Kann ein Alltagswein genauso munden, wie eine 100.-Euroflasche? Lohnt sich Wein als Investmentanlage? Oder ist dies mehr Schein wie Sein?
Bei dem Preis des Weines scheiden sich die Geister. Während manche viel Geld in das Geschmacksvergnügen investieren, schwören andere auf günstige Rebensäfte. Bei der gerechten Bewertung des Preises geht es vor allem um die individuelle Fähigkeit zum Weingenuss. Nur dann kann beurteilt werden, dass ein hoher Preis keine Garantie für die Qualität ist.
Der Preis muss nachvollziehbar sein
Wie bei allen anderen Genussmitteln sollte der Preis des Weines nachvollziehbar sein. Um dieses bewerten zu können, bedarf es eines geschulten Gaumens und der Kenntnis, wie in der Weinbranche die Preise zustande kommen. Ist ein kostspieliger Petrus für 2.500 Euro tatsächlich um das Dreihundertzwölffache besser, als ein Wein aus derselben Region? Um diesen Preis zu verstehen, kann sich eine exponentiell wachsende Kurve vorgestellt werden. Zu Beginn stehen Qualität und Preiszuwachs meist in einer vernünftigen Relation. Ein Rebensaft für 20 Euro kann tatsächlich deutlich besser sein, als ein Wein für günstige 5 Euro. In der Klasse bis 40 Euro ist ein Zuwachs an Qualität bereits geringer, kann in Einzelfällen aber noch deutlich zu erschmecken sein. In der Kategorie 40 bis 80 Euro geht der Preis weiter in die Höhe, die objektive Qualität steigert sich meist jedoch kaum noch. Im besten aller Fälle bezahlt der Konsument für eine größere Konzentration, Eigenständigkeit und Terroir. Häufig begründet sich der hohe Preis allerdings im Namen. Sicherlich können Weine, die über 100 Euro kosten, in der Qualität noch besser sein. Wir bewegen uns dann im Bereich der Nuancen und der Exklusivität. Vereinfacht lässt sich daher festhalten, dass der Gegenwert mit dem steigenden Preis geringer wird. Irgendwann geht der Return on Investment beim Wein gegen 0, wenn der Rebensaft als Genussmittel betrachtet wird. Vor Enttäuschungen im hohen Preissegment ist der Gaumen daher nicht geschützt. Wird der Wein als Investment angesehen, kann er leicht im vierstelligen Bereich liegen.
Wenn das Etikett entscheidend wird
Im Preis des Weines stecken die Kosten für Produktion, Marketing, Vertrieb, Transport sowie Gewinnmargen von Erzeugern und dem Handel. Die Region kann auf den Preis hinweisen, aber entscheidender sind das Weingut und sein Kultstatus. Wie wichtig zudem der Faktor Verknappung ist, zeigen die Preise an der Weinbörse. So existiert seit dem Jahr 1999 mit der London International Vintners Exchage die einzige elektronische Börse für Weine der Spitzenklasse. Auf dem Liv-Ex stehen nur Weine mit einem großen Investitionspotenzial. Daher sind es fast nur französische Weine, welche aus sehr hoch bewerteten Jahrgängen stammen. Sammlerstücke und historische Weine werden nicht angeboten. Trotzdem können die Preise in den vierstelligen Bereich hinaufschnellen. Sie entstehen wie an der Wertpapierbörse aus Angebot und Nachfrage. Entscheidend sind die Lagerbestände und das Etikett. Die hohen Preise spiegeln nicht mehr den geschmacklichen Wert wieder. Es wird hauptsächlich das Ego des Etikettentrinkers befriedigt oder das Investorenherz des Spekulanten.
Billiger Wein ist nie seinen Preis wert
Ein guter Wein muss nicht sehr teuer sein. Bereits unter 12 Euro finden sich hochwertige Rebsäfte. Es gibt jedoch noch einen anderen Betrachtungswinkel des Themas. So kann Wein, welcher einen Trinkgenuss verspricht, niemals „billig“ sein. Wenn er billig schmeckt, ist er seinen Preis nicht wert. Dabei ist nicht entscheidend, wie günstig er ist. Um einen guten Wein zu einem gerechtfertigten Preis zu finden, sollte der Genießer unterschiedliche Weine probieren. Nur so kann der Gaumen geschult werden. Ferner hilft eine Beschränkung auf die Regionen, die auch in einer moderaten Preisklasse guten Wein hervorbringen. Dies betrifft beispielsweise folgende Anbaugebiete:
- Au revoir Burgund
- Bordeaux
- Bandol
- Ciao Chianti Classico
- Barolo
- Spätburgundern von der Ahr
Des Weiteren empfiehlt es sich auf große, heimische Lagerbestände zu verzichten. Es ist sinnvoller, regelmäßig Wein nachzukaufen, der ohne großes Dekantieren sein volles Aroma im Glas entfalten kann. Eine Streuung der Weinsorten hilft den Gaumen zu schulen.
Viel Lärm um Nichts
Mit sehr kostspieligen Weinen ist es wie mit vielen anderen Luxusobjekten: In den Kaufpreis sind Kriterien wie Prestige, Verknappung und Exklusivität enthalten. Der tatsächliche Unterschied zwischen einem Bordeaux der Kategorie Premiers Crus oder Deuxièmes Crus kann kaum erschmeckt werden. Ein ehrlicher Genuss muss daher nicht teuer, darf aber niemals billig sein.