Rechtzeitig behandeln, um Folgeschäden zu vermeiden. Der meist an den Genitalien auftretende Lichen sclerosus wird oft spät diagnostiziert. Nicht nur Erwachsene und Jugendliche, auch Kinder können bereits daran erkranken.
Zum ersten Mal beschrieben wurde der vulväre Lichen sclerosus (LS), früher auch als Kraurose, Dystrophie, und Lichen sclerosus et atrophicus bezeichnet, 1889 vom französischen Dermatologen Prof. Francois Henri Hallopeau. Die Ätiologie (Entstehung) der Erkrankung, die überwiegend an den Genitalien und im perianalen Bereich auftritt, ist auch heute noch weitgehend unbekannt, aber das Krankheitsbild wird als eine lokale reaktive Immundysregulation verstanden.
Die Anzahl der Lymphozyten und deren Zytokinsekretion (Botenstoffabgabe) bestimmen die Aktivität der Krankheit und den Grad der assoziierten Gewebszerstörung. Vermutet werden autoimmune Phänomene, da der LS häufig in Zusammenhang mit Diabetes mellitus, Thyreoditis, Morphea, Vitiligo, Alopecia areata, perniziöser Anämie und Colitis ulcerosa auftritt. Die Prävalenz der Erkrankung kann nur geschätzt werden: In der Literatur wird die Prävalenz des LS mit 1:3.000 bis 1:6.000 angegeben. Frauen sind etwa fünf bis sieben Mal häufiger betroffen als Männer.
Unbedingt biopsieren
LS wird – vor allem im Frühstadium der Erkrankung – oft nicht erkannt. Die Kernsymptome, das sind Jucken, Brennen und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr werden nicht selten als Pilzerkrankung fehlgedeutet: „Wiederholte Pilzbehandlungen sind dann wenig erfolgreich“, hielt der Gynäkologe Prof. Dr. Olaf Reich von der klinischen Abteilung für Gynäkologie an der Medizinischen Universität Graz im Rahmen eines Vortrags anlässlich der 39. Fortbildungstagung für Fachärzte der Gynäkologie und Geburtshilfe fest, die von 3. bis 10. Februar im Tiroler Obergurgl stattfand: „Ein früher Lichen sclerosus kann sich in Form eines glänzenden Erythems (entzündungsbedingte Hautrötung) und/oder mit einer fleckförmigen Depigmentierung z.B. im Bereich der Klitoris oder der kleinen Labien zeigen“, führte Reich weiter aus: „Jedenfalls sind die Krankheitszeichen oft vieldeutig und sollten mittels Stanzbiopsie histologisch abgeklärt werden.“
Genau nachschauen
Dabei ist vor allem im Frühstadium der Erkrankung optimal, mehr als ein Biopsat zu entnehmen, da die Erkrankung gerade im Frühstadium unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann: „Die Biopsie sollte optimalerweise in zwei verschiedenen Arealen mit einer Stanze von mindestens vier Millimetern Durchmesser durchgeführt werden, um eine korrekte Diagnose stellen zu können“, hielt die Gynäkopathologin und Dermatopathologin Prof. Dr. Sigrid Regauer vom Institut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz in ihrem Vortrag fest. Histopathologisch zeigen sich eine Atrophie der Epidermis mit follikulären Hyperkeratosen (die Haut wird dünner, die Verhornung der Haut nimmt zu), sowie eine Zerstörung der elastischen Fasern.
Das lymphozytäre Entzündunginfiltrat unterhalb der Sklerose ist meist gering. Im Frühstadium des LS ist dagegen das Epithel oft verbreitert und hyperkeratotisch verhornt. Die Basalmembranverbreiterung ist nur fokal und gering ausgeprägt, die Gefäße massiv erweitert und die Submukosa ödematös. Das lymphozytäre Infiltrat kann sehr dicht sein, entweder bandförmig entlang der Basalmembran, oder aber um Blutgefäße mit Ausbildung einer lymphozytären Vaskulitis. Um die Veränderungen einer Vaskulitis zu sehen, sollte die Biopsie nicht zu oberflächlich sein.
Da die Krankheitszeichen vor allem in der frühen Krankheitsphase des LS zu Fehldiagnosen führen können, sei, so die Grazer Gynäkopathologin mit Zusatzqualifikation Dermatopathologie, die derzeit auch Vorsitzende der Working Group Gynecopathology in der European Society of Pathology ist, eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Gynäkologen und Pathologen, und gegebenenfalls auch mit Dermatologen für die korrekte Diagnose eines LS unabdingbar.“
Gut behandelbar
LS beginnt oft schleichend in jungen Jahren und wird bei Frauen nach der Menopause dann oft schon als fortgeschrittene Erkrankung klinisch diagnostiziert. Aber auch Männer und Kinder können an LS erkranken. An der Vulva sind vor allem die kleinen Labien und interlabialen Sulci betroffen. Die Veränderungen greifen auch gerne auf die perineale und perianale Region über. Am Penis sind die Herde an der Glans und der Vorhaut erkennbar. Heilbar ist ein LS derzeit leider nicht. An LS erkrankte Kinder können allerdings hoffen, dass es mit dem Eintritt in die Pubertät zu einer Remission kommt.
Erstbehandlung über drei Monate
Bei Betroffenen zählt vor allem eine frühe und adäquate Diagnostik und ein früher Behandlungsbeginn, um ein Fortschreiten der Erkrankung bis hin zur destruktiven Atrophie des äußeren Genitale zu verhindern: „Der goldene Standard in der Behandlung des LS ist heute die Anwendung ultrapotenter Kortikoide, wie z. B. Clobetasol-propionat 0,05%*“, erläuterte Reich. Ein häufig erfolgreich angewendetes Regime nach Erstdiagnose eines klinisch aktiven LS ist die Anwendung der Creme jeweils einmal täglich über vier Wochen, und danach alle zwei Tage über vier Wochen. Im dritten Monat wird die Creme ein bis zweimal pro Woche aufgetragen: „Kommt es danach erneut zu klinischer Aktivität, sollte die Behandlung sparsam über einige Tage bis zum Abklingen der Beschwerden durchgeführt werden. Eine 30 g Tube dieses sehr potenten Kortikoids sollte dann zumindest ein halbes Jahr ausreichen“, so Reich weiter.
Alternative: Immunmodulator?
Seit einigen Jahren kommen als Alternative zu einer Kortikoidbehandlung zunehmend auch immunmodulatorische Topika, wie Pimecrolimus und Tracrolimus zum Einsatz: „Diese Präparate sollten allerdings nicht unkritisch eingesetzt werden“, bemerkte Reich: „Ein fortgeschrittener LS mit nur noch diskretem lymphozytärem Infiltrat ist nicht mehr mit Immunmodulatoren zu behandeln.“ In Fällen, in denen die entzündliche Komponente histologisch in der Biopsie im Vordergrund steht, kann, laut Reich, aber z. B. Tacrolimus eine durchaus wirksame Therapie darstellen.
Selten maligne Entartung
Auch wenn der LS selbst keine Präkanzerose, sondern eine benigne, chronische Entzündungsreaktion ist, konnte in großen Studien bei betroffenen Frauen gezeigt werden, dass das Risiko für ein Plattenepithelkarzinom zwischen drei und sechs Prozent liegt. Regelmäßige Kontrollen der Erkrankung sind daher unbedingt erforderlich.