Benediktiner Anselm Grün feiert 65. Geburtstag in Münsterschwarzach. Lieben kann man, wenn man ein Ja zu sich selbst findet. Trotz Leistungsdruck und überzogenen Erwartungen Anderer. Vom Beten und Arbeiten im Alltag mit Pater Anselm Grün.
Schreiben scheint dem vollbärtigen Mönch zwischen Klosterladen, Klausur und Kirche leicht zu fallen. Jeder Mensch sei ein Buch, solange er mit dem Herzen dabei ist, sagt er und lächelt. Anselm Grün schrieb 20 Jahre lang in seiner Abtei Münsterschwarzach. Jede Woche motiviert und diszipliniert dienstags und donnerstags von sechs bis acht in den Morgenstunden. Es war nicht das schnelle Feuerwerk. Später wurde er mit seinen Büchern zum Bestseller-Autor, weit über den christlichen Tellerrand hinaus.
Coaching und christlichen Glaube geschickt verbinden
Ein Kurs für Manager bei Daimler schaffte den Durchbruch als Coach jenseits der Klostermauern. An seinem 65. Geburtstag, Anfang 2010, wird der Benediktiner-Pater auf 431 lieferbare Buchtitel zurückblicken. Seine Hauptbegriffe dabei? „Demut, Weisheit und Lebensmitte“, sagt er schüchtern. Doch das nicht wegen katholischer Dogmatik, sondern „aus einer tiefen Gottesfurcht heraus“, schiebt der Alt-68er nach. Diese Begriffe klingen fremd, verstaubt in unserer säkularisierten Gesellschaft. Laut Studien wie dem Religionsmonitor von Bertelsmann, Shell-Jugend oder Sinus-Milieus entdecken wir wieder unsere religiösen Wurzeln. Auch in der Wirtschaftskrise.
Mönche managen und die Dogmatiken des Dalai Lama
Damals rangen die Mönche um einen neuen Führungsstil. Pater Anselm versuchte das mit dem Studium von C. G. Jung zu verstehen, beschäftigte sich mit dessen Psychologie. „Wollte dann aber schnell zurück zu den christlichen Wurzeln“, sagt Grün. Sein Ordensbruder Willigis Jäger, ebenfalls Bestseller-Autor, vertritt nach eigenen Angaben eine „transkonfessionelle“ Spiritualität. Anselm Grün dagegen kommt es auf Jesus Christus, die persönliche Seite Gottes an. Von einem Verschmelzen der Kulturen hält er nichts.
Grün erreicht vor allem kirchenfernes Publikum. Konservative Christen kritisieren ihn dagegen öfters für seine warmen Worte, einen Kuschel-Kurs. Pater Dr. Mauritius Wilde, Verleger vom 4 Türme Verlag, war überrascht, als der Mönch während des letzten Besuchs des Dalai Lahmas vor Bankern in Frankfurt seinen Zuhörern klar machte, dass niemand um Jesus Christus herumkomme. Er kann also auch anders, klar und deutlich – und eben auch mal provokativ.
Heilige Schrift und Benedikt verstehen, Beziehungen gestalten
In seinen Büchern zitiert er Worte der Bibel und des Heiligen Benedikts, aber auch Weisheiten der Wüstenväter mit schönen Fotos. Das kommt gut an: Menschen einladen zum Weg, einer Beziehung mit Gott. Die Themen Angst, Depression und Emotion werden die nächsten Jahre immer mehr die Bücherregale füllen. Warum? Ganz gleich ob die Beziehung zwischen Kindern und Eltern, Eheleuten, Angestellten und Vorgesetzen. In der Bibel (1. Korinther 13) steht bereits geschrieben, dass die Liebe erkalten wird. Statt aber schwarz zu malen steht auch drin, wie wir uns liebenswürdiger verhalten können. Jesus Christus hat uns vorgelebt, dass Liebe kein frommer Kitsch ist. Frömmigkeit könne eine Beziehungs-Unfähigkeit sogar überspielen, mahnt der Benediktiner-Pater.
Seelsorge, Lebenshilfe und Psychologie in der Kirche zu Hause
Menschen scheinen sich nach Seelsorge und Lebenshilfe zu sehnen, sonst würden sich seine Bücher nicht wie warme Semmeln verkaufen. Wie verhalten sich Psychologie und Theologie? Die Begegnung mit dem persönlichen und übernatürlichen Gott ist durch nichts zu ersetzen. Im Gebet schöpfen die Mönche in Klöstern wie Münsterschwarzach nicht nur Ruhe und Zufriedenheit. Auch Ängste und Sorgen kommen zur Sprache. „Depression ist ein innerer Hilfeschrei“, sagt der Pater. Ihre Wurzeln würden meist pathologisiert, nur auf körperliche Ursachen zurückgeführt. Dabei geht es doch um Beziehungen.
Beten und Arbeiten, keine Gegensätze sondern Motto der Mönche
Dabei geht es darum, eine echte Work-Life-Balance zu finden. Die Mönche machen das so seit ihrer Gründung. Ihr Motto lautet „ora et labora“, bete und arbeite. Die Sehnsucht nach Gott, Philosophen nannten es auch die Idee des Guten, sie steckt in jedem von uns. Doch bin ich emotional auch durchlässig? Oder tue ich nur so?