Dass für Frauen Sex und Liebe untrennbar miteinander verbunden sind, ist ein (Männer-) Mythos. Die Frauen und die Zeiten haben sich längst geändert.
Es sind vor allem Männer, die fest daran glauben (wollen), dass für die allermeisten Frauen Liebe und Sex untrennbar miteinander verbunden sind und Sex ohne Gefühle für diese nur schwer vorstellbar ist. Doch die Tatsachen sprechen eine andere Sprache. Auch viele Frauen sind inzwischen auf Erotikseiten im Internet angemeldet. Nicht immer suchen sie dort den Mann fürs Leben. Manchmal reicht ihnen auch ein Mann für eine Nacht.
Sex ohne Liebe: früher ein Privileg der Männer
Noch in den siebziger Jahren waren Frauen sehr häufig wirtschaftlich von ihren Ehemännern abhängig. Sie konnten es sich im wahrsten Sinn des Wortes nicht leisten, in sexueller Hinsicht eigene Wege jenseits der Ehe zu gehen, weil eine Scheidung für sie ein Desaster bedeutet hätte. Für Männer sah das anders aus. Als die ökonomisch Mächtigeren hatten sie schon immer ihre kleinen Geheimnisse in Form von Flirts, Affären und Seitensprüngen. Inzwischen verfügen Frauen über eine gute Berufsausbildung, verdienen ihr eigenes Geld und die ökonomische Abhängigkeit von einem Mann gehört der Vergangenheit an. Wen wundert es da, dass Frauen auch in sexueller Hinsicht ein starkes Selbstbewusstsein entwickeln und sie sich mit schlechtem Sex in einer Beziehung nicht mehr zufrieden geben wollen?
Lausiger Sex trotz großer Liebe und Nähe
Tatsache ist: Man kann leidenschaftlichen und wunderbaren Sex mit einem Menschen haben, den man nicht liebt. Für erfüllenden Sex ist das „Sich-gut-riechen-können“ und Sympathie auf beiden Seiten völlig ausreichend. Andererseits ist der Sex, den man mit einer innig geliebten Person hat, nicht selten leidenschaftslos und kommt über das Stadium von langweiligem „Blümchen-Sex“ nicht hinaus. Sexuelle Leidenschaft und Liebe gehen eben häufig nicht Hand in Hand. In neunzig Prozent aller Partnerschaften schleicht sich nach einigen Jahren des Zusammenlebens ein Gefühl gepflegter sexueller Langeweile ein. Das (vielen Paaren vertraute) Dilemma: Liebe beruht auf Vertrauen, Nähe und Intimität, während Leidenschaft und Erotik geradezu vom Gegenteil lebendig gehalten wird. Dieses Dilemma scheint in einer langjährigen Partnerschaft kaum auflösbar zu sein. Erotische Rollenspiele und Sexspielzeug, häufig von (letztlich genauso ratlosen) Paartherapeuten empfohlen, verstärken diese sexuelle Problematik eher, als dass sie sie entschärfen.
Der neue Trend: „Freundschaft plus“
Für Single-Frauen war es noch nie ein Problem, einen Mann für ihre sexuellen Bedürfnisse zu finden. Auf den einschlägigen Erotikseiten im Internet suchen viele einsame Männer nach einer geeigneten Sexpartnerin. Frau hat, noch dazu, wenn sie attraktiv ist, die Qual der Wahl. Und immer mehr Frauen treffen diese Wahl auch. Wenn sie die „große Liebe“ nicht finden, suchen sie sich einen passenden Mann als Sexpartner, um auf Leidenschaft und schöne Stunden zu zweit nicht verzichten zu müssen. Diese Art der sexuellen Selbstbestimmung war früher nur Männern vorbehalten. Inzwischen stehen die meisten Frauen ganz selbstverständlich zu ihren sexuellen Bedürfnissen und Wünschen und leben diese auch aus. Sie tun das, was Männer immer schon und noch dazu mit einem guten Gefühl getan haben: Sie trennen Sex und Liebe ganz konsequent.
Auch hierzulande hat sich inzwischen der Begriff von der „Freundschaft plus“ eingebürgert. Darunter versteht man eine Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau, in der auch eine gemeinsame Sexualität stattfindet. Man teilt nicht nur Unternehmungen und Hobbys, sondern hin und wieder auch das Bett. Liebe im klassischen Sinn ist dabei nicht im Spiel, wohl aber Sympathie und erotische Anziehungskraft. Es gibt nicht wenig unabhängige Frauen, denen eine „Freundschaft plus“ völlig ausreicht. Sie warten nicht darauf, die „große Liebe“ mit ewig andauernder sexueller Leidenschaft bei gleichzeitiger inniger Nähe zu finden. Was das Thema Liebe angeht, sind Frauen ebenso realistisch wie Männer geworden. Der Mythos, dass Frauen Liebe und Sex nicht trennen können, wurde ganz offenkundig zur Beruhigung der Männer erfunden. Sicher kommt es vor, dass Frauen (und auch Männer!) Liebe und Sex aus ganz persönlichen Motiven nicht trennen wollen. Aber das ist eine andere Sache.