Antikes Heilmittel gegen Wundbrand, Pest und Cholera
Schon Antike und Klostermedizin schätzten Essig, Essenz und ätherisches Öl des Lavendels als Allzweck-Waffe gegen Wundbrand, Pest und Cholera – und zur Aromatherapie
„Lavendel, Myrt‘ und Thymian, das wächst in meinem Garten“, singt der Chor im „Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Doch nicht erst seit der Uraufführung im Jahre 1821 steht Lavendel ganz oben auf der Heilkräuter-Hitliste. Bereits in der Antike wurde der dufte Lippenblütler bei Räucherungen verbrannt, um Krankheiten zu heilen und die Götter zu besänftigen – und emsige Bienen bauten die Lage von Lavendelsträuchern noch früher in ihr Futtertanz-Repertoire ein. So hat es Lavendel verdient, vom Naturheilverein Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2008 gekürt zu werden.
Antike Aromatherapie
Vermutlich leitet sich der botanische Name der Gattung Lavandula vom lateinischen „lavare“ ab und bedeutet waschen, denn die Römer schätzten den Duft der violetten Blütenquirle und verwendeten sie gerne als Wasch- und Badeessenz. Gar zu gern legten sie auch ein duftendes Kräutersäckchen zu ihrer Wäsche und würzten mit Lavendel ihren Wein. Aber bereits Perser und Griechen verbrannten die Blütenzweige bei Räucherungen – die Urform der Aromatherapie. Da der Zerstäuber mit Lavendelduft noch nicht erfunden war, konnte man unangenehme Gerüche in Krankenzimmern mindern.
Man glaubte auch, Lavendel könnte gar Epidemien verhindern. Und so verquer war der Gedanke nicht, denn die ätherischen Öle der Pflanze enthalten Terpene – so genannte bioaktive Pflanzenstoffe: mit mehr oder minder markanter desinfizierender Wirkung. Verdampfen sie, machen sie Bakterien und Pilzen das Leben schwer, verringern sie die Keimzahl in der Luft und in den Atemwegen. Konnte Lavendel die Seuche nicht im Keim ersticken, mumifizierten die Ägypter die Körper der Dahingerafften mit in Lavendel getränkten Tüchern. Im Gegensatz zu den Ägyptern konservierten römische Legionäre nicht Tote, sondern versuchten Lebende zu erhalten – die entzündungshemmende Heilkraft wurde eingesetzt, um Wundinfektionen zu vermeiden. Daran erinnerte man sich auch während des Ersten und Zweiten Weltkrieges. Als moderne Mittel zur Wunddesinfektion knapp waren, wurden die Wunden der Soldaten mit Lavendelöl versorgt.
Unklar ist jedoch, ob in der Antike der „Echte Lavendel“ mit botanischem Namen Lavandula angustifolia verwendet wurde – der mit den schmalen, lanzettlichen Blättern – oder eine verwandte Art. Denn auch heute bestehen die meisten der provencalischen „Lavendelfelder“ in Frankreich nicht aus Echtem Lavendel, sondern aus dem ergiebigeren Lavandin. Er reicht jedoch in der Duftöl-Qualität nicht an den Echten Lavendel heran.
Räuberessig und Klostergarten
Seit dem 11. Jahrhundert fehlte Lavendel in keinem Klostergarten mehr. Hildegard von Bingen empfahl ihn als Mittel gegen Kopfläuse und bescheinigte Lavendel bereite „Reines Wissen und reinen Verstand“, riet allerdings von seiner innerlichen Anwendung ab. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde Lavendel wieder als wirkungsvoller Schutz vor Pest und Cholera gepriesen.
Und auch manch dunkle Gestalt vertraute der Wirkung gegen den Schwarzen Tod: So bestand der so genannte „Drei-Räuberessig“ gegen die Pest aus Lavendel, Rosmarin und Angelika. Mit „Acetum pestilentiale“ wurde der Mund ausgespült und verschiedene Körperteile gewaschen. Derart mit Wohlgerüchen gewappnet, trauten sich die Räuber in die Häuser der an Pest Erkrankten und Verstorbenen einzubrechen und diese auszurauben. Leider war es Essig damit, dass der Essig auch einen perfekten Schutz gegen die Hüter des Gesetzes garantierte: Der Überlieferung zufolge bot man aber vor Gericht vier angeklagten Räubern in Frankreich Straffreiheit an, wenn sie das Rezept ihrer Essigrezeptur preisgeben würden.
Während wissenschaftliche Studien keine überragende Wirkung gegen Pest und Cholera bestätigen konnten, wird heutzutage die beruhigende und entspannende Wirkung von Lavendelöl in der Aromatherapie verwendet. Neuere Studien zeigen, dass Bäder mit ätherischen Lavendelölen das Wohlbefinden steigern und die Stimmung heben: in der heutigen Zeit der Reizüberflutung besonders wichtig.
Aromatherapie in Garten & Küche
Obwohl der Lavendel in den Mittelmeerländern heimisch ist, hat der bis zu 60 Zentimeter hohe Halbstrauch sich in unseren Gärten und Küchen schon lange akklimatisiert. Als mediterranes Küchengewürz ist er Bestandteil der bekannten Mischung „Kräuter der Provence“. Lavendel eignet sich für herzhafte, aber auch für süße Gerichte, und verleiht den Speisen die Würze von Sommer, Sonne und Urlaub. Aber vorsichtig dosieren – Lavendel sollte das jeweilige Gericht nicht dominieren.
Für den Garten gibt es mittlerweile eine große Auswahl an Sorten, darunter auch rosa und weiß blühende. Lavendel liebt Standorte voller Sonne und lockere, möglichst kalkhaltige Böden, die Wasser gut abziehen lassen. Staunässe mag er überhaupt nicht. Gut macht er sich auch auf Trockenmauern und im Steingarten.
In milden Lagen kommt Lavendel auch ohne Reisigdecke gut über den Winter. Bei trockenem Frost sollte man aber Schutz gewähren. Junge Lavendelsträucher sollte man vor der ersten Blüte zurückschneiden, damit sie buschiger werden. Nach der Blüte sollten die Blütenstände abgeschnitten werden und im Frühjahr ein starker Rückschnitt erfolgen: Das beugt zu starker Verholzung vor. Und ist man auf den Geschmack des mediterranen Nervenkräutchens gekommen – Lavendel lässt sich einfach durch Kopf-Stecklinge im Sommer vermehren.