Wer Muskeln aufbaut, regt den Fettabbau an, unterstützt das Immunsystem, senkt sein Diabetes- und Alzheimer-Risiko und fühlt sich rundum wohler.
Muskelaufbau – das klingt nach ölig glänzenden Kraftpaketen, die im Scheinwerferlicht posieren. Solche Muskeln sind dazu da, um andere Menschen zu beeindrucken und zu demonstrieren, zu welchen Kraftanstrengungen und zu welcher Disziplin man fähig ist. Solche Bilder interessieren Muskel-Forscher nur am Rande. Sie haben viel spannendere Entdeckungen gemacht. Muskeln sind mehr als eine formbare Masse, in die man Eiweißdrinks und Trainingseinheiten investiert, um sie zu stattlichem Umfang aufzuplustern. Wer seine Muskeln fit hält, den halten seine Muskeln fit. Und zwar von Kopf bis Fuß und an Leib und Seele!
Muskeln: wertvoll bis ins hohe Alter
Dass Muskeln noch in jedem Lebensalter aufgebaut werden können, zeigen Untersuchungen in Seniorenheimen, wo man sogar 80-Jährigen kleine Gewichte in die Hand drückte, und mit leichten Kraftübungen einen messbaren Erfolg erzielen konnten. Um seine Muskeln herauszufordern, ist es also nie zu spät. Dies gilt auch, wenn man sich mehr als 50 Jahre nicht sonderlich um sie gekümmert hat. Grundsätzlich sollte aber ein Arzt abklären, ob etwas gegen ein Training spricht. Es gibt jedoch kaum jemanden, der nicht trainieren darf. Entscheidend ist, dass man sich eine fachliche Begleitung sucht beispielsweise bei einem Physiotherapeuten oder einem REHA-Sportlehrer, in einem guten Studio, in einer Lauf-Schule oder in einem Nordic-Walking-Kurs. Heute kann man mit Hilfe von Computerprogrammen den jeweiligen Trainingszustand bzw. das Konditions- und Kraftpotenzial feststellen und anschließend einen perfekt passenden Trainings-Plan entwickeln.
Muskeln verbrennen Kalorien – und das auch wenn wir schlafen. Forscher stellten in den vergangenen Jahren fest, dass die Fettschicht der Haut umso dünner wird, je größer der darunter liegende Muskel ist. Trainingsangebote mit Titeln wie „Body-Styling“ oder „Body-Forming“ sind also keineswegs nur Werbestrategien von Fitness-Studios.
Ohne Gewichte geht es nicht
Ohne Gewichte bzw. Widerstände wie Therabänder oder Tubes läuft kein Muskelaufbau. Muskeln brauchen immer neue Reize. Entscheidend ist hier die Dosierung. Wer schon kleine Verschleißerscheinungen in den Gelenken hat, muss natürlich anders an die Sache herangehen als ein junger Mensch. Sogar Herzkranke und Patienten mit Bluthochdruck wird zu moderatem Gewichtetraining geraten – noch vor zehn Jahren vollkommen undenkbar.
Muskeln stabilisieren also die Gelenke, beugen Knie- und Rückenproblemen vor und halten den Körper aufrecht. Wer sich zum Gang ins Fitness-Studio entschließt, muss keine Angst haben, bald mit „dicken“ Muskeln herumzulaufen. Man muss sich ausbalancierte Muskulatur wie ein Korsett vorstellen, das gerade hält und stabilisiert. Gut trainierte Rückenmuskeln verhindern Bandscheibenprobleme und Rückenschmerzen. Geübte Oberschenkelmuskeln schützen vor Knieschmerzen.
Muskeln sparen Insulin
Schon ab 30 geht es mit der Muskulatur abwärts. Durchschnittlich verliert man ab diesem Alter mit jedem Zehn-Jahres-Schritt drei Kilo Muskelmasse. Angesichts dieser Tatsache muss man sich nicht wundern, dass sich in mittleren Jahren die eine oder andere Speckrolle festsetzt. Dummerweise bevorzugen die Polster die Leibesmitte, sammeln sich also vor allem am Bauch. Das ist besonders ungünstig. Übermäßiges Bauchfett steigert das Risiko für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.
Je dicker man ist und je weniger man sich bewegt, desto mehr Insulin muss im Blut unterwegs sein. Das Hormon Insulin sorgt dafür, dass der Blutzuckerspiegel auf einem bestimmten Level bleibt. Das geschieht auch, indem Insulin überschüssigen Zucker in die Zellen befördert. Übergewichtige Bewegungsmuffel haben Zellen, die ziemlich abgestumpft sind gegen Insulin. Es braucht mehr als normal von diesem Hormon, damit die Zellen reagieren. Auf Dauer kann das zur Zuckerkrankheit (Diabetes Typ II) führen.
Abhilfe verschafft Muskeltraining. Mehrere Wochen lang ließ ein US-Mediziner Altersdiabetiker fast täglich dasselbe Bein trainieren. Das andere Bein wurde in Ruhe gelassen. Der Arzt wollte wissen, wie gut die lokalen Zellen anschließend auf den Blutzuckersenker Insulin reagieren. Das Ergebnis war verblüffend: Der Zustand des aktiven Gewebes besserte sich merklich, das passive dagegen blieb unverändert resistent gegen Insulin.
Muskeln fördern das Denkvermögen
Nicht allein, dass Bewegungen die Denkvorgänge erleichtern. Muskulatur und Denkfähigkeit stehen in engem Zusammenhang. Das zeigten Untersuchungen der Deutschen Sporthochschule Köln: Die Gehirnleistung untrainierter 70-Jähriger war deutlich schlechter verglichen mit der Gleichaltriger, die 20 Jahre lang durchschnittlich 50 Kilometer pro Woche gelaufen waren. Die sportlichen Senioren waren hinsichtlich Hirnaktivität sogar näher an 30-Jährigen als an ihren Altersgenossen.
Das könnte an einem Eiweiß liegen, das die arbeitende Muskulatur bildet. Der „brain-derived neurotrophic factor“ (BDNF) steuert das Wachstum und die Lebensfähigkeit von Neuronen. Dieser BDNF, von dem man bislang glaubte, er würde nur vom Gehirn produziert, wird weniger bei Kraft- als mehr bei Ausdauerleistungen gebildet und in die Blutbahn geschickt. Möglicherweise wäre damit auch das Phänomen erklärt, dass schon dreimal pro Woche 15 Minuten Bewegung das Alzheimer-Risiko um 30 bis 40 Prozent reduzieren.