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Lügen werden zu Wahrheiten

Durch ständige Wiederholungen verlogener Behauptungen. Viele Menschen haben sich heute Biografien zugelegt, die keinerlei Übereinstimmung zwischen Image und Identität mehr aufweisen.

Dadurch dass viele Leute das gleiche wiederholen, wird die Lüge zur Wahrheit! Diese Erkenntnis hat schon George Orwell in seiner Romanutopie „1984“ gehabt, die er 1949, ein Jahr vor seinem Tod verfasste. Heute ist das Prinzip der Redundanz durch ständige Wiederholungen tatsächlich zur wichtigsten politischen Verhaltensweise geworden. Lügen, Halbwahrheiten, Schlagworte gehören einfach zum Repertoire, das Politiker im Schlaf abspulen können und das Verwerfliche daran ist, sie werden von den Moderatoren, die eigentlich für die Einhaltung der Regeln sorgen sollen, nicht daran gehindert.

Wie soll ich es mit der Lüge halten?

Sie werden vielleicht zunächst denken, was für eine Frage: Ich lüge doch nie oder so gut wie nie oder nur dann, wenn es gar nicht anders geht. Wenn ich keinen anderen Ausweg mehr sehe und eine Notlüge gebrauchen muss. So eine klitzekleine Notlüge, um niemand zu verletzen, das muss doch gestattet sein. Deshalb bin ich kein schlechter Mensch. Sicherlich nicht. Auch wenn der Philosoph Kant in seiner sehr formalistischen, rigorosen Ethik sogar gefordert hat, wenn ein Meuchelmörder, dessen Absichten man kenne, nach dem Aufenthalt seines Opfers frage, dann dürfe man ihn nicht belügen. Nun, damals war in Königsberg vielleicht noch die heile Welt, aber aus heutiger Sicht ist eine solche Meinung reichlich naiv.

Das achte Gebot lautet bekanntlich: „Du sollst kein falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“ Aha, gegenüber Fremden wäre die Lüge also schon mal erlaubt und gegenüber mir selbst auch. Diese gewagte Interpretation scheint in der Welt von heute in sämtlichen Lebensbereichen mehr Anhänger zu finden.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit schwinden

Die uninformierte Öffentlichkeit hat sich praktisch allgemein darauf verständigt, kein Vertrauen mehr zu haben und trotzdem diese Leute wieder zu wählen, weil schließlich alle ausnahmslos Lügner sind. Es gibt angeblich keine Alternativen und wenn beispielsweise Wissenschaftler versehentlich als Einzelne in eine Position kommen, ihre visionären Vorstellungen über die Medien zu verkünden, werden sie von der parteiübergreifenden Fraktion der Vertuscher & Vernebler erbarmungslos eingefangen und mit einer klebrigen Masse aus verlogenen Behauptungen förmlich zugeschüttet. In einer Welt, in der von politischen Leitfiguren notorisch Siege zu Niederlagen und Niederlagen zu Siegen erklärt werden oder Vertrauen zu Misstrauen und Misstrauen zu Vertrauen umgedeutet wird, kann keine Atmosphäre der Glaubwürdigkeit entstehen.

Was sagt die Forschung?

Nun, wenn wir ganz harte, was wir aussprechen und was wir denken, bestehen viel häufiger Unterschiede als wir uns bewusst machen. Dies ist einerseits für das Zusammenleben gut so und andererseits gefährlich, wenn wir jegliches Augenmaß und alle Hemmungen verlieren. Lügen ist aus der Sicht der Lügner eine Bequemlichkeits-Strategie. Wenn sie gefragt werden, geben mehr als 40 Prozent der Leute an, sie würden lügen, um Ärger zu vermeiden. Dieser Prozentsatz vergrößert sich noch auf rund 60 – 70 Prozent, wenn Antworten wie „aus Liebe“ und „aus Mitleid“ addiert werden.

Jeder will ein Star sein

Das stark ausgeprägte Geltungsbedürnis, der Starkult und die verbreitete Meinung, jeder könne auch ohne Leistung zum Star werden, hat natürlich die Neigung zur bewusst unwahren Behauptung gefördert. Die Pseudologie, der krankhafte Drang zu lügen, ist auf dem Vormarsch. Nicht zuletzt auch. weil viele alleine und nicht mehr in Gemeinschaften leben, wo jeder jeden kennt. Aus der Anonymität heraus lügt es sich vielleichter, wie ja gerade auch das Internet beweist. Wir können auf sämtlichen gesellschaftlichen Gebieten, ob nun in der Politik, in der Wirtschaft oder auch im Privatleben beobachten, dass die Menschen in der Wohlstandsgesellschaft sich Biografien zulegen, die mit der Realität nicht oder kaum mehr in Einklang stehen. Ihr Image ist mit ihrer Identität nicht nur nicht kongruent, sondern klafft, wenn wir hinter die Kulissen schauen können, meilenweit auseinander. Das eine hat oft mit dem anderen überhaupt nichts mehr zu tun.

Charme und Charisma

Sich auf jemand verlassen zu können, von dem man wirklich sicher ist, dass sein Wort gilt, scheint tatsächlich nicht mehr zu den wichtigsten Tugenden zu gehören. Es hat sich sogar die Meinung breit gemacht, nur wer gut lügen könne, würde geliebt. Daran ist sicherlich viel Wahres. Menschen, denen von anderen Charme und Charisma nachgesagt wird, spielen häufiger eine schauspielerische Rolle als man denkt. Diese betonte Liebenswürdigkeit und Lichtgestalt-Haltung ist meistens eingeübt, um die Leute für sich einzunehmen. Wenn dieses positive Auftreten lange genug durchgehalten wird, wirkt es stark imageprägend und wird dann zum Selbstläufer. Was immer diese Person dann sagt oder tut, und mag es der größe Unsinn sein, wird ihr von der Öffentlichkeit verziehen. Immer wenn die Presse ihnen Namen gibt, die sie aus der Masse herausheben wie Kaiser, König oder Baron, kann man diese Auserwählten deutlich erkennen. Diese mit einer gewissen Ironie und Süffisanz aufgeklebten Etiketten können allerdings leicht umgekehrt werden in Beleidigunen wie Ausbrecherkönig oder Schuldenbaron.