Der Verzehr von Probiotika kann die Symptomatik verbessern. Eine neue Studie beweist: Hilfreiche Bakterienstämme können Erkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn positiv beeinflussen.
Über 320.000 Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Entzündungen des Darmes, in der medizinischen Terminologie kurz CED genannt. Zu diesem Komplex gehören in der Hauptsache der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa, und als Untergruppierungen die Colitis indeterminata und die mikroskopische Kolitis.
Vor ungefähr 100 Jahren stellte der Nobelpreisträger Ilja Metschnikow die These auf, dass das lange Leben bulgarischer Hirten auf den regelmäßigen Verzehr von Joghurt zurückzuführen sei. Er prägte den Begriff der Dysbakteriose, welche besagt, dass Darmerkrankungen mit einer veränderten Zusammensetzung der Darmflora vergesellschaftet sind. Was Metschnikow schon damals richtig erkannte, aber durch hieb- und stichfeste Studien nicht nachweisen konnte, ist in den letzten Wochen einem interdisziplinärem Forscherteam gelungen.
Überreaktion des Immunsystems gilt als Auslöser für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen entstehen durch eine Überreaktion des Immunsystems auf Bakterien der normalen Darmflora und zählen wie Allergien zu den typischen Wohlstandskrankheiten industrialisierter Nationen. In der Schulmedizin wird die CED nur symptomatisch behandelt. Klinische Studien zeigten schon in den letzten Jahren, dass die Einnahme von probiotischen Mikroorganismen wie beispielsweise E. coli Nissle oder die Probiotika-Mischung VSL#3 zu einer signifikanten Verbesserung von entzündlichen Prozessen im Darm führte. Warum das jedoch so war, konnte bis dato jedoch nicht genau aufgeschlüsselt werden. Man erkannte jedoch, dass probiotische Bakerienstämme ihre gesundheitsbezogenen Effekte auf verschiedene Art und Weise ausüben. Manche produzieren antimikrobielle Substanzen, andere konkurieren mit schädlichen Bakterien um Nährstoffe oder Bindungsstellen an der Darmwand und eine weitere Gruppe beeinflusst das Immunsystem.
Wirkmechanismus von Probiotika auf chronisch entzündliche Darmerkrankungen entschlüsselt
Forscherteams der Technischen Universität München, des Deutschen Institutes für Ernährungsforschung, des Helmholtz-Zentrum und der schottischen Aberdeen University konnten jetzt in wissenschaftlichen Arbeiten die Wirkmechanismen eines bestimmten Bakterienstammes, dem Lactobacillus casei, identifizieren, der in ähnlicher Form auch den meisten im Handel erhältlichen probiotischen Joghurts oder Drinks zugesetzt wird. In Zellkulturexperimenten mit Darmepithelzellen wurde die Entzündungssituation bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen simuliert und die molekularen Effekte des Bakterienstammes unter diesen Bedingungen untersucht. Auch wurden in Tierversuchen die positiven Effekte von VSL#3 in Zusammenhang auf den Schweregrad der Entzündung und auf molekulare Entzündungsmarker in den Epithelzellen des Darmes analysiert. Es zeigte sich, dass der Bakterienstamm Lactobacillus casei ein inflammatorisches Signalprotein hemmt, welches die CED unterhält. Damit wurde definitiv bewiesen, dass durch die Hemmung ein anti-entzündlicher Effekt entsteht und somit Erkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa günstig beeinflusst werden können.
Probiotische Bakterien müssen auf jeden Fall regelmäßig eingenommen werden, sei es mit der Nahrung oder speziellen therapeutischen Produkten, denn sie sind nur vorübergehend im Darm anwesend und kein fester Bestandteil der Mikroflora. Nur so können sich ihre positven Wirkungen dauerhaft entfalten.