Mäuse, Ratten oder Hamster sind keine willkommenen Gäste an Bord von Flugzeugen. Ihre Vorliebe für Isoliermaterial aus Gummi gefährdet Flugzeugtechnik.
Eine Boeing 767 der australischen Airline Qantas musste am 1. Juni 2011 am Boden bleiben, als die Besatzung bei einer Routineüberprüfung des Notfallkoffers für Medikamente ein Nest von Rattenbabys entdeckte. Das geschah zehn Minuten vor dem Einstieg der Passagiere – die Maschine war bereits startbereit. Doch solche Vorkommnisse sind kein Einzelfall. In einem Flugzeug der Saudi Arabian Airlines wurden die Passagiere von einer regelrechten Rattenplage überrascht. Gleich acht Ratten spazierten den Kabinenweg entlang und sorgten für helle Aufregung an Bord. Offenbar hatte ein Fluggast die Tiere in einer Ledertasche in die Kabine geschmuggelt, doch die Ratten hatten sich ihren Weg aus der Tasche genagt.
Solche Vorfälle zählen neben verklemmten Flugzeugtüren und Turbinenschäden zu Ernst zu nehmenden technischen Problem in Flugzeugen. Denn die Nagetiere sind alles andere als harmlos für die kompliziert verbaute Flugzeugtechnik mit endlosen Korridoren aus Kabeln, Schläuchen, Sicherungskästen und sensiblen Schaltverbindungen, die unterhalb der Kabine verlaufen. Selbst ein nagelneu gebautes Flugzeug kann schnell zum Schrotthaufen werden, wenn die Nagetiere nicht gefunden werden. Mitunter können Mäuse auf Nimmerwiedersehen in den Kabelschluchten der elektrischen Anlagen verschwinden und dort Schäden anrichten, die ein Flugzeug zum Absturz bringen können.
Beliebt sind bei den Allesfressern außer dem Reiseproviant an Bord vor allem weiches Gummi von Kabelisolationen und Silikonschläuche. Bloßliegende Metallverbindungen können dann gefährliche Kurzschlüsse an den Leitungen und Kabelbrände auslösen. In einer Boeing 767-200 verlaufen 145 Kilometer Kabel, in einer Boeing 747 sind es schon 275 Kilometer. Da gibt es viel zu nagen.
Qantas-Zwischenfall: Flugbegleiter mussten Ratten töten
Qantas äußerte sich zum Vorfall mit dem Rattennest im Flugzeug in einer am 2. Juni 2011 veröffentlichten Presseerklärung: „So weit wir wissen, ist uns so etwas noch nie passiert. Ein sehr ungewöhnlicher Vorfall. Wir haben keine Ahnung, wie die Tiere dort hingekommen sind.“ Das Flugzeug, das von Sydney nach Brisbane fliegen sollte, musste am Boden bleiben, und die Passagiere umgebucht werden. Die Flugbegleiter mussten die Ratten töten und die Kabine nach weiteren versteckten Nagern absuchen. Flugzeugingenieure überprüfen nun, ob die blinden Passagiere sich bereits an den Kabeln zu schaffen gemacht hatten. Dass es die Ratten an Bord des Flugzeugs bis zur Familiengründung geschafft haben, spricht dafür, dass die Elterntiere sich schon länger an Bord eingenistet hatten. Das ist eine höchst alarmierende Nachricht. Denn niemand weiß, wie viele Ratten sich überhaupt an Bord befinden und ob sich möglicherweise auch noch Tiere in anderen Flugzeugen eingenistet haben.
