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Jugendliche hinter Gittern – Erfolgsaussichten

Betrachtet man das Leben von jungen Menschen, die straffällig werden, kommt die Frage auf, ob nicht Prävention besser wäre, als eine härtere Bestrafung.

Oft werden härtere Strafen für kriminelle Jugendliche gefordert. Dabei erscheint es fraglich, ob eine härtere Bestrafung mehr Erfolg zeigen würde. Befasst man sich mit den Ablauf der kriminellen Karriere von Jugendlichen, erscheint es sinnvoller, frühzeitig Hilfe zu bieten.

Die Biographie krimineller Jugendlicher

In Interviews mit verurteilten Jugendlichen fällt einem sehr schnell auf, dass die meisten einen ähnlichen Lebenswandel erlebten. Die Jugendlichen verloren im Laufe ihrer Jugend den Halt, sie hatten unzureichende Stabilität und Kontinuität und wurden von Eltern und Lehrern aufgegeben. Sie waren mehr und mehr sich selbst überlassen, Grenzen und Vorschriften verschwanden zunehmend. In Interviews (wie Bereswill 1999) gaben die meisten Jugendlichen an, dass sie während dieser Phase auf der Suche nach Bezugspersonen waren, die ihnen Stabilität bieten konnten. Der Wendepunkt setze meist dort an, wo die jungen Menschen diese Suche aufgaben. Sie fühlten sich ausgestoßen von der Gesellschaft, als seien sie unsichtbar. Kriminelles Verhalten soll der Gesellschaft zeigen, dass sie da sind, sie wollen wahrgenommen werden. So steigern sie sich von kleinen Vergehen bis hin zur Körperverletzung oder gar Tötung. Ihr Hass auf die Gesellschaft steigt mit jedem nicht wahrgenommen Vergehen.

Strafe wird nicht als solche angenommen

Von den Jugendstrafen werden etwa 65% zur Bewährung ausgesetzt. Bei der Befragung dieser Jugendlichen wird deutlich, dass sie eine Bewährungsstrafe nicht als solche wahrnehmen, viele nutzten sogar den Begriff „Freispruch“. Viele, die aufgrund eines Verstoßes gegen die Bewährungsauflagen inhaftiert werden, bringen die anschließende Inhaftierung nicht einmal mit der ursprünglichen Tat in Verbindung, auf Grund derer sie zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden. Aber auch eine Gefängnisstrafe wird selten als solche gesehen. Die meisten Jugendlichen geben an, dass sie den Gefängnisaufenthalt als Mittel zur Erziehung wahrnehmen. Sie wehren sich daher gegen alles, was ihnen während dieser Zeit versucht wird zu vermittelt, da sie das Gefühl bekommen, dass ihnen fremde Regeln aufdiktiert werden sollen.

Gefängnisstrafe gut, Betreuung danach mangelhaft

Nichts desto trotz bringt die Gefängnisstrafe bei den meisten Jugendlichen zunächst ein positives Umdenken. Aufgrund der Isolation sind sie dazu gezwungen, sich mit sich selbst und ihrem Leben auseinander zu setzen. Auch bietet das Gefängnis und die entsprechenden Gruppensitzungen ein stabiles Umfeld, welches den jungen Menschen die Möglichkeit gibt Zukunftspläne zu entwickeln. Dennoch werden die meisten anschließend rückfällig. Von allen zu Jugendstrafe verurteilten sind es deutschlandweit rund 80%. Jedoch dauert es meist, bis sie rückfällig werden, nur selten geschieht dies im direkten Anschluss an eine Haftstrafe. Bei Befragungen wird deutlich, dass dies meist in dem Moment geschieht, in dem die jungen Leute ihre im Gefängnis entwickelten Pläne und Ziele für unerreichbar halten. Sie sehen das System und die Gesellschaft als gescheitert an und nun bringt auch ein erneuter Gefängnisaufenthalt kein Umdenken mehr mit sich. Die Jugendlichen, die zum zweiten Mal eine Haftstrafe absitzen müssen, schlagen in der Regel eine dauerhaft kriminelle Karriere ein. Der erneute Verlust eines stabilen Umfeldes und von Bezugspersonen führt nicht selten dazu, dass sie eine gänzlich antisoziale Einstellung an den Tag legen und sich selbst aufgeben.

Hilfe statt Strafe

Fasst man diese Erkenntnisse zusammen lässt sich sagen, dass den Jugendlichen eine frühzeitige und effektivere Unterstützung geboten werden sollte, statt eine härtere Bestrafung. Wie Winnicott einst sagte: „Antisoziales Verhalten ist manchmal einfach ein Notsignal, um von starken, liebevollen und vertrauenswürdigen Leuten kontrolliert zu werden.“