Immer mehr Paare leben nicht zusammen – und das ganz freiwillig. Sie lieben sich, aber sie wollen nicht zusammenwohnen. Immer mehr Paare entscheiden sich ganz bewusst für eine LAT-Beziehung, für „living apart together“.
Der Begriff „Living apart together“ (kurz: LAT) geht auf das Jahr 1973 zurück. Er stammt aus dem Titel eines niederländischen Kinofilms: „Frank & Eva/Living Apart Together“ von Wim Verstappen.
LAT bezeichnet eine Partnerschaftsform, in der Paare, die sich lieben, nicht zusammenwohnen. Dabei handelt es sich nicht um eine vorübergehende Wohnform vor der Hochzeit oder der Familiengründung, sondern um einen bewussten Entschluss, der auf Dauer angelegt ist. Solche Beziehungen sollte man deshalb nicht gleichsetzen mit einer klassischen Fernbeziehung, wo Paare meist unfreiwillig in getrennten Städten wohnen, weil es die äußeren Umstände wie Arbeit oder familiäre Verpflichtungen erfordern. LAT-Paare wohnen häufig in unmittelbarer Nähe voneinander und ziehen es dennoch vor, jeder seinen eigenen Wohnsitz zu behalten, weil es für sie die ideale Lebensform ist.
Gesellschaftliche Entwicklung der LAT
Bei den jungen Leute zwischen 18 und 27 rangiert auch heute noch das traditionelle Beziehungsmodell an erster Stelle: Sie wollen zusammenziehen und eine Familie gründen. Doch gerade Paare, die nicht mehr im ersten Liebeshimmel schweben, entscheiden sich heute häufig bewusst dafür, nicht mehr zusammenzuleben. Viele haben bereits eine Ehe hinter sich, haben Kinder oder genießen es, alleine zu wohnen. Früher begegnete man diesem Partnerschaftsmodell nur bei den gesellschaftlichen Außenseitern, es galt als etwas, das sich nur für bindungsscheue Sonderlinge eignete.
Inzwischen sind LAT-Beziehungen salonfähig geworden.
Besonders Frauen bevorzugen diese Lebensform. Die wenigsten Frauen sind heute noch wirtschaftlich auf einen Versorger angewiesen. Außerdem sind Frauen in der Regel besser in einen stabilen Freundeskreis eingebunden, der ihnen Halt gibt. Sie sorgen meist gut für sich selbst, auch wenn sie alleine sind. Wohingegen die meisten Männer sich nach wie vor alleine weniger wohlfühlen und ihre Partnerin lieber um sich hätten.
LAT-Beziehungen gehen häufiger in die Brüche als herkömmliche Beziehungen. Daraus sollte man jedoch keine Rückschlüsse auf die schlechtere Qualität der Partnerschaft ziehen. Es hat vermutlich vielmehr damit zu tun, dass beide Partner unabhängiger und weniger aufeinander angewiesen sind, dass ihnen der Zustand des Alleinelebens vertraut ist, und sie daher nicht so viel Angst vor der Einsamkeit nach der Trennung haben.
Warum entscheiden sich viele Paare für Living apart together?
- Die Zeit, die man miteinander verbringt, wird bewusster gestaltet und erlebt: Wenn man sich nur zwei- oder dreimal die Woche sieht, dann ist man eher geneigt, diese gemeinsame Zeit aktiv zu gestalten, etwas miteinander zu unternehmen, für gemeinsame Erlebnisse zu sorgen, das Schöne zu teilen.
- Die Reibereien des Alltags entfallen: Offene Klodeckel und Zahnpastatuben, Verhandlungen über Abwasch und Aufräumen treten in den Hintergrund. Man kann die Eigenheiten des anderen viel besser tolerieren, so lange man nicht ständig zusammenwohnt.
- Selbst die Dinge, die in einer Rund-um-die-Uhr-Beziehung schnell für Zündstoff sorgen können: Wer geht einkaufen? Wer kocht?, können in einer LAT-Beziehung zusammen zelebriert werden, weil sie eben kein Alltag sind.
- Man gibt sich mehr Mühe füreinander: Ausgebeulte Trainingshosen und Stoppelbärte sind eher nicht an der Tagesordnung.
- Dadurch, dass der andere nicht ständig verfügbar ist, bleibt das Sexualleben prickelnd. Es ist vielleicht sogar ein bisschen mit der Situation in einer Affäre vergleichbar. Eine wissenschaftliche Studie bestätigt, dass getrennt lebende Paare ihre Liebe erfüllter erleben als Paare, die Tisch und Bett täglich miteinander teilen.
- Jeder kann weiter so leben wie er möchte: er mit Antiquitäten und klassischer Musik, sie mit modernen Designermöbeln und Lounge-Klängen, er im kreativen Chaos, sie in geregelter Ordnung, er mit Steaks und Wurststullen, sie mit vegetarischen Menüs.
- Man hat automatisch mehr Zeit für sich. Kann seine Hobbys pflegen ohne das Gefühl zu haben, den anderen zu vernachlässigen. Man kann auf dem Sofa lümmeln und sich wahllos durch die Kanäle zappen ohne Rücksicht nehmen zu müssen.
- Es gibt weniger Routine, Langeweile kommt nicht so schnell auf. Gemeinsame Zeit ist nicht selbstverständlich. Man freut sich aufeinander und wenn man sich ein paar Tage nicht gesehen hat, gibt es immer Neuigkeiten, über die man sich austauschen kann.
Ein prominentes Beispiel für Living apart together
Eine der ersten ganz berühmten LAT-Beziehungen führten Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir. Beide sind auch ein gutes Beispiel dafür, dass die Entscheidung, nicht zusammenzuleben, nichts mit mangelnder Liebe oder Unverbindlichkeit zu tun hat. Als Sartre schwer krank wurde, zogen sie schließlich doch zusammen und Simone de Beauvoir hat Sartre bis zu seinem Tod gepflegt. Auch wenn sie im Leben nicht zusammenwohnten, sind sie heute im Tod vereint und liegen nebeneinander auf dem Friedhof Montparnasse.