Kreative Bewerbung – Geschätzt lesen 50 Prozent der Arbeitgeber keine Anschreiben. Warum? Weil sie langweilig und uninteressant sind.
Da die Personaler als Erstes den Lebenslauf studieren, finden sie in Anschreiben nichts Neues mehr über den Bewerber vor, mit Ausnahme verschiedener haltloser Beteuerungen wie: Man sei teamfähig, flexibel, engagiert und belastbar.
Das gemeine Anschreiben
In der Tat wählen die meisten Bewerber schon denselben Einstiegssatz: „Mit großem Interesse habe ich Ihre Stellenanzeige in X gelesen“. Dann gehen die meisten Bewerber dazu über, ihren Lebenslauf nachzuerzählen. „Ich habe eine Ausbildung als Y absolviert und verfüge über x Jahre Berufserfahrung“ usw. Zum Schluss kommen die besagten Charaktereigenschaften, die aus der Stellenanzeige übernommen wurden, doch Papier ist ja bekanntlich geduldig. Schon als der erste Satz fiel, schlug einer der Personaler eines weltweit agierenden Konzerns demonstrativ mit dem Kopf auf die Tischplatte, ein anderer fing an, theatralisch zu gähnen. Beide sagten: „Ich kann es nicht mehr lesen und hören!“ Wen wundert es dann noch, dass die Personaler die Anschreiben bestenfalls kurz mit den Augen taxieren, um zu prüfen, ob sich das Lesen lohnt und dann das Werk nie wieder eines Blickes würdigen.
Um so schöner, wenn sie doch überrascht stocken und lesen, denn dann hat irgendjemand irgendetwas richtig gemacht. Er bietet Informationen, neue, frische, individuelle Informationen. Informationen, die mehr verraten, als der Lebenslauf hergegeben hat. Welche könnten es sein?
Was der Lebenslauf nicht verrät
Es gibt einen Grund, warum die beliebtesten Fragen seitens der Personaler im Vorstellungsgespräch folgende sind:
Nr. 1. „Warum wollen Sie ausgerechnet bei uns arbeiten?“ Dahinter steckt die Frage: „Wie motiviert sind Sie bei uns zu arbeiten?“
Nr. 2. „Warum sollten wir ausgerechnet Sie einstellen?“ Dahinter steckt die Frage: „Fahren wir mit diesem Bewerber besser, als mit einem der anderen Kandidaten, die ebenfalls zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden und die in der Regel dieselben Qualifikationen mitbringen?“ Dahinter stecken auch die Fragen: „Was ist der Bewerber für ein Mensch, welche Persönlichkeit bringt er mit und passt er in mein Team?“ Diese Fragen stellen Personaler, weil der Lebenslauf solche Informationen eher nicht preisgibt.
Warum also nicht gleich im Anschreiben die Antworten geben?
Wenn Sie die Frage: „Warum diese Firma?“ sinnvoll beantworten wollen, ist es ratsam, die Homepage eines Unternehmens zu studieren. Dort finden Sie alles, was Sie brauchen. Greifen Sie etwas raus, was Ihnen tatsächlich sympathisch vorkommt, damit Sie mit dieser Antwort im Vorstellungsgespräch auch authentisch wirken.
Beispiel:
„Deichmann ist für mich das Unternehmen, welches schon immer durch Innovation, Größe, soziale Verantwortung den Mitarbeitern und der Allgemeinheit gegenüber den Markt bereicherte.“
Wenn Sie auf die Frage „Warum Sie?“ sinnvoll beantworten wollen, ist es ratsam Fakten zu bringen, um ihre Behauptungen auch glaubwürdig zu machen.
Beispiel Teamleiter Callcenter:
„Meine Verkaufsstärke bewies ich durch das Erzielen von 90 Verträgen pro Woche bei Neukunden und meine Trainingskompetenz durch die Steigerung der Vertragsabschlüsse meiner Mitarbeiter von 60 auf 110 Verträge wöchentlich“.
Persönlichkeit ist das, was zählt
Und nun wird es wirklich spannend. Was für ein Mensch sind Sie? Bei der Beantwortung dieser Frage ist wirklich Kreativität gefragt. Dazu drei Beispiele.
Humor zeigt beispielsweise ein Bewerber, der schreibt: …Sie brauchen einen stressresistenten Helpdesk-Mitarbeiter? Mich kann kein Anruf mehr aus der Fassung bringen. Alle Katastrophen des Informatikeralltags habe ich bereits erlebt – von „Ich fürchte, ich habe gerade unser Intranet gelöscht“ bis hinzu „Hilfe, der Server brennt!“ – und löse Ihnen auch die kniffligsten IT-Probleme“.
