Geht ein Kind plötzlich nicht mehr gern zur Schule, könnte Mobbing die Ursache sein. Welche Maßnahmen helfen Mobbing-Opfern?
Wenn ein Kind plötzlich nicht mehr zur Schule gehen will, seine Noten ohne ersichtlichen Grund immer schlechter werden, es emotional unausgeglichen ist und sich immer mehr zurückzieht, könnte es von Mobbing betroffen sein.
Fachleuten zufolge ist jedes sechste Schulkind ein Mobbing-Opfer, in manchen Schulklassen sind 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen betroffen. Opfer von Mobbing leiden oft bis ins Erwachsenenalter an der seelischen oder physischen Gewalt, die ihnen angetan wurde und von der ihre Eltern oft nichts wussten. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge reagieren Mobbing-Opfer teilweise gewalttätig, oft erst Jahre nach der Mobbing-Erfahrung. So werden Amokläufe unter anderem mit einem jahrelangen Mobbing des Amokläufers in Verbindung gebracht.
Was ist Mobbing?
Das Wort Mobbing geht zurück auf das englische „to mob“, was so viel bedeutet wie jemanden angreifen, anpöbeln, schikanieren. Im Deutschen steht es für verbale oder körperliche Gewalt über einen längeren Zeitraum gegenüber einer Person am Arbeitsplatz, in der Schule oder in anderen Institutionen. Ziel ist es, diese sozial zu isolieren.
Mobbing muss deutlich unterschieden werden von harmlosen, kurzzeitigen Konflikten oder Hänseleien unter Schülern, die Teil der kindlichen Entwicklung sind. Wenn Eltern jedoch das Gefühl haben, dass ihr Kind übermäßig häufig davon erzählt, dass es ausgelacht oder beschimpft wurde oder sich immer mehr zurückzieht, sollten sie aufhorchen und frühzeitig handeln. Denn Mobbing hat viele Gesichter. Es reicht von verbalen Angriffen – Betroffene werden lächerlich gemacht, erniedrigt oder beleidigt – bis hin zu physischen Übergriffen wie Schlägen, Beschädigung von Sachgegenständen oder Erpressungen.
Folgende Veränderungen an ihrem Kind sollten Eltern aufhorchen lassen:
- Beschädigte Kleidung oder zerstörte Sachgegenstände, angeblich verlorenes Geld
- Körperliche Verletzungen ohne sinnvolle Erklärung
- Kontaktscheu gegenüber Mitschülern
- Angst vor der Schule
- Psychosomatische Symptome wie Kopf-, Bauchschmerzen, Schlaflosigkeit
- Allgemeine Ängste, Depressionen bis hin zu Suizidgedanken oder sogar -versuchen
- Unvermittelte Aggression, Gereiztheit, Stimmungsschwankungen
- Plötzlicher Leistungsabfall, Konzentrationsprobleme
- Lernunlust
Bei folgenden Vorkommnissen in der Klasse sollten Lehrer wachsam werden:
- Ein Streit zwischen zwei Schülern lässt sich nicht beilegen
- Der eine Schüler ist dem anderen überlegen, es kommt gehäuft und über längere Zeit zu seelischen und/oder körperlichen Angriffen auf den Schwächeren, an denen auch andere Mitschüler beteiligt sind.
- Niemand hilft dem Unterlegenen und dieser schafft es nicht aus eigener Kraft, den Konflikt beizulegen.
Zum Mobbing gehören viele
Mobber sind meist keine Einzeltäter, denn sie werden durch Mitläufer unterstützt, die sich eine vermeintlich gute Position im Klassenverband sichern wollen. Viele haben zudem Angst, sich dem Täter in den Weg zu stellen und sind froh, wenn sie selbst in Ruhe gelassen werden. Denn Mobber fühlen sich anderen überlegen und können ihre Macht bewusst dazu verwenden, andere zu verletzen, diese aber auch gönnerhaft beschützen. Zur Beendigung des Mobbings sind die Lehrkräfte und die Eltern als Autoritätspersonen gefragt. Doch oft genug verkennen diese den Ernst der Lage oder erfahren von den subtilen Übergriffen nichts und die Opfer leiden stumm. Hier gilt es, genau hinzusehen und aktiv zu werden.
Wer wird ein Mobbing-Opfer?
