Wie eine Paartherapie abläuft, zeigt das interessante Buch „Die Liebe wiederfinden“ von Hartwig Hansen.
Flaute im Bett, Vorwürfe, Beleidigungen und Streitereien – wer dies aus seiner Partnerschaft kennt, müsste sich schon mal fragen: alles hinschmeißen oder trotzdem weitermachen in der Hoffnung auf Besserung? So wenig es hierauf allgemeingültige Antworten gibt, so klar ist aber auch: Grundlegende Probleme werden sich kaum von selbst lösen. Dies gilt besonders, wenn echte Gespräche nicht mehr stattfinden. Wenn ständiger Streit die Atmosphäre vergiftet. Wenn Hass und Feindseligkeiten unübersehbar sind. Jetzt erscheint professionelle Hilfe oft als letzter Ausweg, um eine Trennung doch noch zu verhindern.
Neues Vertrauen trotz vieler Enttäuschungen?
Doch wie kann das geschehen, dass völlig verkorkste Beziehungen wieder aufblühen? Dass neues Vertrauen entsteht, obwohl die vielen Enttäuschungen zuvor eigentlich dagegen sprechen? Antworten hierauf gibt Hartwig Hansen mit „Die Liebe wiederfinden. Schlüsselszenen aus der Paartherapie“. Der Autor weiß, wovon er schreibt, ist der doch selbst Diplom-Psychologe und Paartherapeut mit eigener Praxis in Hamburg. Als Fachmann zu allen Fragen rund um Beziehungen kennt er daher genau die neuralgischen Punkte im Zusammenleben, die Achillesferse der Liebe. Vor diesem Hintergrund hat er viele Begegnungen mit seinen Klienten dokumentiert, um sie dann in Dialogform und Kommentaren festzuhalten. Herausgekommen ist ein Buch, das äußerst anschaulich in die Arbeit von Paartherapeuten einführt. Zwar sind die Beratungen immer sehr individuell auf die Bedürfnisse der Klienten zugeschnitten (Krisenintervention, Beratungen mit oder ohne Blick in die Vergangenheit, Häufigkeit der Sitzungen usw., S. 11). Dennoch bietet die Lektüre zu verallgemeinernde Erkenntnisse, da vor allem Fallbeispiele mit typischen Problemen vorgestellt werden.
Wer sich dafür interessiert, darf gespannt sein, wie sich Ratsuchende verändern (können), wenn sie den Mut haben, sich auf die Zusammenarbeit mit einem Therapeuten einzulassen. Dieser bietet im besten Fall eine „einfühlsame Moderation“ an. Ziel ist es, nicht nur die Kommunikation der Partner zu verbessern. Vielmehr sollen auch neue Erlebnis- und Wachstumsräume eröffnet werden, um die bisherigen Probleme überwinden zu können (S. 11).
Die Last der Erstgeborenen
Als Beispiel einer erfolgreichen Paartherapie nennt Hansen das Ehepaar G. Es leidet zur Beginn der Behandlung unter Störungen der Kommunikation. Gegenseitige Schuldzuweisungen bestimmen das Bild. Herr G. fühlt sich von seiner Frau zunehmend unter Druck gesetzt. „Ich habe ständig das Gefühl, dass mich meine Frau analysiert. Alles, was ich mache, sage oder sein lasse, wird kommentiert.“ (S. 63) Frau G. hingegen fühlt sich von ihrem Mann nicht nur im Stich gelassen, sondern stört sich auch an seinem Alkoholkonsum. Jetzt ist Hansen gefragt, der sich die Familiengeschichte der Beiden anschaut.
Frau G. ist Einzelkind, Herr G. Zweitgeborener. Wie sich herausstellt, leidet Frau G. unter weitgehend grundlosen Ängsten (S. 70). Sie stehen nach Hansen in einem Zusammenhang zur Kindheit von Frau G, die sich von ihrer Mutter nicht angenommen gefühlt hatte. „Ich konnte es ihr nicht wirklich recht machen. Als Kind war ich oft verzweifelt, wenn ich spürte, meine Mutter will etwas von mir und ich kann es nicht erfüllen.“
Diese Mischung aus Angst und Druck erleben viele Einzelkinder, erläutert Hansen: „Da ist die Angst, dass irgendetwas passiert mit dem Kind und gleichzeitig der Druck: Aus dir muss was werden! Mach du es richtig!“
Auf einmal begreift Frau G., dass ihre Gemütslage mehr von ihren eigenen Ängsten bestimmt wird und weniger von ihrem Mann. Deshalb muss sie auch nicht mehr bei ihm alle Schuld für ihre Empfindungen suchen. Die gegenseitige Wahrnehmung beginnt sich zu ändern, ein erster Schritt, um sich wieder anzunähern.
Hilfe auch bei Trennungen
Wer also nach vielen vergeblichen Versuchen immer noch hofft, seine Beziehung retten zu können, sollte schleunigst professionellen Rat einholen. Paartherapeuten können durch ihr Wissen viele Anregungen geben, wie sich das Zusammenleben verbessern lässt. Dass das funktionieren kann, zeigt „Die Liebe wiederfinden“ klar und deutlich. Allerdings sollte niemand glauben, dass sich Probleme schnell lösen lassen, die schon lange vorhanden sind. Oft sind mehrere Sitzungen nötig, bis sich überhaupt etwas verändert. Also niemals vorschnell aufgeben. Doch auch zulange an einer Beziehung festzuhalten, kann falsch sein. Deshalb können Paartherapeuten auch bei der Trennung helfen. Sie muss ja nicht als Scheitern verstanden werden, sondern kann der Beginn einer vielversprechenden Beziehung sein. Mit einem neuen Partner.