Auswandern, um auf den Kanaren glücklicher zu sein und zu arbeiten. Ob Alters-Ruhe-Sitz oder Arbeits-Platz. Viele wollen gerade im Winter im südlichen Europa arbeiten, abspannen. Ärzte und Krankenpfleger sind besonders gefragt.
Vermissen muss man auf Teneriffa nichts. Im Wochenblatt, der deutschsprachigen Zeitung für den Archipel, wird massiv für Dienstleistungen von Deutschen für Deutsche aller Art geworben, das Gelbe vom Ei versprochen. Alles soll schneller, freundlicher und vor allem günstiger als zu Hause sein.
Vom Arzt und der Dialyseklinik über den Makler und das Möbelhaus bis zur Beautyfarm scheint hier alles vorhanden zu sein, was man zum Leben im Alter so braucht. Sogar ein deutsches Bestattungsunternehmen hat sich hier niedergelassen.
Langzeiturlauber statt Massentourismus im Trend
Die sonnenhungrigen Europäer sind gut organisiert. In Los Gigantes leben mehrere Hundert Briten, welche die Statistik noch vor Deutschland mit mehreren Millionen Besuchern pro Jahr anführen. Mit eigenen Läden, Restaurants und Bars haben sie es sich hier häuslich gemacht. Die deutschen Langzeiturlauber, welche sich weder eine Villa am Meer noch ein einsames Bauernhaus in den Bergen leisten können, ziehen eher die Mischung in den Touristenzentren Las Americas und Los Christianos vor. Im sonnensicheren Süden werden immer noch zahlreiche Bettenburgen und Bausünden des Massentourismus in die Höhe gezogen.
Glücklicher Arbeiten und Leben fürs gleiche Geld
Viele kompetente deutsche Ärzte und Therapeuten sonnen sich fernab des Debakels um die deutsche Gesundheitsreform und schlecht betreuten Pflegeheimen ein schönes Leben machen. Sogar ein deutschsprachiges Altersheim befindet sich auf der Insel. Das Pflegepersonal sei dort viel entspannter als zu Hause in Deutschland, der Service scheint zu stimmen.
Natur pur, gut für die Lunge, weniger Rheuma und Asthma
Die beiden Naturliebhaber und Rentner Helga und Manfred verbringen hier ihren Lebensabend, überwintern auf Dauer, kennen die Insel wie ihre eigene Westentasche, entdecken aber auf zahlreichen ausgedehnten Wanderungen immer noch neue Winkel. Kürzlich waren sie bei Taganana, einem Geheimtipp für Lungenkranke. Eine schroffe Felsküste, schwarzer Sandstrand und extrem starke Brandung sorgen für eine beeindruckende Kulisse.
Frischer Fisch, frische Brise, Dynamik im Alter
Ursprünglich in Bochum zu Hause inhalieren sie hier statt Verkehrsgestank den gesunden Wasserdunst, welcher das ganze Jahr trotz Trockenheit den Berghängen frisches Grün beschert. Nach einem fangfrischen und besonders leckeren Fischgericht in der „Casa Pesa“ beobachten die Senioren aus sicherer Entfernung die akrobatischen Künste von Wellenreitern: „Das waren damals noch Zeiten, als wir jung und dynamisch waren“, seufzt Helga.
Kein Winter, Pubertät im Alter, Pfarrer auf Kanaren
Helga und Manfred sind ein agiles Paar geblieben, sie genießen ihren Ruhestand in vollen Zügen, gehen wandern, schwimmen und halten nebenbei ihr Gehirn mit einem Sprachkurs fit. Viele Senioren würden hier jedoch nochmals mit neuen Liebschaften, Verjüngungskuren und Spielcasinos ihre Pubertät ausleben wollen.
Das weiß der deutsche Inselpfarrer Wilfried Heitland, welcher acht Jahre lang in Norddeutschland Pastor war. Seine Aufgaben seien hier nicht viel anders als in Bielefeld: Eine „Dorfkirche“, welche sich in einer bunten Konstellation von Langzeiturlaubern und Residenten zusammensetzt und gleichzeitig den Treffpunkt für alle Deutschen auf der Insel bildet.
Romantik trotz mancher geplatzer Träume
„Der Traum vom ewigen Frühling verwirklicht sich nicht immer so romantisch, wie man ihnen gerne hätte“, mahnt Heitland seine Gottesdienstbesucher. Schon so manche Beziehung wäre in die Brüche gegangen, weil das Wohnen auf engerem Raum eben auch Reibeflächen provoziert: „Viele Ältere merken nach einigen Jahren trotz kosmetischer Verjüngungskur, Unterhaltung und dem einen oder anderen Flirt, dass die Jugend eben doch vergänglich ist, Körper und Seele nicht mehr jeden modernen Trend mitmachen.“
Sehnsucht und Suche nach Sinn des Lebens
Nach vielen glücklichen Jahren auf der Insel hätten manche Gäste auch wieder Sehnsucht nach Deutschland, nach der Familie, den alten Freunden und sogar dem Wetter zu Hause, weiß der Pfarrer von seinen Sonnenemigranten: „Irgendwann nervt das hier, kaum Wolken, nur blauer Himmel und keinen richtigen Frühling, weder Herbst noch Winter.“