Wortstamm und Familie sind ausschlaggebend für die rechte Schreibung. Wörter, die miteinander verwandt sind, werden einheitlich geschrieben. Die letzte Rechtschreibreform besserte Wörter nach, die gegen diese Regel verstießen.
Im Deutschen werden den Lauten bestimmte Buchstaben oder Buchstabenkombinationen zugeordnet. Da es weitaus mehr Laute als Buchstaben gibt, ist eine eindeutige Zuordnung oft schwierig. Außerdem kann das Ohr auch nicht unterscheiden, ob ein Wort zum Beispiel mit einem Dehnungs-h oder mit ä oder e geschreiben wird. Vieles hört sich einfach gleich an. Eine einheitliche, möglichst auch einleuchtende Rechtschreibregelung würde da Abhilfe schaffen können. Aber Sprache ist etwas Lebendiges und wird nicht von der Theorie geregelt. Auch die Abstammung eines Wortes spielt bei der Rechtschreibung eine Rolle. Und so kam es immer wieder zu Ungereimtheiten und Unregelmäßigkeiten in der Schriftsprache. Viele dieser Abweichungen wurden bei der letzten Rechtschreibreform flugs beseitigt, so dass man nun relativ sicher sein kann, ein Wort richtig zu schreiben, wenn man sich an das Stammprinzip hält.
Das Stammprinzip
Wörter, die zu einer Familie gehören, schreibt man gleich. Genauer gesagt, schreibt man den Wortstamm einheitlich. Der Wortstamm ist das, was übrig bleibt, wenn man sämtliche Vorsilben (Präfixe) und/oder Nachsilben (Suffixe) eines Wortes entfernt:
- be- geist – ern oder geist – lich
Den Wortstamm findet man aber zum Beispiel auch in Zusammensetzungen mit Nomen:
- Geist – er – bahn , Polt – er – geist
Bei der Konjugation unregelmäßiger Verben ändert sich natürlich die Schreibweise. Das heißt, der Wortstamm als solcher bleibt nicht identisch. Dennoch richtet sich die Schreibweise auch hier nach dem Wortstamm.
- seh – en
Das H im Wortstamm bleibt nämlich bei den finiten Formen erhalten:
- er sieht, er sah
Das Stammprinzip bei der Umwandlung von Vokal zu Umlaut
Auch eine Umwandlung eines Vokals in einen Umlaut (das betrifft auch Doppelllaute bzw. Diphtonge) – etwa bei der Bildung eines Nomens – ändert an dem Stammprinzip nichts:
- berauben / Räuber
Der Wortstamm „raub“ ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass man Räuber mit „äu“ und nicht etwa mit „eu“ schreibt. (Was allein vom Laut her auch möglich wäre!)
Wörter, die gegen dieses Stammprinzip verstießen, hat man bei der Rechtschreibreform berücksichtigt und angeglichen. So zum Beispiel:
- belämmert (Wortstamm: „lamm“)
- behände (Wortstamm: „hand“)
- Gämse (Wortstamm: „gams“)
- gräulich (Wortstamm: „grau“, so auch in grausam oder sich grausen)
- schnäuzen (Wortstamm: „schnauz“)
Wenn allerdings zwei unterschiedliche Wortstämme zugrundegelegt werden können, so sind auch beide Schreibweisen möglich:
- aufwendig (Wortstamm: „wend“ / aufwenden)
- aufwändig (Wortstamm „wand“ / Aufwand)
Das Stammprinzip bei doppelten Konsonanten
Viele Wörter besitzen im Wortstamm einen doppelten Konsonanten, der jedoch von einigen Verwandten dieser Wörter bis 1996 geflissentlich ignoriert wurde. Sie gehörten zu den mühselig eingeprägten Ausnahmen, die sich jedweder Regel entzogen.
Das betrifft unter anderem folgende Wörter:
- Ass (Tatsächlich schrieb sich der Plural immer schon mit Doppel-s: Asse. Außerdem widersprach das einst „As“ geschriebene Ass der Regel: „Nach kurz gesprochenem Vokal werden Konsonanten verdoppelt.“ Das gilt auch für die folgenden Wörter!)
