Über zweihundert Menschen wollen das Ungeheuer von Loch Ness („Loch“ = schottisch für „See“) schon gesehen haben. Darunter waren Wissenschaftler und nicht wenige, die das Ganze vorher als Unsinn abgetan hatten. Zum ersten Mal wurde „Nessie“, wie das Ungeheuer von den Einwohnern genannt wird, im Jahr 565 von dem Abt Adamman erwähnt. In seiner Chronik über das Leben des St. Columban von Iona (lateinischer Originaltitel: „Vita Columbae“) erzählte er, wie der Heilige einen Pikten rettete, der im River Ness angegriffen wurde.
„Columban machte das Kreuzzeichen in die Luft und rief den Namen Gottes an, während er dem wilden Tier befahl: Nicht mehr weiter! Berühre ihn nicht! Zieh dich sofort zurück! Als das Tier die Worte des Heiligen hörte, floh es vor Angst, als ob es von Seilen von dort fortgezogen würde, obwohl es nur eine kurze Entfernung vom Mann weg gewesen war.“
Handelt es sich bei dem „Nessie“-Foto um eine Fälschung?
Der eigentliche Hype um die „20-Meter-Schlange“ begann allerdings erst am 2. Mai 1933, als regionale Zeitungen von der Sichtung berichteten. Der „Inverness Courier“ brachte einen Artikel über Einheimische, die „ein riesiges Tier im Loch gesehen“ hätten. Londoner Zeitungen schickten Reporter nach Schottland und ein Zirkus bot demjenigen 20.000 Pfund, der das Monster einfangen würde. Ein Jahr später, am 19. April 1934, sorgte ein Foto für Wirbel, das angeblich von dem Chirurgen R.K. Wilson aufgenommen wurde. Allerdings war es so dunkel und unscharf, dass man „Nessie“ darauf nur mit Fantasie erkennen konnte. Am 12. März 1994 behauptete Marmaduke Wetherell, das Foto gefälscht zu haben, nachdem er von der Zeitung „Daily Mail“ beauftragt wurde, „Nessie“ zu jagen. Das Bild zeige nur ein Spielzeug-U-Boot mit Knetaufbau. Wetherell sagte ebenfalls, dass Wilson das Foto gar nicht aufgenommen hatte, sondern nur sein Name benutzt wurde, um die Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Eine andere Erklärung stammt von dem schottischen Paläontologen Neil Clark. Seiner Meinung nach sei das abgebildete Tier ein schwimmender Elefant vom Zirkus „Olympia“ gewesen, dessen Direktor damals das Kopfgeld ausgesetzt hatte.
Doch die Sichtungen gingen weiter: zuletzt im Jahr 2009 auf „Google Earth“. Laut der Boulevardzeitung „The Sun“ vom 26. August hatte Jason Coake das Ungeheuer auf den Koordinaten 57° 13N, 4° 34W entdeckt. Doch bei starker Vergrößerung fällt auf, dass es sich um den Umriss eines kleinen Bootes mit der dazugehörigen Hecksee handelt.
Das Ungeheuer ist eine wichtige Einnahmequelle für den schottischen Tourismus
Die vielen Augenzeugen beschreiben „Nessie“ übereinstimmend so: Ein kleiner Kopf sitzt wie bei bekannten Urtieren (Saurier) auf einem langen, schlangenähnlichen Hals. Der riesige Körper des Ungetüms ist von einem höckerartigen Kamm bedeckt. Zwei Paar Schwimmflossen stehen seitlich vom Körper ab. Die Haut ist glatt oder schuppig und schwärzlich. Der Körper mündet in einen dicken Schwanz. Neben „Bigfoot“ in Amerika und dem „Yeti“ im Himalaya ist „Nessie“ eines der berümtesten Mysterien der Kryptozoologie – und eine wichtige Einnahmequelle für den schottischen Tourismus. Aber gibt es das Ungeheuer wirklich?
Dieser Frage gehen seit seinem ersten Auftauchen auch Wissenschaftler und ganze Expeditionen nach. Da das Tier höchst selten und dann nur ganz kurz auftaucht, ist es schwer, hieb- und stichfeste Beweise zu beschaffen. Einer der bekanntesten „Nessie-Jäger“ war zweifelsohne Frank Searle. Der ehemalige Soldat tauchte im Juni 1969 am Loch Ness auf und beschäftigte sich anfangs sogar in ernsthafter Weise mit der Suche nach dem Monster. Später legte er jedoch eher zweifelhafte Beweise für „Nessies“ Existenz vor. Zeitweise engagierte er auch verschiedene junge Frauen als „Monsterjäger-Assistentinnen“. 1985 verschwand Searle vorübergehend. Von 1986 bis zu seinem Tod am 26. März 2005 lebte er in Fleetwood, Lancashire.
Wissenschaftler glauben nicht, dass es sich bei „Nessie“ um ein Urtier handelt
Am 26. Mai 2007 gelang es Gordon Holmes aus Yorkshire, ein Video des vermeintlichen Ungeheuers zu drehen. Es zeigt ein etwa 15 Meter langes Objekt. Die Qualität des Materials wird als gut bewertet. Wegen des im Hintergrund sichtbaren Uferbereichs gilt eine Fälschung als unwahrscheinlich. Auch Messungen mit Sonargeräten wurden vorgenommen. Doch die Forscher fanden nichts. Allerdings gaben sie später zu, dass sie nicht den gesamten Loch Ness, sonder nur 80% davon untersucht hätten. Außerdem wären die Geräte nicht weit genug entwickelt, um bis auf den Grund des Sees zu blicken.
Die Erklärung für das Überleben eines schon vor Millionen Jahren „ausgestorbenen“ Urtiers könnte darin liegen, dass der Loch Ness früher ein Meeresarm war. Erdverschiebungen schlossen ihn vom Meer ab und damit möglicherweise auch die Urtiere in den tiefsten Seen. Eine andere Theorie nimmt an, dass es eine unterirdische Wasserverbindung zwischen dem See und dem Meer gibt, die das Tier benutzen könnte. Allerdings halten ernsthafte Wissenschaftler die Idee, dass es sich bei „Nessie“ um ein Urtier handelt, für sehr unwahrscheinlich. Um ein längerfristiges Überleben zu sichern, müsste eine große Kolonie dieser Tiere existieren. Darüber hinaus sind Biologen der Ansicht, dass Loch Ness nicht groß genug und reich an Nahrung ist, um selbst eine kleine Gruppe am Leben zu erhalten.