Angelika Leonhardi unterrichtet abends das Idiom Caesars. Theologin Leonhardi nimmt an der Dresdner Volkshochschule angehende Mediziner, wissbegierige Ahnenforscher und Lehrer mit auf Zeitreise in die Antike. Sie lehrt Latein.
Die Antike ist in Rom immer noch allgegenwärtig. Nicht nur oben, in den heiligen Hallen des Kapitolinischen Museums, wo Kaiser Konstantins riesiger Steinkopf den Besucher anblickt. Nein, auch ganz unten, fast in der Kanalisation. Denn auf römischen Kanaldeckeln liest man noch heute „SPQR“ – „Senatus Populusque Romanus.“ Auf Latein, der Sprache Caesars und Ciceros, obwohl der Kellner im Café daneben seinen Gästen „Arrivederci!“ nachruft und auf dem Straßenschild das italienische „Via dei Fori Imperiali“ steht.
Latein ist für Mediziner nicht obligatorisch, aber nützlich
Den lateinisch beschrifteten Kanaldeckel schaut sich gerade Franziska Fröbel an. Allerdings nur im Lateinbuch „Latinum“, am Ende der fünften Lektion, die Fröbel und ihre sieben Mitschüler des Latein-Grundkurses an der Dresdner Volkshochschule eben beendet haben. „Latein hilft im Alltag, bei den modernen Fremdsprachen und beim Deutschen“, sagt Franziska Fröbel. Deshalb besucht sie Dienstag abends zweieinhalb Stunden den Kurs der Dozentin Angelika Leonhardi. „Ich möchte Medizin studieren. Dafür brauche ich Latein streng genommen nicht mehr, zumindest kein Latinum, aber die Deklinationen zu beherrschen ist gut.“ Ähnliches motiviert ihren Freund Lars Weinhold, der eine Ausbildung zum Physiotherapeuten absolviert. „Die medizinische Fachsprache lässt sich besser verstehen, wenn man Latein kann“, meint er. Daran denkt Weinhold, wenn er mal keine Lust zum Vokabelpauken hat.
Beim Lateinlernen: So viele Motive wie Köpfe
„Dieser Kurs ist vom Altersdurchschnitt her sehr jung“, sagt Angelika Leonhardi und schließt für heute das Lehrbuch. „Normalerweise kommt ein gemischtes Publikum zwischen 17 und 67. Jeder mit anderer Motivation. Es macht Spaß, mit diesen Schülern zu arbeiten.“ Die Dozentin unterrichtet seit vier Jahren an der Volkshochschule Latein und hat in ihren ein bis zwei Kursen pro Semester viele verschiedene Menschen kennen gelernt: Manche sind angehende Medizinstudenten wie Franziska Fröbel und wollen die Zeit bis zum Studium nützlich überbrücken. Andere brauchen Lateinkenntnisse für ihren Beruf. Wie Lehrer, die Latein als Drittfach studieren wollen und vorher mal reinschnuppern möchten. „Gerade die Älteren haben oft interessante Gründe: Eine Teilnehmerin sang im Chor geistliche Lieder und wünschte sich, sie zu verstehen. Ein Ahnenforscher wollte die Texte aus den alten Kirchenbüchern enträtseln …“
Nicht genügend Teilnehmer für mögliche Latinumskurse
Bis zur Latinumsprüfung kann Angelika Leonhardi die Schüler allerdings nicht führen. Denn dafür braucht man mindestens vier Semester. Und je höher man kommt, desto weniger Schüler bleiben übrig. Da die Volkshochschule auf die Mindestteilnehmerzahl pro Kurs pocht, kann Leonhardi den Schülern nur empfehlen, privat weiterzumachen. „Das tut mir leid. Denn mit denen, die am Ende noch da sind, kann man richtig gut arbeiten.“
Mit Latein kann man auf Zeitreise gehen
Viele Schüler hören nach einem oder zwei Semestern auf, weil sie nur mal reinriechen wollten oder einen Studienplatz bekommen und nicht weil Angelika Leonhardi sie mit drakonischen Methoden vergraulen würde. „Wir schreiben keine Arbeiten wie in der Schule. Ich empfehle den Leuten, die Vokabeln zu lernen, weil sie schneller vorwärtskommen, wenn sie nicht jedes Wort nachschlagen müssen.“ Die Dozentin hat als studierte Theologin das Latinum, ist aber keine ausgebildete Lateinlehrerin. Doch hat sie in den neunziger Jahren Latein an einem Gymnasium unterrichtet, weil es an Lehrern mangelte. Heute ist Angelika Leonhardi in der Erwachsenenbildung tätig. „Dennoch wollte ich weiter Latein vermitteln. Zum Glück brauchte die Volkshochschule gerade jemanden.“ Latein fesselt Angelika Leonhardi. „Diese Sprache ist nicht tot, sondern wird einfach nicht mehr gesprochen. Man kann damit in andere Zeiten reisen, in die Antike, ins Mittelalter … Ich mag auch ihren Klang. Der kommt in so wunderbarer Dichtung zur Geltung wie der des Catull. Wie jede Sprache, die man lernt, bereichert Latein einen und bringt die eigene Muttersprache näher.“