- nummerieren (Wortstamm: „numm“ wie auch in Nummer)
- Tipp (Wortstamm „tipp“ wie in tippen oder tippeln)
- Stopp! (Wortstamm: „stopp“ wie in stoppen)
- Tollpatsch (Wortstamm: „toll“ wie in dem Adjektiv „toll“ oder in herumtollen)
- platzieren (Wortstamm: „platz“ wie in Parkplatz)
- Stuckateur (Wortstamm: „stuck“ wie in Stuckarbeit oder Stuckplastik)
Dagegen gibt es sowohl das Top als auch den Topp sowie top und topp! Diesen unterschiedlichen Schreibweisen zweier gleichklingender Begriffe liegen nämlich verschiedene Wortstämme wie auch Bedeutungen zugrunde:
- Top = englisch: Oberteil / top = englisch: hervorragend, hochmodern
- Topp = niederdeutsch: oberstes Ende eines Mastes / topp! = niederdeutsch: Bekräftigung einer Abmachung oder Wette, meist mit einem Handschlag verbunden
Die schon erwähnte Regel, nach kurzen Vokalen Doppelkonsonanten zu schreiben, wurde also auch auf die Ausnahmen ausgeweitet und betrifft natürlich auch die Schreibweise bei s-Lauten. Nach kurz gesprochenen Vokalen – wie bei nass oder Schluss – schreibt man folglich „ss“, nach lang gesprochenen – wie bei Straße oder Fuß – „ß“.
Das Stammprinzip bei drei aufeinandertreffenden gleichen Buchstaben
Die Regel des Stammprinzips lässt sich nun auch auf alle zusammengesetzten Wörter anwenden und bezieht sich darauf, dass alle Konsonanten und Vokale der einzelnen Wörter in der zusammengesetzten Form erhalten bleiben. Auf diese Weise können drei gleiche Konsonanten oder auch Vokale aufeinandertreffen. Beispiele: Kennnummer, Betttuch, Nussschokolade oder Kaffeeernte und Schneeeule.
Das Stammprinzip bei Wörtern, die „etwas Besonderes“ waren – oder bleiben
Angeglichen hat man auch einige wenige Wörter, die aus der Reihe tanzten, weil sie ihre Herkunft oder ihr Alter nicht beachteten oder schlicht angepasst werden sollten. So fügte man dem einen einen Buchstaben hinzu, nahm ihn bei dem anderen weg oder tauschte gar einen Buchstaben aus. Ausnahmen sind etwas Besonderes und bestätigen wie immer die Regel.
- Bei Zusammensetzungen wird das Dehnungs-h nun auch in Rohheit und Zähheit beibehalten. Schließlich geht es um den Wortstamm. Für die Hoheit gilt das Stammprinzip allerdings nach wie vor nicht.
- Bei „rau“ wurde das H gestrichen, da es all den anderen ähnlich gebildeten und auch klingenden Adjektiven wie blau, schlau, genau angeglichen wurde.
- Ebenfalls gestrichen wurde das H in Känguru, da es angepasst wurde an die Schreibweise eines anderen Tieres: des Kakadus.
- Der Föhn als Haartrockner bekam hingegen ein H dazu und wurde damit quasi in einen Topf geworfen mit dem warmen, trockenen Fallwind gleichen Namens.
- Bei Zierrat werden nun die beiden Wortstämme „zier“ (= mittelhochdeutsch: Schmuck) und „rat“ (= altgermanisch: Mittel, das zum Lebensunterhalt notwendig ist) erhalten, genauso wie es in allen anderen Zusammensetzungen mit „rat“ üblich war und ist (Vorrat, Unrat, Hausrat, Heirat).
- Das Wort Alptraum kann bzw. sollte man nun Albtraum schreiben, genauso wie alle anderen Wörter mit demselben Wortstamm wie Albdrücken. Das hat Sinn, denn das Wort „Alp“ ist älter, es stammt aus dem Mittelhochdeutschen, während „Alb“ ein neuhochdeutsches Wort ist. Beides bezeichnete ursprünglich einen germanischen Naturgeist, der später von der Kirche mit Dämonen und gar mit dem Teufel in Zusammenhang gebracht wurde.
- Die Eltern bleiben Eltern, trotzdem sie die Älteren sind. Der Begriff „alt“ ist jedoch in diesem Zusammenhang verblasst. Eltern wird mehr mit Vater und Mutter assoziiert. Auch die Ältermutter für Großmutter gibt es schließlich nicht mehr. Alle müssen topfit sein.
Also merke: Hopp oder topp – Rechtschreibung muss immer tipptopp sein!