Begleitumstände entscheiden über das Wohl und Wehe der Mischformen. Erschrocken oder erschreckt? Manchmal ist es nicht so einfach, ein Verb richtig zu konjugieren. Hat man aber einmal darüber nachgesonnen, ist man schon freudiger gesinnt.
Die Konjugation der Verben im Deutschen ist schon eine Sache für sich. Neben einer Reihe regelmäßig gebeugter Verben existieren noch die unregelmäßigen, die schwachen und die starken Verben. Als sei damit noch nicht genug Verwirrung gestiftet, sind bei einer kleinen Gruppe von Verben auch noch Mischformen üblich. Und auch, wenn sie in der Minderheit sind: Wird einmal eines benutzt, kann es zu lebhaften Diskussionen darüber kommen, wie es denn nun richtig zu konjugieren sei.
Zum Beispiel bei der Wäsche: Wird sie nun aufgehängt oder aufgehangen? Mal abgesehen davon, dass man mit einem Wäschetrockner um die Beantwortung der Frage herumkommt, kann sich ja auch etwas anderes aufgehängt (oder aufgehangen?) haben.
Oder, schlimmer: Jemand hat sich aufgehängt.
Und nun hing er da. Alle waren erschrocken, der Anblick erschreckte sie. Was mochte ihn nur dazu bewogen haben? Diese Frage bewegte jeden. Das Bild wich nicht aus den Köpfen und weichte die Gehirne auf. Der Wind schwellte die Gardinen – und die Köpfe schwollen an. Während sie selbige hin und her wiegten, wogen ihre Gedanken schwer. Jemand schliff ein Messer. Dann schleifte man ihn auf das Bett. Ein Leben war erloschen, ein Mensch einfach ausgelöscht. Er hatte so viel geschaffen und nun hatte er es geschafft. Sie ließen ihn liegen. Später veranlasste die Polizei, dass er obduziert wurde. Man sandte ihnen den Befund zu. Und abends sendete dann das Fernsehen einen Nachruf.
Eine schreckliche Geschichte, aber glücklicherweise frei erfunden, denn schließlich geht es ja nur um den Gebrauch von verblichen Mischformen. Also kein Grund, sich gleich aufzuhängen!
Verben mit Mischformen: mal stark, mal schwach
Bei bestimmten Verben sind mit den unterschiedlichen Konjugationsformen auch verschiedene Bedeutungen verknüpft. Je nach Begleitumstand werden sie also stark oder schwach konjugiert.
Zur Übersicht sind hier neben dem jeweiligen Infinitiv und dessen unterschiedlicher Bedeutung die entsprechenden Konjugationen in der dritten Person Präsens, Präteritum sowie Perfekt aufgeführt:
bewegen
- „die Position verändern“ oder „erregen, berühren“: bewegt – bewegte – hat bewegt
- „veranlassen“: bewegt – bewog – hat bewogen
erschrecken
- „jemanden in Schrecken versetzen“: erschreckt – erschreckte – hat erschreckt
- „in Schrecken geraten“: erschrickt – erschrak – ist erschrocken
hängen
- „etwas irgendwohin hängen“: hängt – hängte – hat gehängt
- „etwas hängt schon“: hängt – hing – hat gehangen
schaffen
- „schöpferisch gestalten, hervorbringen“: schafft – schuf – hat geschaffen
- „vollbringen, arbeiten“: schafft – schaffte – hat geschafft
schleifen
- „schärfen, bearbeiten“: schleift – schliff – hat geschliffen
- „über den Boden ziehen“: schleift – schleifte – hat geschleift
senden
- „jemandem eine Botschaft schicken“: sendet – sandte – hat gesandt
- aber auch (und das setzt sich heute immer mehr durch): sendet – sendete – hat gesendet
- „durch Funk oder Fernsehen übertragen“ nur: sendet – sendete – hat gesendet
weichen
- „nachgeben, fortbewegen“: weicht – wich – ist gewichen
- „etwas weich machen, auf- oder einweichen“: weicht – weichte – hat geweicht
wiegen
- „das Gewicht von etwas bestimmen“: wiegt – wog – hat gewogen
- „sanft hin und her bewegen“: wiegt – wiegte – hat gewiegt
Nicht völlig identisch, aber immerhin doch mit demselben Wortstamm:
lassen – veranlassen
- „etwas nicht tun, aufhören, beenden“: lässt – ließ – hat gelassen
- „verursachen, etwas bewirken, in Gang bringen“: veranlasst – veranlasste – hat veranlasst
löschen – erlöschen
- „ausgehen, zu Ende gehen“: erlischt – erlosch – ist erloschen
- „(Feuer) ausmachen“: löscht – löschte – hat gelöscht
Und zu guter Letzt:
sinnen
- „seine Gedanken auf etwas richten, etwas vorhaben“: sinnt – sann – hat gesonnen
- „gesinnt“ dagegen ist ein von dem Nomen „Sinn“ abgeleitetes Adjektiv und bedeutet „von einer bestimmten Gesinnung“
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Viele alte Formen sind auch heute gar nicht mehr üblich oder haben sich nur noch in vereinzelten Wendungen erhalten. Sicherlich gibt es gesottene Fische, aber kaum jemand würde auf die Idee kommen zu sagen, er habe Fische gesotten. Und Pferde schnauben zwar mal, aber dann haben sie geschnaubt und nicht mehr geschnoben. Auch die schöne alte Wendung: „Und da erscholl eine Stimme …“ ist heute abgelöst von einer erschallten Stimme. Da hat man doch vieles einfach weggeschmelzt …