Hören allein genügt nicht. Die Musikalben-Formate streamen Videos, zeigen die Liedtexte an und bieten auf schick designten Startseiten weiterführende Informationen. Um den Verkauf von Musikalben im Internet anzukurbeln, arbeiten Apple und die Majorlabels der Musikindustrie an neuen Containerformaten, die Multimedia-Fähigkeiten als Kaufanreiz bieten sollen. Das Geschäft mit Musik als Download wächst seit Jahren stetig, aber momentan kaufen Musikliebhaber hauptsächlich einzelne Stücke. Drei Formate treten an, um die Web 2.0-User wieder an Alben zu gewöhnen. Ein Überblick:
Apple iTunes LP (Entwicklungsname: Cocktail)
Der Marktführer startete sein Format als erstes – seit September 2009 können iTunes-Kunden komplette Musikalben, die Apple iTunes LP nennt, kaufen. iTunes LP bietet, neben allen Musiktiteln des Albums, ein interaktives Artwork, über das man Songtexte, weiterführende Informationen über die Künstler, Photos und Videos aufrufen kann. Beinhaltet das Format Videos, heißt es iTunes Extras.
Technisch ist iTunes LP ein Webarchiv mit der Fileendung .itlp, welches sich auf HTML, CSS, JavaScript, CSS Animations und plists (Property Lists, speichert Usereinstellungen) stützt. Diesen Technologiemix nennt Apple TuneKit. Entwickler können TuneKit downloaden, um eigene iTunes LPs und iTunes Extras zu erstellen und über den iTunes Store zu vertreiben. Ab der iTunes 9-Software können User das neue Format abspielen. Januar 2009 waren circa 40 Alben erhältlich.
Warner, Sony und Universal: CMX („Connected Media Experience“)
CMX wurde von den Musiklabels Warner, Sony und Universal entwickelt. Im wesentlichen soll der CMX-Container (ein einzelnes File mit der Endung .cmx) die meisten heute gängigen Codecs (MP3, AC3, 3GP, Matroska, JPEG, PNG etc.) unterstützen und wird dem iTunes LP-Format sehr ähnlich, aber nicht kompatibel sein. CMX ist das ursprüngliche Konzept für diesen neuen Trend. Die Musiklabels, die den Verkauf ihrer Alben pushen wollen, boten 2008 CMX Apple an. Apple lehnte damals ab und startete dann sein eigenes Format.
Der Start des CMX-Formats hätte November 2009 erfolgen sollen, verschiebt sich jedoch auf das 2. Quartal 2010. Die Musiklabels sind scheinbar von ihrer Idee selbst nicht mehr so überzeugt, denn CMX soll nur behutsam und nicht forciert eingeführt werden.
Bach Technology: MusicDNA
Die norwegische Softwareschmiede Bach Technology stellte 2010 auf der Musikmesse MIDEM sein neues Musikformat MusicDNA vor. MusicDNA soll wie iTunes LP und CMX Musik zum Multimediaereignis machen, aber verstärkt durch Web 2.0-Anbindung und Twitter-Feeds den User mit aktuellen Informationen versorgen. Gleichzeitig bietet MusicDNA dem User die Möglichkeit eigene Informationen zu den Stücken abzuspeichern.
Die mit MusicDNA angereicherten Songs können als herkömmliche MP3s in allen Musikplayern abgespielt werden. Um den vollen Umfang des neuen Formats zu nutzen, wird Bach Technology einen eigenen kostenlosen Mediaplayer zur Verfügung stellen und in Kürze auch PlugIns für iTunes, Windows Media Player und deren mobile Versionen anbieten. Technisch interessant ist an MusicDNA, dass Bach Technoloy eine strategische Partnerschaft mit den MP3-Erfindern Fraunhofer IDMT haben.
Fraglich ist, wie viel Content in diesem Format erscheinen wird, nachdem Marktführer Apple iTunes LP bereits auf dem Markt hat und die führenden Labels CMX unterstützen werden. Laut einem Bach Technology-Sprecher ist das Feedback der Musikindustrie zu MusicDNA sehr positiv.
Kritik an iTunes LP, CMX, MusicDNA
Bei aller Schönfärberei mit der neuen, digitalen Musikwelt sollte man nicht aus den Augen verlieren, dass die neuen Formate vor allem der Musikindustrie als Geldkuh dienen sollen: im Prinzip versuchen die Labels die Zeit zurückzuholen, als sie an Alben richtig gut verdienen konnten anstatt einzelne Musikstücke für Cent-Beträge an die Hörer zu verkaufen.
Dass die Publisher selbst nicht so recht an den Erfolg glaubt, zeigen die Albenzahlen mit denen Apple iTunes LP gestartet ist und die verhaltenen Töne der Musiklabels. iTunes LP und CMX werden den Usern auch keinen wahren Mehrwert bieten, denn aktueller Content wird auf den offiziellen Kanälen nicht angeboten – die Musikindustrie ist nicht bereit, genug Geld in diese Projekte zu stecken, um sie up-to-date zu halten. MusicDNA bedient sich User-generiertem Content, um aktuelle Infos zu liefern.
Blogger Fritz Effenberger bringt die Kritik auf 11k2 auf den Punkt: „Die Musikkonzerne mögen nämlich die Wahlfreiheit der iTunes-Kunden gar nicht, sie verkaufen lieber ganze Alben mit 80% Gurkensongs drin als nur einzelne Hits. Deshalb soll eine Flash-Animation mit Cover-Art, Song-Lyrics und etwas buntem Trallala drumherum das “Album ” zum verkaufbaren Multimedia-Gesamterlebnis hochstylen.“