Dreiecksbeziehung kann vieles bedeuten und muss keineswegs immer eine sexuelle Konnotation haben.
„Liebe zu dritt“ muss nicht heißen, dass drei Menschen gleichzeitig miteinander im Bett was auch immer tun. Es muss nicht heißen, dass der verheiratete Geschäftsmann mit seiner Sekretärin den Schreibtisch gelegentlich anderweitig nutzt oder sich die einsame Hausfrau dem Postboten an den Hals wirft. Ein Beziehungsdreieck kann auch zwischen Eltern und ihrem Kind bestehen, zwischen Freundinnen oder einfach nur in der Phantasie.
„Ein Lied, das jeder kennt“ – eine Sammlung von Dreiecksgeschichten
Svende Merian, die eines der Kultbücher der Frauenbewegung geschrieben hat, Der Tod des Märchenprinzen, hat ebenfalls eine Sammlung herausgegeben – eine wilde und bunte Sammlung zum Thema Dreiecksgeschichten mit dem Titel Ein Lied, das jeder kennt.
„manchmal möchte ich
schon mit dir
die kirschen in nachbars garten
die waren so süß und so rot…“
So fängt Merians Einleitungstext an, Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt…. 44 Autoren und Autorinnen haben Beiträge zu diesem Buch geleistet, natürlich auch Svende Merian selbst.
Jahrmarkt der Möglichkeiten – „in Drama und Trauma verglühen“
Auf dem Jahrmarkt der Möglichkeiten, so heißt der Beitrag zu Svende Merians Sammlung von Ute Scheub, auch bekannt als Mitbegründerin und Redakteurin der taz. Sie skizziert in ihrer Geschichte eine Reihe ganz unterschiedlicher Modelle von Dreiecksbeziehungen, die allesamt desaströs enden und den Leser mit einem flauen Gefühl zum nächsten Modell schreiten lassen. Am Anfang verkündet Scheub: „Ich biete Ihnen die neuesten Dreiecks-Modelle, die wunderbare Frühjahrsmode, Modelle aller Preislagen und Möglichkeiten.“
Es geht los mit dem Geschäftsmann, Messeaussteller, der sich via Kleinanzeige eine gelangweilte Hausfrau als Mätresse sucht, doch ach, das Spiel fliegt auf und die Frau verfällt dem Wahnsinn. Es geht weiter mit der materialistischen Frau, die ihren Geliebten gegen gutes Geld an eine andere vermietet – der Mann weiß nichts davon und bildet sich ein, er hätte die eine verlassen. Anschließend propagiert ein Vollbärtiger auf einem Friedenskongress die Polygamie, um mittels einer Menschenkette der Liebe den Frieden endlich herbeizuführen. Der Saal indes gähnt, beschimpft und winkt ab. Der Spitzel bedauert: „Alle mit allen, und dann die Probleme und Dramen und Krisen – ganz schnell wär ihnen die Lust am Demonstrieren vergangen.“
Im nächsten Modell berichtet ein muskulöser Rastaman von einer Karibikinsel einer taz-Reporterin, wie die Liebe von kapitalistischen und imperialistischen Prinzipien zersetzt – und zur neuen Währung wurde. Als die Reporterin sich für die Informationen erkenntlich zeigen will, ergreift der Rastaman die Flucht: „Sie will Sex mit mir machen. (…) nichts haß ich so wie Sex!“
Die „progressiv-dynamische Grundhaltung“ in der Beziehung
Das letzte Modell, nun ja: Der männliche Part einer Beziehung verliebt sich in eine andere Frau und sagt zu seiner Partnerin: „(D)a wir Besitzdenken und Eifersucht, die alten Zöpfe der Bürger, nicht kennen, dank der progressiv-dynamischen Grundhaltung in unserer Beziehung, darf dir das bitte nichts ausmachen.“ Man ahnt es schon, es wird nicht gut ausgehen. Die ProtagonistInnen scheitern an ihrer progressiv-dynamischen Grundhaltung. Nach einem wilden Hin und Her in der Dreierkonstellation landen schließlich alle in der psychiatrischen Anstalt und nehmen sich das Leben. Der Psychiater muss einsehen, dass auch er versagt hat und „schießt sich ein Loch durch die progressiv-dynamische Grundhaltung“.
Liebe zu dritt ganz konkret
Françoise Cactus von der Band Stereo Total beschäftigt sich in „Liebe zu dritt“ mit der wortwörtlichen Form dieser vielschichtigen Beziehungskonstellation. In ihrem wunderbaren französischen Zungenschlag singt sie:
„ich liebe es,
liebe zu machen
am liebsten zu dritt
das ist total out
das ist hippieshit
aber ich sag es laut
ich liebe liebe zu dritt“
Denn es ist „crazy, romantisch, es ist kommunistisch“. Der Wissenschaftler mag feststellen: „Sicher ist, dass unter Stress dyadische Systeme zur Dreiecksbildung neigen“, Ute Scheub endet ihre Geschichte mit den Worten: „Seid doch froh, daß es so etwas Unlösbares gibt wie die Liebe! Ihr würdet euch sonst nur zu Tode langweilen!“