Körpereigener Hautschutz vor Bakterien und Pilzen. Antimikrobielle Peptide (AMPs) sind Bestandteile des angeborenen Immunsystems. Vielleicht sind sie wirksame Waffen gegen Keime als Antibiotika von morgen.
Die Oberflächen von Pflanzen und Tieren sind normalerweise mit Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Einzellern besiedelt, aber nicht infiziert. Die oberste Schicht der Außenhaut (Hornzellschicht oder Stratum corneum) und die Schleimschicht der Mukosa bilden normalerweise eine für Krankheitserreger undurchdringliche Barriere. Zusätzlich produzieren die Epithelzellen körpereigene Antibiotika, die so genannten antimikrobiellen Peptide (AMPs). Diese kleinen Eiweißstoffe wirken als Gesundheitspolizei und passen auf, dass „gute“ Bakterien auf der Haut in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen und krankmachende Keime bekämpft werden.
Erstmals konnte vor 25 Jahren ein AMP mit einem breiten antimikrobiellen Wirkstoffspektrum aus der Haut des afrikanischen Klauenfrosches Xenopus laevis isoliert werden. Inzwischen sind Tausende verschiedener Peptide für ihre antimikrobielle Wirkung bekannt.
AMPs stehen angesichts der zunehmenden Antibiotika-Resistenzen von Bakterien im Interesse pharmakologischer Forschung als Alternative zu herkömmlichen Antibiotika, da eine Resistenzbildung der Mikroorganismen gegen AMPs kaum möglich ist.
Wenn keine akuten Entzündungen vorliegen, ist ein Hautschutz durch permanente Produktion von AMPs wie Psoriasin und Rnase 7 gewährt. Diese finden sich insbesondere in Hautregionen mit hoher Bakteriendichte – an den Händen und unter den Achseln. Psoriasin schützt vor Infektionen durch gram-negative Keime, Rnase 7 als Breitband-Antibiotikum auch vor gram-positiven Keimen. Hierdurch kann eine gefährliche Infektion im Anfangsstadium verhindert werden.
Birgit Schittek und Mitarbeiter von der Universität Tübingen entdeckten 2001 das AMP Dermcidin auf der Haut mit einem breiten Wirkungsspektrum gegen Coli-Bakterien, Staphylokokken bis hin zu Candida-Pilzen. Dermcidin ist wie Psoriasin und Rnase 7 ein Bestandteil des angeborenen Immunsystems der menschlichen Haut. Dermcidin wird von den Schweißdrüsen produziert und mit dem Schweiß über die ganze Hautfläche verteilt, um eine Infektion durch potenzielle Krankheitserreger in den ersten Stunden nach einer artfremden Besiedlung der Haut abzuwehren. Im sauer-salzigen Schweiß-Milieu wird es in verschiedene Bruchstücke gespalten, wobei das Peptid DCD-1L besonders aktiv ist.
AMPs bei Psoriasis und Neurodermitis
In abgestoßenen Hautschuppen von Psoriaris-Patienten konnten Jens-Michael Schröder und Mitarbeiter an der Hautklinik der Universität Kiel das erste aktivierbare menschliche körpereigene Peptidantibiotikum – beta-Defensin 2 (HßD2) – isolieren. Sie waren auf der Suche nach der Ursache für die geringen Hautinfektionen von an Schuppenflechte leidenden Personen fündig geworden. HßD2 kommt in gesunder Haut kaum vor, wird aber reichlich nach Stimulation durch gram-negative Bakterien (E. coli und P. aerogenosa ) und Candida albicans produziert. Ein weiteres beta-Defensin – HßD3 – wird von der Haut bei Infektionen mit gram-positiven Bakterien wie Staphylococcus aureus gebildet. Durch die Überproduktion von AMPs besteht ein verstärkter Schutz vor Hautinfektionen, wie sie bei Patienten mit Schuppenflechte beobachtet wird.
Bei Neurodermitis-Patienten findet man in Hautschuppen dagegen nur wenig beta-Defensine. Sie leiden unter vermehrt auftretenden Hautinfektionen, vor allem mit Staphylococcus aureus. Stark erhöht ist dagegen die Produktion von Psoriasin, das bei einer gestörten Hautbarriere gebildet wird und erklärt, dass Neurodermitiker nicht unter E.-Coli-Infektionen der Haut leiden. Die im Vergleich zu Gesunden geringe Menge an Dermcidin im Schweiß von Neurodermitikern deutet auf eine eingeschränkte Immunabwehr der Haut hin.
Wirkungsweise der AMPs
Die meisten AMPs töten Mikroorganismen ab, indem sie in den Zellwänden Poren bilden, wobei die Keime „ausbluten“ und sich auflösen. Körpereigene Zellen werden dagegen nicht angegriffen. Da HßD-3 zum Beispiel in ähnlicher Weise wie Penicillin wirkt, hat es Schröder deshalb HßD-3 als „Penicillin des Menschen“ bezeichnet.
Ein vergleichbarer Wirkmechanismus konnte kürzlich auch für Dermcidin nachgewiesen werden: Das DCD-1L-Molekül heftet sich an die Bakterienhülle an, wobei der Schweiß das Zusammenlagern einzelner Moleküle fördert. Der DCD-1L-Komplex dringt in die Membran ein und bildet Kanäle durch die Hülle. Die Zellspannung lässt durch die durchlöcherte Hülle nach und die Bakterienzelle stirbt.
Wahrscheinlich schützt das Cholesterol in der Membran von Säugetier- (und Menschen-)Zellen vor einem körpereigenen Angriff durch AMPs.
Zukunftsmusik – Körpereigene Antibiotika
Möglicherweise stellen AMPs eine neue Klasse an Antibiotika dar, die auch zur Behandlung von resistenten Keimen geeignet sind. Erste klinische Studien mit ausgesuchten AMPs als potenzielle Alternativen zu klassischen Antibiotika und Antimykotika sind erfolgversprechend.
Vorstellbar ist auch die Anregung der körpereigenen AMP-Produktion durch Phytopharmaka und probiotische Mikroorganismen. Wenn die geeigneten Pflanzen und Keime gefunden sind, kann Infektionen allgemein vorgebeugt oder therapeutisch im Akutfall auf natürliche Weise begegnet werden. Noch handelt es sich dabei um Zukunftsmusik, aber erste Tonfolgen hat man schon komponiert.