Ausdauersport tut gut – das gilt auch für Diabetiker! Wer seine Erkrankung gut im Griff hat, kann sich sogar an einen Marathon wagen.
Jahr für Jahr gehen rund 40 Läufer an den Berlin-Marathon-Sport, die an Diabetes leiden. An Kilometer 10, 20 und 30 sowie am Ziel stehen Diabetesexperten mit Blutzuckermessgeräten, Kohlenhydraten und Insulin bereit. Sie bestimmen in Windeseile den aktuellen Blutzuckerspiegel und wissen genau, was bei einem zu niedrigen oder zu hohen Wert zu tun ist. Organisiert wird diese Betreuung diabetischer Marathonis durch Ulrike Thurm. Die Diabetikerin und Diabetesberaterin ist Vorsitzende der deutschen Sektion der IDAA (International Diabetic Athletes Association), einer Vereinigung diabetischer Sportler, und Mitautorin der „Diabetes- und Sportfibel“. Ihre Aktion wird von den Berlin-Marathon-Veranstaltern allerdings nicht an die allzu große Glocke gehängt. Ulrike Thurm versteht das. „Jeder Marathonlauf an sich stellt eine enorme Herausforderung und physische Belastung dar. Dazu kommen dann bei einer chronischen Erkrankung noch die krankheitsspezifischen, zusätzlichen Risikofaktoren. Aber aus diesem Grund sind gerade die diabetischen Marathonis besonders gut vorbereitet. Das bestätigten mir übrigens auch die Mitarbeiter des DRK letztes Jahr, die bei der großen Hitze mit einigen schlechter vorbereiteten Freizeitläufern größere Probleme hatten!“
Die Krankheit Diabetes
Wer sich als Diabetiker an einen Marathon heranwagt, muss seine Krankheit gut kennen und im Griff haben. Der Begriff Diabetes mellitus stammt aus dem Griechischen und bedeutet „honigsüßer Durchfluss“. Die im Volksmund Zucker genannte Stoffwechselkrankheit beschreibt ihr Hauptsymptom: Die Ausscheidung von Zucker im Urin – ein Indiz dafür, dass der Zucker aus der Nahrung nicht verwertet wird. Die Ursache dafür ist entweder ein Insulinmangel, eine Insulinunempfindlichkeit (Insulinresistenz) oder beides. Je nach Schwere der Erkrankung reicht eine Behandlung mit Diät und/oder oralen Antidiabetika. Schreitet die Erkrankung fort, wird zusätzlich externes Insulin benötigt, um erhöhte Blutzuckerwerte zu senken. Ziel der Diabetestherapie ist es, einen Langzeit-Blutzuckerwert zu erreichen, der möglichst nahe am Normbereich liegt.
Diabetes-Typ-2: Bewegung kann ihn bessern
Eine gute Möglichkeit, der Erkrankung vorzubeugen, ist eine tägliche halbe Stunde Bewegung. Viele Diabetes-Typ-2-Patienten könnten auf Medikamente verzichten, wenn sie sich mehr bewegen und ihr Gewicht reduzieren würden. Denn durch die Bewegung gewinnen die Körperzellen ihre Insulin-Aufnahmefähigkeit zurück, sodass das körpereigene Insulin wieder besser wirkt. Hier sieht die Diabetesberaterin Ulrike Thurm die große Chance der Erkrankten: „Ein Diabetiker vom Typ 2 kann seiner Erkrankung buchstäblich davonlaufen!“ Auf ihrer Homepage „Diabetes und Sport“ hat sie zahlreiche Menschen zu Wort kommen lassen, die sich mit Sport und Ernährung aus diabetischen Couch-Potatoes in sportliche Gesunde verwandelt haben. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Typ-2-Diabetiker sich vorher einem Gesundheitscheck unterziehen und mit ihrem behandelnden Arzt abklären, welche Sportart sie noch in welchem Umfang ausüben können.
Typ-1-Diabetiker brauchen Insulin
Anders sieht es beim Diabetiker-Typ-1 aus. Ulrike Thurm leidet selbst seit 22 Jahren unter einen Typ-1- Diabetes und trägt schon fast ebenso lange eine Insulinpumpe am Körper. Durch einen im Unterhautfettgewebe liegenden dünnen Katheter wird entweder kontinuierlich oder auf Knopfdruck Normal- oder kurzwirksames Analoginsulin abgegeben. 1992 lief Ulrike Thurm damit ihren ersten Marathon in New York. „Sport kann den Stoffwechsel beim Diabetiker vollkommen durcheinander bringen, wenn die körperliche Aktivität nicht mit einer entsprechenden Veränderung der Therapie angepasst wird. Daher muss jeder Diabetiker im Vorfeld so gut geschult und eingestellt sein, dass er seinen Stoffwechsel auf eine sportliche Aktivität einstellen und anpassen kann. Und während des Laufens gilt: messen, messen, messen!“
Trainieren für den Marathon
Weil jeder Körper auf das Training anders reagiert, bietet Ulrike Thurm den Teilnehmern des Berlin- Marathons eine Therapie-Laufbegleitung per Email an. Der Blutzucker sollte vor dem Training oder Wettkampf zwischen 150 und 200 mg/dl liegen. Um diesen Wert zu halten, müssen sie zwischendurch Kohlenhydrate zu sich nehmen, wie Cola, Powerriegel oder -gels zu sich nehmen. „Bei Marathonläufen wird üblicherweise Tee angeboten, von dem keiner genau weiß, wie viel Zucker er enthält. Für einen Diabetiker ist das nicht ungefährlich! Bei Cola & Co sind die Broteinheiten bekannt“, weiß Ulrike Thurm. Laufen mit dauerndem Zwischenstopp zum Messen und Essen mag umständlich und schwierig klingen. Dennoch rät die Expertin allen Diabetikern, es zu versuchen. „Es muss ja nicht gleich der Marathon sein! Zum Einstieg genügt eine tägliche halbe Stunde. Aber jedem Diabetiker bringt dieser Sport das, was er den Gesunden auch bringt: Spaß, Lebensqualität und Kontakt zu anderen Menschen!“