X

Kein Schwein ruft mich an – Tücken der allzeitigen Erreichbarkeit

Das Mobiltelefon kann sowohl Segen als auch Fluch sein. In vielen Fällen akuten Liebeskummers ist es eher letzteres.

Wer kennt das nicht: Man wartet auf einen wichtigen Anruf, aber das Telefon schweigt beharrlich – Stunde um Stunde. Die Erfindung des Mobiltelefons, so dachte man, würde einen jetzt zumindest nicht mehr dazu verdammen, neben dem Hörer sitzen zu bleiben und andere wichtige lebenserhaltende Tätigkeiten zu vernachlässigen, um auch ja nicht das Klingeln zu überhören. Soweit so gut, nur stellen sich nur allzu bald ganz andere Tücken ein, die einen schier in den Wahnsinn treiben.

Sie haben 0 Anrufe

Während der Festnetzanschluss zumindest noch die Hoffnung offen ließ, dass man – aus welchen perfiden Gründen auch immer – vielleicht im entscheidenden Moment nicht in Reichweite des Telefons war, konfrontiert einen das Mobiltelefon mit der grausamen Wahrheit: Sie haben 0 Anrufe. Ungläubig starrt man auf das Display und fragt sich: „Was? Immer noch nicht?“ Konsequenterweise wird dann das Handy alle gefühlte zwei Minuten nervös aus dem gut schallisolierten Futteral, das das gute Stück vor Kratzern schützen soll gezerrt, um sich selbst immer wieder davon zu überzeugen, dass sich tatsächlich niemand meldet. Das Telefon auszuschalten und sich so eine kleine seelische Pause zu gönnen, ist dabei auch nur zeitweise eine sinnvolle Lösung, weil die Speicherkarte leider beim Wiederanschalten genauso konsequent dokumentiert, dass immer noch kein Anruf eingegangen ist.

Der Fluch der Kontaktvorschläge

Apropos Speicherkarte: Hat man sich endlich dazu durchgerungen, die Person aus seiner Kontaktliste zu löschen, die anscheinend partout darauf besteht, einem durch vollkommene emotionale Ignoranz Stunden der Qualen zu bereiten, hält das Mobiltelefon eine weitere böse Überraschung parat. Denn auch wenn der Name der Person aus der Kontaktliste getilgt und sämtliche Kurznachrichten in einem Akt der Selbstbefreiung vernichtet wurden, erinnert sich das Handy an die Nummer und zeigt sie immer wieder als möglichen Kontaktvorschlag an, wenn man wieder einmal eine SMS verschicken möchte. Und egal, was man probiert, die Nummer ist und bleibt im Telefon. Das einzige, was da hilft, ist, so viele Nachrichten an alle seine übrigen Freunde zu verschicken, dass die vermaledeite 0157/… zumindest auf der Kontaktliste weiter nach unten verdrängt wird und sie einem nicht immer wieder hinterlistigerweise unmittelbar ins Auge springt.

Ein Lösungsvorschlag gegen Liebeskummer

Was bleibt also zu tun? Das Mobiltelefon wie Carry aus „Sex and the City“ von einem steinigen Abhang aus ins Meer pfeffern und hoffen, dass die Fluten das Ding nicht mehr an Land spülen? Es mit einem Hammer zertrümmern? Klingt beides nicht einmal wirklich abwegig, ist aber nur von kurzfristigem Erfolg gekrönt, weil man sich früher oder später doch wieder ein neues Folterinstrument dieser Art zulegt, was also eine Verschwendung an Geld und Energie bedeutet, weil man sich – wenn schon, denn schon – natürlich das neueste Modell zulegen wird, das ungleich teurer als das alte ist und man sich zudem vor die schier unlösbare Aufgabe gestellt sieht, die Nummern sämtlicher Freunde, Verwandter und Geschäftspartner erneut zusammenzukratzen. Wie man denen erklärt, weshalb man ihre Nummern „verloren“ hat, ist dann noch einmal eine ganz andere Angelegenheit, die durchaus Peinlichkeitspotential besitzt.

Die Lösung ist dabei so einfach, wie sie anfangs einfältig klingt: Entspannen sie sich und rufen SIE an. Vielleicht stellt sich ja heraus, dass der betreffenden Person die Hände zusammengenäht wurden, oder sie durch einen schweren Schlag auf den Kopf vergessen hat, wie man ein Telefon bedient! Sollten diese oder andere glaubwürdige Gründe nicht zutreffen, dann sollte man sich einfach einmal Folgendes bewusst machen: Menschen, die einen wirklich zu schätzen wissen und denen man wichtig ist, melden sich. Die, die es nicht tun, werden nie einen wirklichen Platz im eigenen Leben einnehmen – sie kommen und gehen. Deswegen sollte man sich nicht verrückt machen und das Mobiltelefon, dass einem bei anderen Situationen im Leben immer wieder treue Dienste geleistet hat vielleicht doch am Leben lassen.