spachtelmasse und Schaumglasplatten integriert, auch schon in Speichertanks für Solaranlagen. Mit der Anerkennung des neuen RAL-Gütezeichens PCM durch RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V. wurden nun genau definierte Güte- und Prüfbestimmungen für PCM einschließlich der PCM-Verbundstoffe festgelegt.
Möglichkeiten und Grenzen von PCM
Wärmespeicher sollten sich nachts entladen. Was aber ist in heißen Sommernächten, wenn es auch nachts kaum abkühlt? Passive Systeme mit PCM stoßen dann an ihre Grenzen. Bei einem passiven System wird die Regeneration des Wärmespeichers nach dem Schmelzen durch freie Lüftung und natürliche Abkühlung erreicht. Bei direkter Sonneneinstrahlung und anhaltenden Hitzeperioden ist der Latentwärmespeicher vorübergehend nicht aktivierbar. Daher wurden aktive Systeme entwickelt, bei denen der Zeitpunkt und die Geschwindigkeit des Entladens durch die gezielte Zufuhr von Kühlenergie gesteuert werden. Die aktive Erstarrung der PCM-Schmelze kann durch eingelegte Wasserrohre erfolgen oder durch kühle Luft, die mit Kleinstventilatoren bei geringem Stromverbrauch über die Elemente geführt wird.
Die unscheinbaren Klimahelfer
Mit PCM lassen sich keine spektakulären optischen Effekte erzielen, sie sind eher die unsichtbaren kleinen Helfer mit recht bedeutender Wirkung. Gerade für den Leichtbau und Gebäude mit voll verglasten Fassaden eröffnen PCM-Baustoffe neue Möglichkeiten. Das Defizit des Leichtbaus liegt – in Hinsicht auf Energieeffizienz – in der fehlenden Speichermasse. Vor allem der Effekt des schnellen Aufheizens lässt sich nur schwer regulieren.
Die Anwendungen für PCM im Bauwesen werden immer breiter. Es gibt bereits Materialmuster mit mikroverkapseltem PCM als Folien, die mit der Wärmeaufnahme ihre Farbe ändern – andere Innovationen sind zu erwarten. Die ersten Pilotprojekte haben sich bewährt, damit ist aber sicherlich erst der Anfang für den Einsatz von PCM im Gebäudebau gemacht.