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Modellkompetenz und Kreativität

Eine der wichtigsten Fähigkeiten höheren Denkens ist das Erfinden von Modellen. PISA hat deutlich gezeigt, dass viele Menschen daran scheitern.

Modelle sind Abstraktionen. Die Fähigkeit, mit diesen umgehen zu können, bezeichnet man als Modell- oder Modellierungskompetenz. Der kreative Umgang mit Modellen kann als die komplexeste Form dieser Kompetenz gelten. Dabei fördert sie nicht nur wissenschaftliches Denken, sondern kann auch vor Dogmatismen schützen.

Aktives Wahrnehmen

Um ein Modell entwerfen zu können, muss man in die Umwelt Zusammenhänge „hineinsehen“ können. Diese Aufgabe setzt eine höhere Form der Kreativität voraus, als einfach nur bunt zu malen. Man muss hierbei Hypothesen bilden können, Analogisieren, entsprechende Modelle darstellen und natürlich kritisch überprüfen.

Fällt vielen Menschen schon der Umgang mit einem vorhandenen Modell schwer, so ist diese Aufgabe oft eine komplette Überforderung. Beim Coaching von Schriftstellern muss man, um professionelle schriftstellerische Kompetenz zu fördern, mit den Coachees die Strukturen (das heißt Modelle) von Texten erarbeiten. Diese werden später zu Werkzeugen beim Schreiben. Doch die Erfahrung zeigt, dass viele Coachees zunächst nicht nur den Sinn dieser Übung nicht verstehen, sondern auch massive Probleme bei der Auswahl von Gesichtspunkten haben, auf die man eine Erzählung hin betrachtet. Wird jedoch dieser Schritt nicht vollzogen, bleibt der Stil der Autoren schwankend und widersprüchlich.

Zum Aufbau von Modellkompetenzen

Eigentlich dürfte der Umgang mit Modellen gar nicht schwierig sein. Die ersten wichtigen Modelle üben Kinder durch Spiel und Nachahmung schon im zweiten Lebensjahr und entwickeln dabei viel Fantasie und Funktionslust.

Warum diese Fähigkeit später verschwindet, hängt von vielen Faktoren ab.

Ein zentraler Faktor allerdings dürfte sein, dass in der Bevölkerung wenig Gespür für und Wissen um Modelle vorhanden ist. Es ist eben doch einfacher, sich auf Dogmen zu stützen, als kritisch mit Modellen umzugehen.

Schule und der Aufbau wissenschaftlicher Modelle

Eine wesentliche Aufgabe der Schulbildung ist der Aufbau wissenschaftlicher Modelle. Stehen hier nur die Lehrer in der Pflicht?

Immer wieder kann man erleben, dass Eltern einen großen Druck auf Lehrer aufbauen, damit ihr Kind später einen ordentlichen, oft wissenschaftlichen Beruf erlernen kann. Doch was hier passiert, ist schlichtweg paradox. Die Eltern kommen mit Mythen an, Mythen wie zum Beispiel, dass Lehrer alleinig für die Vermittlung wissenschaftlichen Denkens zuständig sein, und nutzen dabei selber völlig erstarrte Überzeugungen.

Wie sollen Kinder und Jugendliche aber einen wissenschaftlichen Umgang mit Modellen lernen, wenn dieser von seiten der Eltern (aber natürlich auch manchmal von seiten der Lehrer) fehlt?

Assoziation und Fantasie, Kritik und Dogmatismus

Ein Modell besteht aus Elementen, die in einen gedanklichen Zusammenhang gebracht worden sind. Der Fachbegriff für ‚gedanklicher Zusammenhang‘ heißt Assoziation.

Der Unterschied zwischen einem kritischen Umgang mit Modellen und einer dogmatischen Gläubigkeit liegt genau in dieser Assoziation. Beim Dogmatismus sind Assoziationen absolut. Bei Modellen dagegen sind diese Zusammenhänge nur mögliche Bahnen des Denkens oder mögliche Beziehungen in der Umwelt.

Ernst Mach schrieb bereits 1905, dass vielfältige Assoziationen (im naturwissenschaftlichen Bereich) ein flüssiges, kreatives und wissenschaftliches Denken ermöglichen. Auch der deutsche Philosoph Edmund Husserl positionierte sich ähnlich. Er schrieb, dass die Fantasie die Variation des Faktischen sei. Solche Variationen bilden neue mögliche Verknüpfungen.

Wissenschaftliche Arbeit und kritische Distanz beruhen auf dieser Fantasie, auf dieser freien Kombination von Bedeutungen.

Fantasie und Flow

Weder sollte man also gutgläubig an der Wissenschaft und ihren Erkenntnissen kleben, noch sollte man diese missachten. Fantasie spielt dabei einen Mittler und ist kein gesonderter Bereich menschlichen Denkens. Sie macht das Denken ‚fließend‘.

Der amerikanische Motivationspsychologe Czikszentmihaly hat unter dem Stichwort „Flow“ auch solche Phänomene untersucht, bei denen ein zugleich fantasievoller und gewissenhafter Umgang mit Modellen die zentrale Rolle spielt. Flow heißt nicht ‚Glück‘, wie dies oft falsch kolportiert wird, sondern aktive Wahrnehmung, bewegliches Denken, Freude am eigenen Tun. Also eigentlich: Modellkompetenz.

Fazit

Die kreative Seite der Modellkompetenz bildet einen anspruchsvollen Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens. Sie strahlt in viele andere und sehr viel alltäglichere Bereiche hinein und kann uns vor Mythen und irrationalen Überzeugungen bewahren.