Skepis gegenüber neuem kulinarischen Trend wächst. Die zunehmende Perfektion bekannter Speisen hat ihren Preis: In der molekularen Kochkunst werden Zutaten und Zusatzstoffe in größeren Mengen verwendet. Ein Risiko?
Für einige der in der Molekularküche verwendeten Stoffe kann das Risiko für den Verbraucher nicht mehr abgeschätzt werden, da sie in größeren Mengen (als in anderen Lebensmitteln üblich) eingesetzt werden. Dies stellt insbesondere für Allergiker eine zunehmende Gefahr dar.
Die Entstehung der molekularen Kochkunst
Der in den 1990er Jahren von Hervè This geprägte Begriff „Molekular-Gastronomie“ zielte ursprünglich darauf ab, althergebrachte Rezepte zu erklären, sie zu verbessern und neue Rezepte zu kreieren. In der molekularen Küche stehen die biochemischen und physikalisch-chemischen Prozesse im Vordergrund. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse hieraus werden bei der Lebensmittelherstellung und -zubereitung umgesetzt.
In der Molekularküche verwendete Stoffe
Zu den in der molekularen Küche verwendeten Zusatzstoffen zählen unter anderem:
- Agar-Agar (E 406)
- Natriumalginat (E 401)
- Calciumlactat (E 327)
- Cellulosederivat (E 461)
- Sojalecithin (E 322)
- Guarkernmehl (E 412)
- Carrageen (E 407)
- Johannisbrotkernmehl (E 410)
- Xanthan (E 415)
- Flüssiger Stickstoff (N2)
Gesundheitliche Bewertung der Zusatzstoffe: von Agar-Agar bis zu Xanthan
Agar-Agar ist eine vegetarische Alternative zu Gelatine. Der Ballaststoff wirkt in höherer Dosis leicht abführend und kann außerdem aus der Herstellung Bleichmittelreste enthalten.
Natriumalginat ist ein natürliches Extrakt aus Braunalgen. Es kann Spurenelemente binden, so dass deren Aufnahme durch den Darm behindert wird. Tierversuche weisen auf eine geringfügige Beeinträchtigung der Eiweißverdauung hin. Neu auf dem Markt ist ein Alginat, das durch die schleimhautabdeckende Wirkung gegen Sodbrennen helfen soll. Im Falle einer nuklearen Katastrophe wird Natrium-Alginat als Antidot zur Reduzierung der Strontium(Sr)-Aufnahme durch die Nahrung empfohlen.
Calciumlactat gehört zu den Säuerungsmitteln und Säureregulatoren. Kleinkindern fehlt die Fähigkeit zum Abbau der D-Milchsäure. Dadurch kann es zur Übersäuerung des Blutes (Acidose) kommen. Lebensmittel, die speziell für Säuglinge hergestellt werden, müssen bei einem Gehalt an D-Milchsäure einen Warnhinweis tragen. Für den Erwachsenen ist diese Milchsäure unbedenklich.
Das Verdickungsmittel Cellulosederivat wird aus Cellulose hergestellt. Es ist als E 461 bedeutsam für mikrowellengeeignete Fertiggerichte und als Füllstoffe für Lightprodukte. Abgesehen von einer abführenden beziehungsweise verstopfenden Wirkung beim Menschen, sind keine nachteiligen Folgen bekannt.
Lecithin ist ein natürlicher Extrakt, der nicht nur emulgierend sondern teilweise auch antioxidativ wirkt. Er erlaubt beispielsweise die Einsparung von Eiern. Die Bezeichnung „Lecithin“ täuscht allerdings darüber hinweg, dass es sich um ein komplexes Stoffgemisch handelt, das ganz unterschiedliche Zusammensetzung und Wirkungen haben kann.
Guarkernmehl (Gellan Gum) ist ein Geliermittel, das mit etwa sechs Prozent Schalen und Keimbestandteilen verunreinigt sein darf, die schädliche Stoffe wie Fluoressigsäure, Saponine oder allergene Eiweiße enthalten. E 412 beeinträchtigt die Verdauung, verändert die Darmflora und fördert Blähungen. Deshalb wurde Guar in höherer Dosierung auch als Abnehmhilfe verordnet. Aufgrund „zahlreicher Berichte über die Schädigung von Speiseröhre, Magen und Darm“ wurde es als riskantes Schlankheitsmittel eingestuft. Als Zusatzstoff wird es wegen der geringen Zugabemenge (maximal zwei Prozent) als harmlos angesehen.
