Laut Weltgesundheitsorganisation WHO bringen sich weltweit ca. eine Millionen Menschen pro Jahr selbst um. Viele davon litten vorher unter schweren Depressionen. Mit 23,7 Suiziden auf 100.000 Einwohner nimmt Japan dabei im Ranking einen der vorderen Plätze ein. Deutschland kann im Vergleich dazu im Jahre 2004 13 Selbstmorde pro 100.000 Einwohner verzeichnen. Zwei Studien, eine japanische und eine österreichische, haben untersucht, welchen Einfluss das Spurenelement Lithium auf den menschlichen Körper hat. Sie kamen zu dem gleichen Ergebnis: Lithium soll lebensverlängernd wirken und einen positiven Effekt auf die Psyche des Menschen ausüben. Ein neues Heilmittel scheint gefunden. Aber ist dieses Wundermittel wirklich so neu? Und kann es eventuell einfach dem Trinkwasser beigemischt werden, um die Selbstmordraten allgemein zu senken?
Lithium: Element mit vielen Verwendungsmöglichkeiten
Spuren von Lithium sind in vielen Mineralien vorhanden, am häufigsten ist es in Ambligonit, Petalit, Spodumen und Lepidolit zu finden. Lithium, das im Periodensystem die Ordnungszahl 3 trägt, ist das leichteste aller Elemente und ist daher vielfältig einsetzbar. Legierungen mit Aluminium, Magnesium und Blei sorgen beispielsweise dafür, dass jene stabiler und gleichzeitig leichter gemacht werden. Auch in Batterien oder Akkumulatoren von Elektrofahrzeugen findet Lithium eine häufige Verwendung. Gerne bedient man sich ebenfalls bei der Produktion von Feuerwerkskörpern des Spurenelements, da Lithiumsalze Flammen auffallend purpurviolett einfärben.
Lithium als Therapiemittel
Auch in der Medizin wird Lithium eingesetzt. Es wird bereits seit den 1950er Jahren verwendet, um depressive Erkrankungen zu behandeln. Bei bipolaren Störungen, wie beispielsweise manisch-depressiven Erkrankungen, wirkt Lithium stabilisierend auf die häufigen Stimmungsschwankungen der Patienten. Auch zur Suizidprävention bei Depressionen wird der Wirkstoff häufig verwendet. Somit ist die positive Wirkung von Lithium bereits seit längerem bekannt. Neu ist an den Ergebnissen der beiden veröffentlichten Studien aber, dass das Metall schon in so geringen Mengen wirkt, wie es in der Natur vorkommt. Die übliche Dosierung als therapeutische Gabe befindet sich in der Nähe toxischer Grenzen. Sie ist in etwa um das hundertfache höher, als sie beispielsweise in natürlicher Menge im Trinkwasser zu finden ist. Der normale Lithiumgehalt im menschlichen Körper beträgt circa 7 mg/l Blut. Ab einer Menge von 10 mg/l Blut liegt schon eine leichte Lithiumvergiftung vor, 15 mg/l führen zu Verwirrung und lallender Aussprache, und bei 20 mg/l Blut besteht akute Lebensgefahr. In den vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts verstarben einige Patienten, die zu Forschungszwecken Lithiumchlorid statt Salz verabreicht bekamen.
Japanische Studie bestätigt: Lithium hat positiven Einfluss auf die Psyche
Japan hat schon seit etlichen Jahren eine hohe Suizidrate zu beklagen. Laut WHO begingen seit 1998 jedes Jahr circa 30.000 Japaner Selbstmord. 2006 beendeten 29.921 Japaner ihr Leben, wovon zwei Drittel Männer waren. In Japan liegt die höchste Gefährdung für eine Selbsttötung im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Japanische Forscher bestimmten nun im Trinkwasser aller 18 japanischen Gemeinden der Präfektur Oita auf der Insel Kyushu den Lithiumgehalt. Die natürlich vorkommenden Lithium-Konzentrationen wiesen dabei stark divergierende Werte auf. Die Schwankungen lagen zwischen 0,7 bis zu 59 Mikrogramm pro Liter Wasser. Nach exakter Bestimmung der Lithium-Konzentration im Trinkwasser wurden zum Vergleich die Selbstmordraten der Gemeinden herangezogen, die mit dem entsprechenden Wasser versorgt wurden. Das Ergebnis der Studie, die im Jahre 2009 vorgestellt wurde, war eindeutig. Für die Jahre 2002 bis 2006 konnten die Forscher eine signifikante Korrelation feststellen: Die Gemeinden mit den höchsten Lithium-Werten im Trinkwasser konnten die geringsten Suizidraten verzeichnen. Auch die durchschnittliche Lebenserwartung der jeweiligen Bevölkerung war drei bis vier Jahre höher als normal. Aufgrund methodischer Mängel wurde die Studie allerdings nicht anerkannt und geriet bald in Vergessenheit.
Österreichische Studie bestätigt: Lithium senkt die Suizidrate
Im Mai 2011 sorgte eine Studie von Forschern der Medizinischen Universität Wien, die im „British Journal of Psychiatry“ veröffentlicht wurde, wiederum für Aufsehen. Unter der Leitung von Nestor Kapusta untersuchten die Forscher der Universität Wien 6460 Trinkwasserproben aus 99 österreichischen Bezirken auf ihren Lithiumgehalt. Das Ergebnis verglichen sie mit den Suizidraten in den betroffenen Gegenden. Ein deutlicher Zusammenhang zwischen Lithiummenge im Trinkwasser und der Suizidrate konnte auch hier nachgewiesen werden. Im Pinzgau, Lungau und Pongau beispielsweise ist der Lithiumgehalt im Trinkwasser nur in verschwindend geringer Menge vorhanden, die Selbstmordrate der Bevölkerung aber signifikant hoch. In Gegenden mit niedriger Lithium-Konzentration brachten sich laut Studie 16 von 100.000 Menschen um. Wo hohe Konzentrationen im Trinkwasser nachgewiesen werden konnten, töteten sich 11 von 100.000 Menschen. Selbst nach Ausschluss anderer sozioökonomischer Faktoren, wie Einkommen, Partnerschaft etc., die einen Einfluss auf eine Selbsttötung haben könnten, blieb die Korrelation weiterhin eindeutig nachweisbar.
Soll Lithium dem Trinkwasser künstlich zugefügt werden?
Das Spurenelement Lithium wirkt beeinflussend auf das Nervensystem des Menschen. Ein Mangel an Lithium im Körper kann demnach eine stärkere Erregbarkeit, Hektik und Stimmungsschwankungen auslösen. Obwohl offensichtlich bereits geringe Lithium-Mengen im Trinkwasser ausreichen, um die Gemütslage depressiver Menschen aufzuhellen, raten die Forscher dennoch von einer künstlichen Zugabe an Lithium im Trinkwasser ab. Wieso das bereits minimale Vorkommen des Elements im Wasser so eine starke Wirkung erzielt, ist noch nicht geklärt. Und auch eine gesunde Dosis an Lithium kann schwer festgelegt werden. Vor allem können Nebenwirkungen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Laut einer aktuellen Studie aus den argentinischen Anden haben Menschen, die dort in Regionen leben, in denen die Lithium-Konzentration im Trinkwasser 10 bis 20 mal höher ist als normal, mit erhöhten Schilddrüsenwerten zu kämpfen. Eine gezielte Beimischung von Lithium in die Trinkwasserreservoirs steht somit momentan zumindest noch nicht zur Debatte. Weitere Forschungen sind auf jeden Fall unablässig, um negative Folgen auf das vegetative System des Menschen definitiv ausschließen zu können!