Die männliche Sexuailtiät ist komplizierter und facettenreicher als angenommen. Bei jungen Männern ist eine wachsende Identitätsverunsicherung beobachtbar.
Neueste Berichte und Studien geben Aufschluss darüber, wie es um die männliche Sexualität, den männlichen Orgasmus, die Lust und die Liebe bestellt ist. Dass der Höhepunkt des Mannes anders ist als der der Frau, ist hinlänglich bekannt. Wenn also an Männer und Sex gedacht wird, erscheint uns alles klar. Aber wissen wir wirklich, wie Männer beim Sex ticken? Untersuchungen zufolge, soll die männliche Sexualität weit mehr umfassen als die hormonell gesteuerte mechanische Erektion mit der Sehnsucht nach Eindringen und Zustoßen. Dennoch besteht kein Zweifel, dass viele Männer, auch junge Männer, ihre Sexualität auf Erektion und Koitus reduzieren.
Die These vom triebgesteuerten Mann
Die gängige These vom triebgesteuerten Mann ist zu hinterfragen. Neuesten Erkenntnissen zufolge, ist das männliche Libidoempfinden genauso störanfällig wie das der Frau. Die Rein-Raus-Rituale besitzen bei den Männern einen ähnlichen Irritationsfaktor wie ihn Frauen seit dem Ausbruch der sexuellen Revolution beklagen. Untersuchungen des Kinsey Institute bestätigen die Komplexität der männlichen sexuellen Reaktion. In einer Fokusgruppenstudie wurden Männer aller Altersgruppen zu ihrer Sexualität befragt. Das Ergebnis war erstaunlich. Festgestellt wurde, dass die sexuelle Erregung des Mannes nicht nur das eigene Selbstvertrauen bestimmt, sondern auch das Selbstvertrauen der Partnerin. Auch die emotionale Bindung zur Partnerin erwies sich als zentraler Faktor. Anders gesagt: Auch Steinzeitmänner wollen kuscheln.
Die männliche Sexualität, die Lust und die Erregung
Die männliche Sexualität ist wesentlich komplizierter als bisher angenommen. Männer genießen ihren Körper phantasievoller als ihnen die gängigen Klischees zubilligen. Allerdings befriedigen sich Männer lieber alleine als im Beisein des Partners. Männer stehen durch die traditionell vorgegebenen Rollenbilder und Rollenerwartungen unter Beweisdruck. Im Bett pulvern sie die gesamte Energie in das Finale und verpassen dabei andere, vielleicht lustvoller Varianten des Sex.
Wie Lust vom Mann erlebt wird, hängt von vielen Faktoren ab, wie der Laune, dem Partner, dem Vorhandensein oder der Abwesenheit von Sorgen und Stress. der eigenen Einstellung zum Sex, wobei die Erfahrungen auch eine Rolle spielen. Diese beziehen sich nicht nur auf frühere Partner und der Selbstbefriedigung. Vielmehr verstanden wird darunter die Vertrautheit mit dem eigenen Körper und der Akzeptanz geheimer seelischer Regungen. Die sexuelle Erregung wird nicht nur durch körperliche, sondern auch durch psychische Stimulierung hervorgerufen, wie durch visuelle Reize, Träume, eigene Vorstellungskraft und sexuelle Phantasien. Die Abgrenzung, welche Stimulierung die „normalere“ sei, gibt es nicht. Auch nicht die verbreitete Annahme, dass Männer grundsätzlich auf Reize anders reagieren als Frauen. Die einzigen Unterschiede, die es in diesem Bereich gibt, sind individueller Natur. Das heißt, dass jeder Mensch auf seine ganz eigene Art besonders ansprechbar ist.
Der Orgasmus ist nicht gleich Orgasmus
Beim Mann sind nicht alle Orgasmen gleich toll. Das ergibt sich aus vielen Gründen. Einer der Hauptgründe ist, dass der Mann beim Sex den ganzen Körper mit einbezieht. Umstände wie Müdigkeit, Erschöpfung, Entspannung und Stress können einen Einfluss auf die Intensität haben. Das Ereignis und die Intensität hängt auch davon ab, wie sexy sich man bereits am Anfang gefühlt hat. Ein Maß der Intensität eines Orgasmus kann der Grad an Kontraktionen der Gesichtsmuskulatur einer Person sein, oder die Lautstärke von unbewussten Ausrufen während des Orgasmus. Der Orgasmus ist ein komplexes Phänomen, das sich in sehr vielen Qualitäten ereignen kann. Die Palette reicht von einem körperlich sehr eng umgrenzten lustvollen Reflex bis zu einer dem ganzen Körper umfassenden seelischen Hingabe.
Der Rede vom männlichen G-Punkt
Der männliche G-Punkt (Prostata) wurde in den letzten Jahren als sexuell höchst wirksame Einrichtung identifiziert. Der Prostatadrüse, auch Vorsteherdrüse genannt, kommen weitere interessante Aspekte hinzu. Dieses zur Hälfte aus Drüsen- und zur Hälfte aus Muskelgewebe bestehende Organ, soll eines der Hauptsitze der schönen Gefühle auf dem Weg zum und beim Orgasmus sein. In der Sexualwissenschaft ist dieser Umstand allerdings umstritten. Objektiv beobachtbar sind allerdings Muskelkontraktionen, die durch Prostatastimulation ausgelöst werden, und jenen beim Orgasmus entsprechen. Es ist möglich, dass die Prostatastimulation sexuell erregend wirken kann, doch wissenschaftliche valide Untersuchungen gibt es dazu noch nicht. Sicher ist, dass sich die erogenen Zonen des Mannes nicht nur auf den Penis und die Hoden beschränken, sondern sich über den ganzen Körper verteilten, wenn auch nicht so intensiv wie bei der Frau.
Wachsender Libidoverlust, sexuelle Unlust und Internet – Pornografien
Neuste Untersuchungen belegen, dass junge Männer zunehmend über wachsenden Libidoverlust klagen. Die Sexualtherapeutin Elia Bragagna sieht die Ursache für dieses Phänomen in der Kick-Gesellschaft. Um den gängigen Leistungsvorstellungen zu entsprechen, gehen junge Männer mit Frauen ins Bett, obwohl ihre Körper das gar nicht wollen. Für eine funktionierende Sexualität sind Nähe und Vertrauen immer noch die wichtigsten Voraussetzungen. Auch das Zeitalter der Internet-Pornografierung hinterlässt seine Spuren. Beobachtet wird, dass sich die sexuelle Unlust innerhalb von Paarbeziehungen verdichtet.
Aber auch das onlineorientierte Freizeitleben wirkt sich teilweise negativ auf den Lustpegel aus. Diese Umstände bewirken mitunter, dass außer dem Fernseher und dem Computer in Langzeitbeziehungen nur wenig läuft. Die Pornovorgaben im Netz, nicht so bestückt zu sein, oder soweit ejakulieren zu können, potenzieren die verängstigten Jungen. Besonders in der Migrantenszene hat die wachsende Identitätsverunsicherung zu einer Verherrlichung chauvinistischer Männerideale geführt. Mann sein und die Definition von Männlichkeit war noch nie so facettenreich und kompliziert wie heute: Im Job, in der Beziehung und im Bett.