Carrageen wird heutzutage aus Rotalgen kostengünstig produziert, seine Verwendung in Lebensmitteln ist jedoch nicht unumstritten. Besorgniserregend sind insbesondere zunehmende Erkenntnisse über Krebs verursachende Eigenschaften von Carrageen. In zahlreichen Tierversuchen haben Wissenschaftler festgestellt, dass insbesondere das kurzkettige Carrageen Tumore im Magen- Darmtrakt auslösen kann. Die experimentellen Befunde belegen, dass das bisher als sicher eingestufte natürlich vorkommende höhermolekulare Carrageen im Verdauungstrakt in die gesundheitsgefährdende Form abgebaut wird. Das Ausmaß der Absorption von Carrageen im unreifen Darm beziehungsweise im entzündlich geschädigten Darm sowie mögliche Auswirkungen auf Entzündungs- und Immunreaktionen kann derzeit nicht sicher beurteilt werden. Daher wird derzeit von der Verwendung Carrageen-haltiger Trink- und Sondennahrungen abgeraten. Die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung und die Deutsche Diätverordnung sehen vor, dass Carrageen nicht in Säuglingsnahrungen enthalten sein darf, während die Verwendung in Folge-Nahrungen und in Beikost-Produkten möglich ist.
Johannisbrotkernmehl ist ein aus den gemahlenen Samen der Früchte des Johannisbrotbaums hergestelltes Verdickungsmittel. Die Samen werden entweder mit Schwefelsäure behandelt oder einer Röstung unterzogen. E 410 senkt den Cholesterinspiegel und kann die Eiweißausnutzung etwas verringern.
Xanthan wird biotechnologisch von Bakterien (Xanthomonas) aus Zucker produziert. Im fertigen Produkt dürfen keine lebensfähigen Xanthomonaden mehr enthalten sein. Besonderes Augenmerk muss auf jene Substanzen gerichtet werden, die zur „Fütterung“ der Mikroorganismen zugegeben werden, damit sie nicht bis ins fertige Produkt verschleppt werden können. Xanthan weist ein geringes allergisches Potenzial auf. Stickstoff ist für ausnahmslos alle Lebensmittel ohne Höchstmengenbeschränkung zugelassen.
Diskussion um Nutzen und Risiko molekularer Kochtechniken
Skeptiker diskutieren, inwieweit Geliermittel wie Xanthan oder Alginate tatsächlich der Qualität dienen oder nur der Täuschung und Effekthascherei oder ob sie gar schädlich sind. Kuriose neuartige Gerichte können auf Dauer möglicherweise zu einer Art Übersättigung des Verbrauchergaumens führen. Damit ist die Lebensmittelindustrie gefordert, immer neue Reize zu erschaffen, preiswerter zu sein und die Nachfrage zu erhöhen. So wird unter Umständen das Entstehen neuer Süchte und Krankheiten begünstigt. Gründe hierfür sehen die Skeptiker vor allem in der verstärkten Aufnahme einzelner Zusatzstoffe. Einerseits kann dies Übelkeit und Durchfall hervorrufen, andererseits zu mehr Fettleibigkeit führen oder sogar Allergien auslösen.
Empfehlungen für Verbraucher – Forderungen der Verbraucherschützer
Verbraucher sollten kleinere Portionen solcher Gerichte verzehren. Lebensmittel verarbeitende Betriebe werden aufgefordert, neue Gelier- und Verdickungsmittel nur sparsam und gezielt zu verwenden. So soll verhindert werden, die Zusatzstoffe zu verharmlosen und in der Spitzengastronomie zu etablieren. Zudem verlangen Skeptiker, den Endverbraucher entsprechend aufzuklären oder zumindest eine genaue Auszeichnung nach den Lebensmittelvorschriften vorzunehmen. Nur so kann zumindest teilweise sichergestellt werden, dass die Verbraucher ausreichend informiert und wenn nötig auch geschützt sind.