Viel gab ein Bewerber von sich preis, der sich beim Diogenes Verlag so bewarb:
„Zehn Gründe, warum ich bei Ihnen arbeiten will:
1. Ich habe gezählt: 267 Ihrer Bücher stehen in meinem Regal. Das ist ein Beweis von vier Metern Breite, ein Beweis für meinen Ernst.
2. Ich habe gelauscht: 22 Ihrer Hörbücher. Bin durch die Stadt gewandert mit Diogenes in den Ohren, bin eingeschlafen mit Diogenes im Kopf.
3. Im Traum habe ich mich zu Diogenes in die Tonne gezwängt.
4. Im Folio der NZZ stand, dass Sie jedes Jahr 3000 Manuskripte erhalten, manchmal mehr. Für mich bedeutet das: Sie brauchen Hilfe.
5. Ich habe Deutsch studiert, darum muss ich es versucht haben bei Ihnen. Es gehört sich so.
6. Nach zwei Jahren als Texter will ich der Sprache neu begegnen, am besten in Ihrem Haus.
7. Ist mir entfallen, pardon.
8. Ich spreche Französisch und Englisch, ich lerne Spanisch und Portugiesisch.
9. Ich bin jung, in meinem Kopf hüpfen die Ideen auf und ab.
10. Ich will Neues lernen, am liebsten von Ihnen.
Da gäbe es noch mehr Gründe. Schreiben Sie mir, wenn Sie sie wissen wollen. Ich freue mich darauf.“
Der Auszug ist erschienen in „D. Diogenes Magazin. Nr. 3. Frühling 2010“ Trotz angespannter Stellensituation bei Diogenes, wurde der Bewerber zum Gespräch eingeladen. Das sagte eine Verlagssprecherin auf Nachfrage.
Des Weiteren geistert im Netz ein folgendes Schreiben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich an Ihrer Stelle wäre echt voll genervt, wenn ich täglich unzählige Bewerbungen lesen müsste, die alle mit “Hiermit bewerbe ich mich …” anfangen. Ich frage mich sowieso, wer sich bei der heutigen Lage auf dem Ausbildungsmarkt noch eine ernsthafte Bewerbung erlauben kann, den 50 Bewerbungen und 50 Absagen sind nicht wirklich das Gelbe vom Ei. Meine Mama sagt immer: “Kind, geh schaffe und bring Kohle bei …!” Aber Sie wissen ja bestimmt wie Mamas so sind, Sie haben sicher auch eine. Na ja, man muss sie verstehen, Mama will schließlich nur das Beste für mich.
Fakt ist, ich suche einen Ausbildungsplatz auf jeden Fall als Tourismuskauffrau, und ich will zu Ihnen. Seit zwei Jahren möchte ich eigentlich nichts anderes. Noch besuche ich die 10. Klasse der Geschwister-Scholl-Realschule in Nürnberg, die ich – so Gott will und das will er – 2012 mit der Fachoberschulreife abschließen werde.
Einen IQ habe ich auch, nur in Mathematik nicht. Aber wer will denn schon wissen, wie hoch die Cheops-Pyramide auf den Millimeter genau ist (sie ist SEHR hoch!)? Auf der anderen Seite kann ich Ihnen natürlich mit Excel problemlos ausrechnen, wie viel Säcke Reis in China jährlich umfallen und mit Power Point eine voll animierte Präsentation des Lebens der gemeinen Schmeißfliege im 13. Jahrhundert erstellen. Und bei Bedarf kann ich auch einem Engländer eine Brücke verkaufen. Mit einem wundervollen Ausblick auf den Rhein.
Wenn Sie mit dem Lesen bis hierhin gekommen sind und sich immer noch nicht dafür entschieden haben, mich zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, dann dürfen Sie meine Bewerbung gerne ausdrucken und einen Papierflieger basteln. Mal ganz im Ernst, heutzutage schreibt doch fast jeder, der eine Ausbildung sucht, eine Bewerbung mit dem Gedanken, dass er sowieso eine Absage bekommt, bei mir wird’s wenigstens ein Papierflieger.
Auf Wunsch schicke ich Ihnen natürlich auch noch eine dieser langweiligen Standardbewerbungen (… hab ich alles gelernt) und natürlich auch mit Foto. Bis ich im August 2012 bei Ihnen anfangen kann, habe ich mich auch noch zeugnismäßig mächtig ins Zeug gelegt. Schließlich möchte ich auch ein wenig glänzen.
Bis demnächst (hoffentlich), jetzt liegt es an Ihnen. Oh Gott, was soll ich anziehen?
Mit freundlichen Grüßen
xy
Dieses Anschreiben ist keck, es ist anders und man möchte diese Person auf jeden Fall kennenlernen. Oder? Und nun gilt es, sich auszuprobieren. Viel Erfolg!