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Jungen in der Pubertät, eine schwierige Identitätsfindung

Männliche Jugendliche müssen in der Pubertät auf dem Weg zur eigenen Identität viele Hürden überspringen und Erfahrungen machen.

Heutzutage wird in der Gesellschaft oft der „perfekte Mann“ gefordert. So sehen sich die männlichen Jugendlichen mit dem Bild vom durchtrainierten und perfekten Männerbild konfrontiert. Die Knaben kommen unter Druck. Sie müssen betreffend Mode und Lebensstil sich anpassen, damit sie auf jeden Fall immer „in“ sind.

Viele heranwachsende Knaben mögen sich nicht und suchen nach ihrer „wahren“ Identität

Da die heranwachsenden Jungen optisch oft nicht so positiv herüberkommen in der Gesellschaft, werden sie auch nicht bewundert. Die Stimme überschlägt sich, Pickel sind vielfach allgegenwärtig und der karge Bartflaum macht auch nicht gerade attraktiv. Das ist der Grund, warum sich dann viele Jungen auch nicht mögen und gar nicht mehr in den Spiegel schauen möchten. So kämpfen sie mit Minderwertigkeitskomplexen und fühlen sich unverstanden. Oft ändern sie auch die Frisuren. Haare gelten auch als Zeichen für eine bestimmte Zugehörigkeit einer Gruppe. In der Identitätsfindung sind die gleichaltrigen Kollegen und Jugendgruppen sehr wichtig. Wenn ein Jugendlicher aus verschiedenen Gründen keinen Zugang zu solchen Zielgruppen findet, so kann dies zu schweren Depressionen bis hin zu Selbstmordgedanken führen.

Nur großes Maul oder steckt doch mehr dahinter?

Pubertierende Jungen wirken oft überheblich und wichtigtuerisch. Sie sind bemüht, dass sie möglichst selbstsicher und männlich wirken. Als Kind taten sie oft den Eltern oder den Bezugspersonen zuliebe Sachen, die sie eigentlich gar nicht mochten. Dies wird nun in der Pubertät aufgegeben und ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse kommen in den Vordergrund. Die sogenannte „große Klappe“ sollte von den Erwachsenen auch richtig gedeutet werden. Dies ist eher als innere Unsicherheit des Heranwachsenden zu deuten und darf auch nicht persönlich genommen werden, wenn eine Verbalattacke gegenüber erwachsenen Bezugspersonen erfolgt. Jungen wollen auf der Suche nach der eigenen Identität als Männer wahrgenommen und akzeptiert werden. Es ist auch die Sehnsucht nach dem Besonderen und einer herausragenden Rolle im Leben. Die Jungen lechzen richtig danach, beachtet zu werden. Aber es wird auch der Wunsch gehegt, sich ja nicht so zu entwickeln wie die „spießigen und uncoolen“ Erwachsenen. Die Jungen sehen täglich vor ihren Augen, wie sie auf gar keinen Fall einmal werden wollen! So überblenden sie Gefühle der Hilflosigkeit und Ratlosigkeit oft durch unrealistische Größenphantasien. Selbsthass wird zum Hass auf andere Menschen umgeleitet.

Pubertierende Jungen sind sehr sensibel und verletzlich

Leider ist die innere Verletzlichkeit von pubertierenden Knaben vielen Erwachsenen viel zu wenig bewusst und daher auch kein Thema. So ändert die Gefühlslage der Jungen manchmal im Minutentakt. Sie schwankt zwischen Euphorie und negativen Gefühlen stark hin und her. Freude wechselt mit Traurigkeit, Sehnsucht nach der vergangenen Kinderwelt mit Angst vor der Zukunft. Neben dem totalen Freiheitsdrang werden manche Jungen begleitet von depressiven Verstimmungen beim Hineinwachsen in den neuen Körper als Mann. So geben sie sich einmal cool und unangreifbar, dann wieder fühlen sie sich wie kleine Kinder und suchen die Zuwendung ihrer Bezugspersonen. Man darf einen Jungen nicht mit seiner Verkleidung, mit dem Panzer, den er in der Öffentlichkeit trägt, verwechseln. Ein solcher Panzer, den ein heranwachsender Junge trägt, bringt ihn manchmal auch in der Schule oder sogar mit der Polizei in Schwierigkeiten.

Jungen wollen auf sich aufmerksam machen, auch wenn es negativ rüberkommt

Das kurze Zurückfallen in die frühere Geborgenheit, die sogenannte Regression, ist ein wesentlicher Aspekt für die Jungen, um Energien und Selbstvertrauen für den nächsten Entwicklungsschritt zu tanken. Jedoch sind sie zum Kuscheln schon lange zu groß, so reagieren sie auf die Anspannung und seelische Überforderung dann auch nicht immer adäquat. Es kommen dann eher blinde Zerstörungswut, Prügeleien und Gewalt zum Vorschein. Schon in frühester Kindheit erfahren Jungen, dass sie auffallen, wenn sie Radau machen. Dies ist oft die einzige Rückmeldung von der Gesellschaft, die sie erhalten. So hört man von der Erwachsenenwelt oft die negative Meinung über die freche und verdorbene Jugend. Oder Eltern klagen ihr Leid, sie hätten doch einen solchen Sohn nun wirklich nicht verdient. Solche pauschale Urteile gehen dann nicht in die Tiefe, sondern bleiben oberflächlich begründet. Die Ursache eines negativen Benehmens wird oft nicht in den pubertären Schwierigkeiten gesucht.

Raufereien gehören schon früh in den Alltag von kleinen Knaben. Es macht ihnen Spaß, ihre Kraft mit Gleichgesinnten zu messen, ohne sie wirklich verletzen zu wollen. Dies ist in der Gesellschaft auch der einzige Körperkontakt, der Jungen erlaubt ist. Liebevolle Körperberührungen unter Jungs können sie sich praktisch nicht erlauben, da sie dann schnell von den Kollegen als „homosexuell“ oder „Weichei“ abgestempelt und zum Außenseiter gemacht werden. In dieser Phase wollen die Jungen aber unbedingt „dazu gehören“ und voll im Trend sein in der altersgleichen Gesellschaft. Also stellen Sport, Sex, riskante Handlungen und Gewalt die einzigen Möglichkeiten dar, ihren Körper richtig zu spüren.