Hyperhidrose: Wenn Schwitzen zum Problem wird

Problem Hyperhidrose: Die Schweißdrüsen überfunktionieren. Eine Therapieübersicht am Beispiel zweier Betroffener – von Aluminiumchlorid über Botox bis hin zur Operation.

Patrick A.

Bis zu seinem 20. Lebensjahr hatte Patrick A.* aus N. bei Mönchengladbach keine Probleme. Doch dann bemerkte der sportliche junge Mann, dass er besonders stark schwitzte. „Am meisten störte mich, dass ich unter den Achseln schnell klatschnass war“, erzählt der 30-jährige. „Besonders in der rechten Achselhöhle, da lief der Schweiß in Strömen!“ Auch in den Kniekehlen und im unteren Rückenbereich schwitzte Patrick stark.

Anke H. aus Berlin

Ähnlich ging es Anke H. aus Berlin. Auch sie war bis zu ihrem 22. Lebensjahr beschwerdefrei. Doch plötzlich begann die gertenschlanke Frau mit den dunkelblonden Haaren und dem fröhlichen Lachen stark zu schwitzen. „Es war unter den Achseln so schlimm, dass ich schon morgens innerhalb weniger Minuten große Schweißflecken in den Kleidern hatte!“ beschreibt die heute 34-jährige den Beginn ihres Leidensweges.

Sowohl Patrick als auch Anke leiden unter Hyperhidrose. Das bedeuet, dass ihre Schweißdrüsen zu gut funktionieren. Schwitzen ist eine lebenswichtige Funktion. Der Schweiß sorgt für Verdunstungskälte, die den Körper vor Überhitzung schützt. Für diese Thermoregulation sind die ekkrinen Schweißdrüsen verantwortlich, die das bekannte, wässrige Sekret produzieren. Zwei bis drei Millionen dieser Drüsen verteilen sich über die ganze Hautoberfläche, sind aber besonders dicht an Händen, Füßen und in den Achseln angesiedelt.

Hyperhidrose

Wenn diese ekkrinen Schweißdrüsen überfunktionieren, nennt das der Mediziner Hyperhidrose. Manchmal gibt es einen Grund für diese Erkrankung, eine neurologische Störung oder eine endokrinologische Ursache wie z.B. eine Schilddrüsenüberfunktion. Doch meistens überfunktionieren die Schweißdrüsen grundlos, was der Mediziner „idiopathische Hyperhidrose“ nennt. Für diese genetisch bedingte Erkrankung gibt es bislang verschiedene Therapieansätze, die bei den einzelnen Patienten unterschiedlich gut anschlagen.

Deos und Pads

Patrick versuchte zunächst vergebens, mit Deos und Perspirantien seinem Problem Herr zu werden. Als freiberuflich tätiger Journalist und PR-Berater ist er viel auf Messen unterwegs. Korrekte Kleidung ist für ihn ein „Muss“. Eine Zeit lang legte er sich Pads wie Binden unter die Achseln. „Das gräbt das Selbstbewusstsein ganz schön an!“, gibt er zu und ging dazu über, seine dunklen Jacketts auch dann nicht abzulegen, wenn es draußen heiß war. So blieben Schweißflecke für die Geschäftspartner unsichtbar. Privat trug Patrick nur noch Sportkleidung aus Mikrofaser, die er täglich mehrmals wechselte.

Auch Anke hatte das Kleiderproblem. „Baumwoll-T-Shirts und Hemden waren tabu, ich trug immer nur eine bestimmte Sorte Viskosestoff!“ Die Oberteile gab sie schon in die Wäsche, wenn sie nur wenige Stunden getragen waren. „Auch meine Anzüge waren ständig in der Reinigung. Das war nicht nur lästig, sondern auch teuer!“, erinnert sie sich.

Aluminumchlorid und Salbei

Prof. Dr. Berthold Rzany, Dermatologe an der Berliner Charité, verschreibt Patienten wie Patrick zunächst einmal eine 50%-ige Alsol-Lösung. „Sie wirkt immerhin bei einem Viertel meiner Patienten“, gibt er an. „Firlefanz“ kommentiert Patrick. Auch Anke hat diese Lösung nicht geholfen. Ihr wurden pflanzliche Mittel wie Salbeitee (mindestens 1 Liter täglich) und Salbei-Dragees empfohlen. „Schon nach einer Woche konnte ich keinen Salbei mehr riechen!“, erinnert sie sich.

Botolinumtoxin

Wesentlich erfolgreicher im Kampf gegen die Hyperhidrose sind Botox-Spritzen. Mit dem bekannten Nervengift Botolinumtoxin werden die Schweißdrüsen vorübergehend gelähmt. Für Anke zunächst das Mittel der Wahl: „Das ist eine tolle Sache!“, schwärmt Anke. „Meine Achseln sind fast ein halbes Jahr lang trocken!“ Danach lässt jedoch die Wirkung des Giftes nach und es muss nachgespritzt werden. Ein teures Vergnügen, denn die Botox-Behandlung kostet zwischen 700 und 1000 Euro.

Operation

Eine gängige Hyperhidrose-Behandlung ist eine Operation, bei der die überproduktiven Schweißdrüsen in den Achseln ausgeschabt oder abgesaugt werden. Doch selbst Professor Rzany muss zugeben, dass diese Methode nicht immer hält, was sie verspricht. „Bei manchen Patienten kommt es danach zu einer Symptomverschiebung und sie schwitzen an Stellen, an denen sie vorher nicht geschwitzt haben, an den Händen zum Beispiel. Bei anderen Patienten übernehmen die verbliebenen Drüsen die Schweißproduktion so effektiv, dass dem Patienten nur wenig geholfen ist“, erzählt der Dermatologe.

Eine neue Rezeptur soll helfen

Eine sanftere Hilfe für Hyperhidrose-Patienten scheint eine Rezeptur zu sein, die von dem Karlsruher Dermatologen Professor Dr. Christian Raulin stammt. Er hatte sich bereits in den 80-iger Jahren während seiner Facharztweiterbildung an der Universitäts-Hautklinik Heidelberg mit dem Thema beschäftigt und über die Jahre eine die Rezeptur entwickelt, auf die seiner Aussage nach 99 Prozent aller Betroffenen ansprechen. Seit knapp drei Jahren wird sie entweder in einem Deoroller oder auf Einmal-Pads als Kosmetikum unter dem Namen Sweat Off® angeboten.

Ende 2006 führte Prof. Wolf-Ingo Worret von der Dermatologischen Klinik TU-München eine Studie mit 22 Patienten zu Sweat Off® durch. Das beeindruckende Ergebnis: Das Produkt reduzierte sich die Schweißneigung bei allen Patienten, 17 von ihnen wurden sogar „trocken“. In acht Fällen kam es als Nebenwirkung zu einem Brennen, das in fünf Fällen tolerabel war. Nur zwei Probanden brachen die Studie deshalb ab.

Ein zufriedener Patient ist Patrick A. Wie im Beipackzettel beschrieben, strich er sich an vier Abenden hintereinander die Achseln mit dem neuen Deoroller ein und ist seither tatsächlich beschwerdefrei. Anke will das Zaubermittel demnächst ausprobieren: „Die Botox-Behandlung wird mir auf die Dauer einfach zu teuer!“

* Namen und Adressen der Protagonisten sind der Autorin bekannt

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