Nagetierplage: Erst die Mäuse, dann kommen die Ratten
Denn Nagetiere locken sich oft gegenseitig durch Duftstoffe an. Wo Mäuse es geschafft haben, sich einzunisten, wird die Zahl rasch unüberschaubar und es dauert nicht lange, dass auch Ratten anzutreffen sind. Die permanent erneuerten Markierungen der Nager locken stets weitere Artgenossen und sogar Marder an! Mäuse werfen 6-7 Mal im Jahr und bringen dann jeweils 6-8 Junge zur Welt. Wegen der raschen Erbfolge kann ein Mäusepaar bis zu 2000 Nachkommen im Jahr zur Welt bringen. Der Chef der amerikanischen Schädlingsbekämpfungsfirma Atlanta Wildlife Solutions Chad Artimovich sagt: „Flugzeuge mit ihrem Snackangebot an Nüssen, Brezeln und Wasser bieten alles an Bord, was eine Ratte für ein glückliches Nagerleben braucht.“
Oft sind es die Passagiere selbst, die die kleinen Nager zuerst an Bord geschmuggelt haben. 2006 hatte so ein illegaler Hamster den Start einer Maschine der Austrian Airlines auf dem Innsbrucker Flughafen verhindert. Das unbemerkt an Bord geschmuggelte Tier war auf dem Flug Palma – Innsbruck entflohen und beim Zwischenstopp in Tirol ausgebüchst. Die spanischen Sicherheitskräfte am Flughafen in Palma de Mallorca hatten den Hamster zuvor übersehen. Als der Hamster seinem Besitzer dann im Flugzeug entfloh und nicht wieder eingefangen werden konnte, musste das Flugzeug vorerst am Boden bleiben. Der entstandene Schaden wurde teilweise auf den Fluggast umgelegt, der den Hamster unangemeldet an Bord gebracht hatte.
Drahtlose Maus kann für Frequenzstörungen sorgen
Außer echten Mäusen können auch Computermäuse die Sicherheit in Flugzeugen erheblich gefährden. Eine andere Qantasmaschine, die vom australischen Perth nach Singapur unterwegs war, sackte im Juli 2008 aufgrund von Turbulenzen und Kursabweichungen metertief ab. Zahlreiche Passagiere wurden dabei verletzt. Das australische Transportbüro Australian Transport Safety Bureau machte dafür die Verwendung von Laptops und einer drahtlosen Maus an Bord verantwortlich. Die per Funk mit dem Computer kommunizierende Maus sorgte für Frequenzschwankungen der empfindlichen Flugzeuginstrumente im Cockpit.
Airlines verbieten ihren Passagieren bislang aber weder die Verwendung funkgesteuerter Mäuse oder Mobiltelefone. Für viel gefährlicher wird dagegen der Transport von als Haustier gehaltene Nagetiere in der Kabine erachtet. Wer eine Maus, Ratte oder einen Hamster als Haustier unangemeldet im Handgepäck an Bord schmuggelt, muss dagegen mit hohen Strafen rechnen.
Kammerjäger bekämpfen Schädlinge in Flugzeugen mit Gas
Außer Mäusen oder Ratten treiben aber noch eine Vielzahl anderer Schädlinge regelmäßig ihr Unwesen in Flugzeugen. Denn Bettwanzen, Läuse, Flöhe und sogar Skorpione bevölkern die Kabinen von Flugzeugen und breiten sich so weltweit aus. Um die Schädlinge in Flugzeugen zu bekämpfen, werden Flugzeugkabinen mit teils hochgiftigen Chemikalien alle sechs bis acht Wochen begast. Einige Fluggesellschaften wie Swiss oder Air France wenden bei internationalen Flügen laut Spiegel-Online während des Fluges so genannte In-flight-spraying an. Die Lufthansa versprüht vor Langstreckenflügen so genannte Kurzzeitinsektizide. Weil das vielfach verwendete Pestizid Methylbromid wie ein Nervengift wirkte, wurde es 2009 verboten. Stattdessen wird in Europa nun vermehrt Heißluft gegen die weltweit ansteigenden Insektenplagen, die durch Vielfliegerei begünstigt werden, verwendet. Das hat den Nebeneffekt, auch Feuchtigkeit in den Flugzeugen zu bekämpfen.
Pestizide an Bord können Gesundheit der Passagiere gefährden
Die Bekämpfung von Nagetieren oder unliebsamen Insekten an Bord hat aber neben den Kosten, die eine Suche nach den Tieren und deren möglichen angerichteten Schäden verursacht, noch einen weiteren unangenehmen Nebeneffekt. Der Einsatz von giftigen Chemikalien belastet die Luft in den Flugzeugenkabinen. Gerade bei Langstreckenflügen wie mit Qantas nach Australien ist die gesundheitliche Belastung für die Fluggäste erheblich größer. Vielleicht sollten die Fluggesellschaften die bewährte Institution einer Bordkatze erwägen. Segelschiffe hatten auf langen Reisen zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen stets eine Katze an Bord. Allerdings könnten da nun wieder Klagen von Passagieren mit Allergien gegen Tierhaare auf die Fluggesellschaften zukommen.