Eine neue Sehprothese EpiRet3 ist bei Retinitis pigmentosa wirksam
Zwölf Jahre arbeitete ein Team von Wissenschaftlern an der ersten Sehprothese, die vollständig im Auge des Patienten implantiert werden kann.
Auf der Erde leiden rund 3 Millionen Menschen unter Retinitis pigmentosa. In Deutschland sind etwa 10.000 Menschen betroffen. Bei dieser Erkrankung der Augen sterben die Zellen der Netzhaut stetig ab. Dadurch schwindet die Sehfähigkeit des Auges bis zur schließlich vollständigen Erblindung.
Entwicklung der Sehprothese EpiRet3
Zwölf Jahre lang hat ein interdisziplinäres Team aus Netzhautchirurgen, Ingenieuren und Neurophysiker bisher an der Entwicklung einer neuen Sehprothese gearbeitet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat dieses Projekt angestoßen und seit 1995 maßgeblich gefördert. Mehrere Millionen Euro sind in diese Entwicklung aus dem Bundesetat geflossen.
Auch wenn bei der Retinitis pigmentosa die Zellen der Netzhaut absterben, so bleiben aber die Nervenzellen, von denen die visuelle Information der Netzhaut an das Gehirn gesendet werden, weiter funktionsfähig. Das ist nun der Ansatzpunkt für Sehprothesen. In die Augen eingepflanzte Mikrochips erzeugen elektrische Reizungen dieser Nervenzellen. Diese werden dann in Signale zum Gehirn umgesetzt, die von den Patienten dann als Seheindrücke wahr genommen werden.
Ingenieure der RWTH Aachen und vom Fraunhofer Institut für Mikroelektronische Schaltungen und Systeme in Duisburg haben mit den Augenkliniken in Essen und Aachen sowie der Arbeitsgruppe Neurophysik an der Philipps-Universität in Marburg jetzt eine Sehprothese entwickelt. Diese ist auf das Krankheitsbild der Retinitis pigmentosa zugeschnitten und trägt den Systemnamen EpiRet3.
Charakteristik von EpiRet3
Das besondere Merkmal der Sehprothese EpiRet3 ist, dass bisher weltweit nur dieses System drahtlos funktioniert. Die Sehprothese wird komplett in das Auge eingepflanzt. Es ist nicht nötig, dieses Gerät mit Kabelverbindungen von außen zu versorgen, wie das bei bisherigen Retina-Implantaten erforderlich war. Das vereinfacht die operative Implantierung erheblich. Die Handhabung wird stark vereinfacht und die Belastung der Patienten wird gemildert.
Die neue Sehprothese wurde nun sechs Patienten der Universitäts-Augenkliniken in Aachen und Essen eingesetzt, die sämtlich bereits seit mehreren Jahren erblindet waren. In einer vierwöchigen Beobachtungszeit untersuchten Wissenschaftler der Arbeitsgruppe Neurophysik der Philipps-Universität die Wahrnehmungen der Patienten mit verschiedenen elektrischen Testreizen. Das Ergebnis dieser Untersuchungsphase war, dass bei allen Patienten Seheindrücke ausgelöst wurden. Die Patienten waren in der Lage, verschiedene Reizmuster zu unterscheiden.
Diese Ergebnisse sind ein erster Erfolg für eine neue Technik für Sehprothesen. Die Aufgabe der Entwickler besteht nun darin, die Implantationsdauer zu verlängern und die Operationstechnik zu verbessern. Das System muss künftig noch mit einer Kamera gekoppelt werden, die ihre Signale drahtlos an die Prothese sendet.
Weitere Schritte
Nachdem sich dieses System EpiRet3 bei den ersten Patienten als wirksam und sicher erwiesen hat, haben sich mehrere Medizintechnikfirmen zusammen getan. Es wurde eine Firma gegründet, die ein einsetzbares Retina-Implantat unter maßgeblicher Beteiligung der Arbeitsgruppe Neurophysik Phillipps-Universität in Marburg entwickeln wird. Die Beteiligten hoffen, dass EpiRet3 in einigen Jahren für die Patienten verfügbar ist. Außerdem soll das System dann auch zur Behandlung der fortgeschrittenen altersbedingten Makuladegeneration einsetzbar sein. Diese ist eine noch viel weiter verbreitete Augenkrankheit, die für etwa die Hälfte aller Fälle von Altersblindheit verantwortlich ist.