Die Aufgabe von Spielfilmen ist es, uns für ein paar Stunden zu entführen: in den Weltraum, in die Welt der Verbrechen, in die Welt der Romantik. Filme erinnern uns daran, dass alles anders sein kann. „Was wäre, wenn …?“ heißt ihr Ausgangspunkt, und in den folgenden zwei Stunden wird die Antwort gegeben. Eine schwierige Mission, denn wenn diese Antworten nicht immer wieder neu wären, würden wir uns langweilen und dem Kino fernbleiben.
Ich liebe dich: Als Satz im Film viel zu banal
Vor diesem Dilemma steht jeder Krimi, jedes Drama und steht jeder Liebesfilm. Es gibt einfach keine beliebigen Variationen für das Geständnis „Ich liebe dich“. Wenn der Satz glaubhaft klingen soll, muss er sich wie selbstverständlich, zugleich aber zwangsläufig aus der Handlung heraus ergeben, denn jeder, wirklich jeder kann den Satz sagen: „Ich liebe dich!“ Das macht ihn schrecklich banal und somit dramaturgisch unbrauchbar für den „echten“ Liebesfilm. (Allenfalls in Komödien oder in der Version „Aber ich liebe dich doch …“ kann er noch verwendet werden.)
Dass ich jemanden liebe, kann ich zwar behaupten, immer aber ist es besser, wenn die Behauptung einhergeht mit einer entweder „unlogischen“ oder aber einer umschreibenden Aussage. Erst in dieser angedeuteten Version treibt der Satz „Ich liebe dich“ uns Zuschauern die Tränen der Rührung in die Augen. Wenn also der Misanthrop und Zwangsneurotiker Melvin in „Besser geht’s nicht“ (gespielt von Jack Nicholson) seine Läuterung erlebt, weil er liebt, dann darf das nicht plump geschehen – kein Mensch, kein Zuschauer und erst recht nicht Carol, die Kellnerin (Helen Hunt), in die er sich verliebt hat, würde ihm das abkaufen. Also sagt der bis dahin nur miese Melvin: „Ihretwegen möchte ich ein besserer Mensch sein.“ Das ist das Maximum, und wie der Titel sagt: Besser geht’s nicht! Melvin sagt nichts Geringeres als dass er bis dahin ein schlechter Mensch gewesen ist.
Manchmal entsteht also große, weil unsterbliche Kunst – Kunst, die vielleicht sogar als Zitat Eingang gefunden hat in unseren Alltag. Es folgen drei „unsterbliche“ Beispiele aus den Filmen „Lovestory“, „Casablanca“ und „Notting Hill“.
„Ich liebe dich“ in „Lovestory“
Das Studentenpaar Jenny (gespielt von Ali MacGraw) und Oliver (Ryan O’Neal) verliebt sich ineinander und beginnt gegen den Widerstand des Vaters des Mannes ein gemeinsames Leben. Oliver lehnt die finanzielle Unterstützung durch seinen Vater ab und sucht sich Aushilfsjobs. Die musisch begabte Jenny schlägt sich als unterbezahlte Musiklehrerin durch. All diese Widrigkeiten bedeuten ihnen nichts, sie tragen sie lächelnd, weil sie sich lieben, einzig die Kinderlosigkeit trübt das Glück. Als Jenny deswegen untersucht wird, diagnostiziert der Arzt bei ihr eine unheilbare Blutkrankheit.
Oliver, mittlerweile bescheiden-erfolgreicher Anwalt, überwindet sich und bittet seinen Vater um Geld, das dieser gewährt, ohne allerdings zu wissen, dass es für die Therapie Jennys gedacht ist. Als Jenny in Olivers Armen stirbt, erfährt der Vater endlich, wofür sein Sohn das Geld benötigte. Er schämt sich, dass er die Liebe seines Sohnes nicht hat schätzen und auch nicht richtig hat einschätzen können, und so entschuldigt er sich. Olivers Antwort: „Love means never to have say you’re sorry‘“ – Lieben bedeutet, niemals um Verzeihung bitten zu müssen.
Die Filmmusik von Lovestory wurde 1970 mit einem Oscar ausgezeichnet – das Zitat ging ins Allgemeingut über und zeigt, dass „Ich liebe dich“ bzw. eine Variation davon nicht nur zwischen zwei Liebenden ausgetauscht werden kann.
„Ich liebe dich“ in der Version des Liebesfilms schlechthin: „Casablanca“
„Ich seh’ dir in die Augen, Kleines!“ ist das wohl bekannteste Zitat aus dem an zitierwürdigen Sätzen nicht eben armen Film „Casablanca“ von Michael Curtiz (1942). Rick sagt ihn zu Ilsa. Rick Blaine (gespielt von Humphrey Bogart) betreibt während des Zweiten Weltkriegs ein Café im marokkanischen Casblanca. Eines Tages stehen seine große Liebe Ilsa Lund (Ingrid Bergman) und deren Mann Victor László (Paul Henreid) vor ihm, beide auf der Flucht vor den Nazis. Rick, der desillusionierte Zyniker muss sich entscheiden zwischen seiner erneut aufflammenden Liebe zu Ilsa und einer höheren Mission: dem Widerstandskämpfer László und damit seinem Nebenbuhler zur Flucht zu verhelfen. In solch einer Situation ein simples „Ich liebe dich“ zu hauchen, wäre geradezu lächerlich, naiv, einfältig. „Here’s looking at you“, so das Original, hat sich auch bei Menschen eingenistet, die den Film nicht kennen.
„Ich liebe dich“ in der bittenden Version: „Notting Hill“
William Thacker (gespielt von Hugh Grant) betreibt im Londoner Stadtteil Notting Hill einen mehr schlecht als recht gehenden Spezialbuchladen für Reiseliteratur. Hier lernt er die weltberühmte Schauspielerin Anna Scott (Julia Roberts) kennen, und eine Romanze bahnt sich an, die zur Liebe wird. Doch das Liebesglück ist bedroht durch die immensen Unterschiede des Paares. Missverständnisse führen dazu, dass sich William gegen die Fortsetzung der Beziehung entscheidet in einem Moment, da Anna glaubt, ihm die Aufrichtigkeit ihrer Gefühle vermitteln zu können. In einer zutiefst anrührenden und immer wieder durch Störungen hinausgezögerten Szene (ein nerviger Dauerkunde betritt den Laden, Williams Mutter ruft an) resümieren Anna und William den Stand ihrer Beziehung. Als letztes bleibt Anna nur ein mutiger „Ich-liebe-dich“-Rückzug, den sie mit den Worten einleitet: „Der ganze Ruhm ist nichts wirklich Echtes, weißt du.“ Und dann folgt der hinreißende Satz von geradezu universeller Gültigkeit: „Vergiss’ nicht, ich bin auch nur ein Mädchen, das vor einem Jungen steht und ihn bittet, es zu lieben.“ Großartiger Einfall von Drehbuchautor Richard Curtis!