Im Mittelmeerraum wird das Wasser knapp – alte Praktiken neu belebt. Trockenheit, verrottete Wasserleitungen: Es gibt in den Ländern rund ums Mittelmeer viele Gründe für dramatischen Wassermangel. Retter ist dann die gute alte Zisterne.
„Geschlossen wegen Wassermangels“: Schweren Herzens entschloss sich Francesco D’Alessandro, der im sizilianischen Agrigent das Hotel Villa Athena betrieb, eines schönen Tages endgültig dazu, dieses Schild an die Einfahrt zu seinem Mittelklassehotel zu hängen. Die anhaltende sommerliche Trockenheit hatte dazu geführt, dass es aus der Wasserleitung über Wochen kaum mehr tröpfelte. Die versprochenen Wasserwagen der Kommune blieben aus, private Wasserwagen – wahrscheinlich Mafia-verseucht – , lieferten verdorbenes, nicht genießbares Nass. Er schloss das Haus, 40 Angestellte wurden arbeitslos gemeldet.
Das Regenwasser wird gesammelt
Alljährlich kommen aus den Urlaubsländern rund ums Mittelmeer alarmierend die Meldungen, der Wassermangel nehme dramatische Formen an. Trotzdem können das viele Einheimische von Serbien bis Marokko, von Italien bis Griechenland mit Fassung tragen. Denn sie haben eine Zisterne am Haus – oder auch in der Kommune. Wenn natürliche Quellen versiegen – oder gar keine vorhanden sind, wie auf einigen der eolischen Vulkaninseln vor Sizilien – wenn Wasserschiffe ausbleiben, die Wasserspeicher in den Bergen leer werden oder die Leitungsnetze verrottet sind – schöpfen auch heute noch viele aus eigenem nassen Vorrat, den ganzen Sommer über. Sie profitieren von dem zwischen November und März in unterirdischen Speichern gesammelten Regenwasser.
Die Dächer müssen sauber sein
Umberto Palino war Maurer auf der Vulkaninsel Stromboli, die keine natürlichen Quellen besitzt. Er war Fachmann für den Zisternenbau. Wenn er Häuser baute und dazu eine Zisterne einrichtete, dann wurde er in seiner Arbeit ungewohnt exakt und genau. Besondere Sorgfalt verwendete er auf die penible Ausarbeitung der Flachdächer der Häuser. Sie mussten und müssen sauber verfugt und gekalkt sein. Denn hier wird im Winter das Regenwasser aufgefangen, das, mit Hilfe von Haarsieben vorgefiltert, durch Röhren in die Erde und dort in große, ebenfalls fein verfugte, gemauerte und auszementierte Hohlräume, in Zisternen, geleitet wird. Und hier begann das eigentliche Geheimnis des Zisternenbauers Palino:
Eine mechanisch-biologische Klärung
In einer solchen „cisterna“ werden übers Jahr hinweg große Mengen Wasser gespeichert und nach und nach zum Kochen und Spülen, zum Duschen und für die Toilette geholt – aber das Wasser ist nie brackig. Das weiche Regenwasser hat eine ziemlich oberflächliche mechanische Klärung mit Hilfe der Haarsiebe erfahren, wenn es vom Dach in die Rohrleitung fließt. In der Zisterne erhält es schließlich eine Art mechanisch-biologische Klärung in einem Verfahren, das den süditalienischen Zisternenbauern von Vätern und Vorvätern überliefert ist. Und keiner sagt genau, wie das geht.
Eine Lage ausgeglühter Vulkansteine
Jedenfalls durchfließt das Wasser am Zisternenboden einen Langsamfilter, wie die Fachleute sagen, der aus einem Gemisch von Sand und Kies, meist versetzt mit Marmorgries, besteht. Mit einem solchen Gemisch wird der Zisternenboden bedeckt. Auf der Insel Stromboli hatte Umberto Palino keinen Marmorgrieß, er nahm dafür eine Lage grob gemahlener, ausgeglühter Vulkansteine. Das Mischungsverhältnis verbarg er stets hinter einem breiten Grinsen.
Knappe Kipp-Bewegung aus dem Handgelenk
Es mutet mittelalterlich an, wenn die Einheimischen am Mittelmeer auch heute noch den verzinkten Eimer an einem langen Seil im Zisternenschacht versenken, ihn knapp über der Wasseroberfläche mit einer leichten Bewegung aus dem Handgelenk in eine Kipp-Bewegung versetzen, damit er sich mit Wasser füllt, und sie diesen Eimer dann mühsam wieder hochziehen. Doch sie haben kostenfrei Wasser, wenn andere über Trockenheit stöhnen.