Auch wenn die Arbeitnehmer es selber gerne wollen. Je älter sie sind, um so weniger sind Arbeitgeber bereit, ihre Fort- und Weiterbildung zu bezahlen.
Lohnt sich die Investition, Mitarbeiterinnen zu teuren Schulungen zu schicken, wo die meisten doch sowieso schon ein paar Jahre nach der Gesellenprüfung den Beruf an den Nagel hängen? So mögen viele Handwerksmeister angesichts der Erfahrungen denken, die sie im Laufe der Zeit gesammelt haben. „Mitarbeiterinnen sind nur wertvoll, wenn sie wertvoll gemacht werden“, sagt Erika Wahlbrink. Die Friseurunternehmerin und Obermeisterin der Innung Steinfurt vertritt die Auffassung, dass die Arbeitgeber dafür sorgen müssen, dass ihre Mitarbeiter die Arbeit als Lebensinhalt begreifen. Dazu gehört auch eine Arbeitsatmosphäre, in der sie sich wohlfühlen. Nur wer sich auf die Arbeit freut, wer mit Begeisterung bei der Sache ist und sich vom Kollegenteam getragen fühlt, kann den physischen und psychischen Belastungen des Berufs bis zur Rente Stand halten.
Größere Lernerfolge, wenn Mitarbeiter motiviert sind
Ein Schlüsselwort in diesem Zusammenhang ist Motivation. Es genügt nicht, Mitarbeiter zu Fortbildungen zu schicken, ohne dass sie sich dadurch im Betrieb aufgewertet fühlen oder dass ihnen daraus finanzielle Vorteile entstehen und/oder anspruchsvollere Aufgaben zugetraut werden. Wie wichtig die Motivation dazu ist, weiß Professor Ansgar Weymann. Der Soziologe beschäftigt sich seit Langem mit dem Thema und verfolgt in Langzeitstudien Lebensläufe. Er kann empirisch belegen, dass Menschen eher bereit sind, sich weiterzubilden, wenn sie darin für sich selbst eine Verbesserung sehen. Dann ist auch der Lernerfolg größer, als bei einem Arbeitslosen, der vom Job-Center in eine Maßnahme gedrückt wird, deren Sinn er nicht erkennt. „Stetige berufsbegleitende Weiterbildung fördert die Marktgängigkeit der Einzelperson, Bildung ist die Entfaltung der eigenen Möglichkeiten“, sagt der Wissenschaftler.
Das Friseurhandwerk ist eine durchweg von jungen Menschen geprägte Branche. Aber das, was junge Frauen am Friseurberuf so schätzen – Mode, Kommunikation – wird ihnen zum Verhängnis, wenn sie zu lange pausiert haben und wieder einsteigen wollen. Sie sind fachlich nicht mehr up-to-date und werden von jüngeren Kolleginnen deshalb nicht ernst genommen. Sie haben ihre Stammkunden aus der Zeit vor der Pause verloren, sie fangen wieder bei Null an. Das kann keinen Spaß machen und muss obendrein demütigend sein! Wenn der (geplante) Wiedereinstieg dann auch noch zu Hause auf mangelndes Verständnis stößt, wird dieser Schritt mitunter so lange hinausgezögert, dass die Einstiegshürde unüberwindbar wird.
Kunden wollen Begegnung auf Augenhöhe
Edeltraud Pieper arbeitet seit 1963 als Friseurin. „Ich nehme es mit jeder jungen Kollegin noch auf“, sagt sie selbstbewusst. Gleichwohl seien die Anforderungen gestiegen, aber: „Dadurch bleibt das Ganze interessant.“ Seit über 25 Jahren „schmeißt“ die mittlerweile 64-Jährige im Salon Schreiter in Recklinghausen den Herrensalon. „Die Kunden wollen die Begegnung auf Augenhöhe“, sagt Piepers Chef Rolf Schreiter. Er hat sie quasi mit dem Salon von seinen Eltern übernommen und legt Wert auf einen Mix aus jüngeren und älteren Mitarbeitern: „Die Vielfalt ist doch das Tolle an unserem Beruf, und dazu gehören auch verschiedene Altersgruppen. Er wählt schon die Azubis unter dem Blickwinkel aus, ob sie den Beruf ernsthaft und dauerhaft betreiben wollen. Der Biostétique-Salon Schreiter arbeitet nach einem ganzheitlichen Beautykonzept. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter bereit sein müssen, sich die Veränderungen, verbesserte Techniken und das Wissen über neue Produkte anzueignen. Selbstverständlich nimmt auch Edeltraud Pieper regelmäßig an den Schulungen teil, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Rentabilität der Bildungsmaßnahmen nimmt mit dem Alter ab
Berufsausstiege sind Brüche im Erwerbsleben, die auch unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten teuer sind. In einem Unternehmen amortisieren sich die Fort- und Weiterbildungskosten nicht, wenn der betreffende Mitarbeiter kurz darauf kündigt. Viele Betriebsinhaber wollen aber auch nicht in Bildungsmaßnahmen für ältere Mitarbeiter investieren und nehmen in Kauf, dass diese innerhalb der Belegschaft abgehängt werden. „Die Rentabilität der Weiterbildungsinvestitionen nimmt mit dem Alter ab“, sagt der Bremer Soziologe Weymann und liefert damit das Argument dafür, dass Seminarausgaben ab einem gewissen Alter ökonomisch unvernünftig sind. Aber es geht nicht um Mathematik sondern um Menschen, die in der Regel über vielfältige Kompetenzen auf der Grundlage ihrer Erfahrungen verfügen und sehr wohl geeignet sind, auch neue Herausforderungen in der Arbeitswelt zu bewältigen. In einer alternden und schrumpfenden Gesellschaft ist lebenslanges Lernen die Basis für Qualitätsleistungen im Handwerk. Diejenigen, die frühzeitig auf Ältere gesetzt haben, sowohl bei den Kunden als auch bei den Mitarbeitern, muss das Ende des Jugendwahns nicht bekümmern.