Treffen kann es prinzipiell jeden. Meist werden jedoch Schüler Opfer von Mobbing, die wenig Selbstbewusstsein haben und deren Verhalten gegenüber ihren Mitschülern unsicher wirkt. Betroffen sind jedoch nicht nur schüchterne Kinder, die sich eher passiv verhalten, auch Kinder, die stark zu sein scheinen, weil sie sich provokant oder anderweitig auffällig verhalten, können gemobbt werden. Problematisch ist dabei, dass Mobbing-Opfer die Schuld bei sich suchen und aus Scham häufig erst sehr spät andere in ihre Qualen einweihen, sodass sich die Schikanen letztendlich auf die gesamte Persönlichkeit des betroffenen Kindes auswirken können.
Hilfe und Unterstützung bei Mobbing
Niemand muss es aushalten, gemobbt zu werden. Mobbing ist durch nichts zu entschuldigen und darf nicht als harmlose Hänselei abgetan werden. Denn Mobbing-Opfer werden von den ihnen überlegenen Tätern und ihren Verbündeten intentional gequält und sind den Übergriffen schutzlos ausgeliefert. Sie brauchen deshalb Unterstützung durch Lehrkräfte, Eltern und ihre Mitschüler.
Kommt es in einer Klasse zu Mobbing-Vorfällen, gilt es unverzüglich zu handeln. Haben Eltern das Gefühl, dass ihr Kind gemobbt wird, ist es wichtig, dass sie mit ihm sprechen, ihm zur Seite stehen und ihm deutlich machen, dass sie ihm helfen werden. Als erstes sollten sie die Klassenleitung kontaktieren sowie wenn nötig auch die Schulleitung über die Vorkommnisse informieren. Zusammen mit diesen und mit dem betroffenen Kind sollten Maßnahmen zur Beendigung des Mobbings besprochen werden. Möchte das Mobbing-Opfer seine Erfahrungen aus Angst vor möglichen Racheakten nicht an die Öffentlichkeit treten lassen, so sollte ein Weg gefunden werden, der das Mobbing beendet, ohne die Privatsphäre des Kindes zu verletzen. Trotzdem sollte das Kind darin unterstützt werden, die Opferrolle zu verlassen.
Mögliche konkrete Maßnahmen:
- Organisation eines Elternabends, der die Dynamik in der Klasse und mögliche Lösungswege zum Thema hat.
- Um das Klassenklima genauer zu erfassen, kann die Klassenleitung eine anonyme schriftliche Befragung der Schüler zur Situation in der Klasse durchführen.
- Mobbing-Intervention durch externe Beratungs- und Unterstützungsstellen
- Wenn vorhanden: Hilfestellung durch schulinterne Berater wie ausgebildete Beratungslehrer, Sozialpädagogen und Schulpsychologen.
Prävention von Mobbing
Damit es erst gar nicht zu Mobbing kommt, sollten Lehrer, Schüler und Eltern gemeinsam für ein friedvolles Klassenklima eintreten. In Zusammenarbeit mit den Schülern können Lehrkräfte Regeln für die Klasse festlegen, die einen respektvollen Umgang innerhalb der Schülergemeinschaft sichern. Probleme sollten aktiv angesprochen und Konfliktlösungen erlernt werden, um Streitigkeiten zwischen Schülern zu beenden, bevor es zu Mobbing kommt. Eltern sollten den Schulalltag ihres Kindes begleiten, mit diesem über etwaige Probleme sprechen, Kontakt zu Lehrern und Mitschülern suchen sowie aktiv an Schulveranstaltungen wie Elternabenden teilnehmen.
Modellprojekt: Aktion „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein!“
Seit 2007 gibt es in Schleswig-Holstein die Aktion „Mobbingfreie Schule – Gemeinsam Klasse sein!“, die von der Techniker Krankenkasse in Zusammenarbeit mit der Hamburger Beratungsstelle Gewaltprävention entwickelt wurde und sich an Hamburger Schulen bewährt hat. Grundlage ist ein Konzept zur Gewaltprävention, das vom Programm „Konfliktkultur in Schulen“ über die Ausbildung von Schülern zu Konfliktlotsen, dem angeleiteten Täter-Opfer-Ausgleich bis hin zum Konzept „Prävention im Team“ praxisnahe Maßnahmen anbietet.
Weiterführende Informationen halten das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein, die Fachstelle Prävention der Aktion Kinder- und Jugendschutz und das Bildungsportal der Landesregierung bereit.
Im Internet helfen die Initiative Schüler gegen Mobbing und das Webportal Schüler-Mobbing betroffenen Kindern und Jugendlichen.