Der Geruchssinn funktioniert mit Hilfe von Riechrezeptoren. Amerikanische Wissenschaftler haben das Geheimnis unseres Geruchssinns gelüftet. Der Mensch lebt durch die Nase und kann etwa 10.000 Gerüche wahrnehmen und unterscheiden.
Von Apfelkuchen bis Zwiebelringe – unsere Nase gibt Auskunft. Lange galt die Funktion unseres Geruchssinns als ungelöstes Rätsel. Die beiden amerikanischen Biochemiker Richard Axel und Linda Buck haben das Geheimnis der Nase gelüftet. Für ihre bahnbrechende Arbeit auf dem Gebiet der Geruchsforschung wurde ihnen daher 2004 in Stockholm der Nobelpreis für Medizin verliehen. In ihrem Schlüsselartikel beschreiben die beiden Wissenschaftler wie der Geruchssinn genau funktioniert: Die auf der Riechschleimhaut eingelagerten Riechrezeptoren (Sinneszellen) können 10.000 Gerüche aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer elektrischen Spannung und ihrer Infrarotschwingung wahrnehmen, speichern und wiedererkennen. Lagert sich ein Duftmolekül an einem Riechrezeptor an, wird dieses chemische Signal in ein elektrisches umgewandelt und zum Geruchszentrum des Gehirns geleitet. Es funktioniert ähnlich wie in einem Computer-Netzwerk: Das Riechsystem hat einen direkten Zugang zu einem Hirnareal, Hippocampus genannt, in welchem unsere Erinnerungen gespeichert sind.
Hippocampus und Geruchbilder
Durch die Kombination „Geruch-Erinnerung“ assoziieren wir wunderschöne Bilder und Gefühle aus Vergangenheit und Gegenwart, die wir mit Menschen, Orten, Gegenständen und Ereignissen in Verbindung bringen. Wir besinnen uns an das Bukett eines purpurroten Burgunders, den man mit Freunden bei Kerzenlicht teilte oder an das unbeschreibliche Aroma von Bratäpfeln, das am Nikolaustag Großmutters Küche erfüllte. Der Mensch lebt durch die Nase. Einzig und allein der Geruchssinn verschafft uns wahren Genuss und Wohlgefühl. Wie könnten wir sonst unterscheiden zwischen Achselschweiß und Limburger Käse, zwischen Knollenblätterpilz und Karamellbonbon, zwischen gepantschtem Glykolwein und einem aufregend-blumigen Château Lafitte.
Das individuelle Parfüm des Menschen
Nicht nur bei der Selektion unserer Speisen ist die Nase wichtig. Ihre Sensibilität hilft auch bei der Wahl unseres Partners, ob man den anderen gut riechen kann oder ob wir durch unangenehme Geruchskomponenten abgestoßen werden. Wir reagieren mit Sympathie oder Antipathie, mit Emotionen und Körpersprache. Jeder Mensch besitzt ein individuelles Parfüm, einen ureigenen Körpergeruch, der genetisch in uns verankert ist und an unsere Kinder weitergegeben wird. Dieser Urduft wird allerdings durch Alter, Geschlecht, Ernährung, Hygiene, psychische Verfassung und Gesundheitszustand modifiziert. In den Achselhöhlen und im Genitalbereich befinden sich die Drüsen, die unsere körpereigenen Riechstoffe produzieren. Diese abgesonderten Sekrete sind häufig geruchlos und werden erst durch Mikro-Organismen auf der Haut in Duftstoffe umgewandelt, die ganz spezifische Duftinformationen enthalten. Bereits das Wahrnehmen, Schnüffeln, Riechen jener abgesonderten Düfte verursacht bei uns körperliche Veränderungen wie Blutdruckschwankungen, Stimulanz des Immunsystems, Speichelbildung in der Mundhöhle – und besonders wichtig für die Fortpflanzung – eine Anregung des Sexualtriebes.
Kreationen der Parfumeure: Opium und Pure Poison
Wir wollen „wohl riechen“, duften, und natürlich auch von unseren Mitmenschen „gerne gerochen“ werden. So versuchen wir mit Parfüms und Deodorants den eigenen Körpergeruch dementsprechend zu verändern. Und die Parfüm- und Kosmetikindustrie versucht alles, um uns mit exklusiven Duftkreationen, die Namen tragen wie Opium, Obsession, Shalimar, Pure Poison oder Eternity glaubhaft zu machen, die eigene sexuelle Attraktivität zu maximieren. Wie die Suche nach dem Stein des Weisen ein Jahrhunderte alter Traum der Menschheit. Was bislang nur in Patrick Süskinds Roman Das Parfüm gelang, dem geruchlosen Protagonisten Jean-Baptiste Grenouille nach Morden an Jungfrauen und seiner Fähigkeiten im Bereich der Parfümdestillation, jenen Duft künstlich zu erzeugen, der ihn unwiderstehlich machte, wird wohl auch in Zukunft kein noch so geschickter Parfümeur schaffen. Und das ist auch gut so.
Therapie mit Aromen
Duftstoffe (Aromen) verändern, beeinträchtigen und steuern unser menschliches Verhalten. Wir wissen ja mittlerweile, dass Melisse, Lavendel, Kamille und Neroli beruhigen, Rosmarin, Zitrone und Ylang Ylang stimulieren. Muskatellersalbeiöl macht uns euphorisch und schmerzfrei, Zedernholz hilft bei Erschöpfung und Sandelholz reduziert den Stress. Aromaöle und Duftlampen erhält man mittlerweile in jedem Laden; Aromaexperten versuchen uns mit speziellen Düften von Nervosität, Müdigkeit, Depression, Angst und Aggression zu befreien, oder unsere Konzentration durch Blumendüfte zu steigern. In den USA probieren Riechforscher Heißhunger-Attacken mit Hilfe von Gerüchen zu unterdrücken – vielleicht eine mögliche Alternative, um das Problem Übergewicht in den Griff zu bekommen.