Brautwerber und Hochzeitsbitter, Hochzeitsnacht und Co. Der schönste Tag im Leben wurde auch in historischer Zeit ausgiebig gefeiert. Hochzeitsbitter, Brautwerber, Kränsen und Poltern gehörten zur westfälischen Bauernhochzeit.
Liebesheiraten innerhalb der bäuerlichen Gesellschaft waren in historischer Zeit noch der Ausnahmefall, denn Eheverträge hatten zumeist einen handfesten materiellen Hintergrund und wurden um eines Zugewinnes wegen geschlossen. Insofern verständlich lag auch die Anbahnung einer Ehe noch weitgehend in der Hand der Elternteile, wobei für diese wiederum Fragen von Mitgift und hauswirtschaftlicher Tatkraft der Kandidatin entscheidend sein mussten. Die Eheschließung selbst folgte in Form und Brauchtum jahrhunderte alten Traditionen.
Der Brautwerber in Westfalen
Bis ins späte 19. Jahrhundert hinein spielte der Brautwerber noch eine wichtige Rolle im Ehegeschäft. Zumeist war er ein naher Verwandter, manchmal auch ein Händler, der weit herumkam. Bei der Stiftung einer Ehe profitierte er zumeist; entweder erhielt er Bargeld, oftmals auch Naturalien, zum Beispiel ein Ferkel oder einige Säcke Getreide. Für das ertragreiche Geschäft der Eheanbahnung achtete der Hochzeitsbitter streng auf ungünstige Ohmen. Lief ihm zum Beispiel ein Hase über den Weg oder begegnete ihm ein altes Weib auf der Straße zum Brauthaus, so konnte er sicher sein, an diesem Tag nichts mehr zu erreichen. Schließlich durfte der Hochzeitsbitter auch niemals „mit der Tür ins Haus fallen“. Also wurden zunächst Nebensächlichkeiten besprochen, das Wetter oder die kommenden Ernteaussichten etwa.
Erst dann wurde verhandelt, und wenn ein Erfolg verzeichnet werden konnte, bekam der Brautwerber ein ordentliches Frühstück mit Speckpfannkuchen vorgesetzt. Bei dieser Gelegenheit wurde die Angelegenheit dingfest gemacht und der Tag der Brautschau festgelegt. Erst nach der Brautschau, bei dem sich die Eltern des Brautpaares besucht und ausgesprochen hatten, wurde die Verlobung per Handschlag besiegelt, und zwar von den Vätern. Die Brautleute selbst blieben Objekt der Verhandlungen, wenn auch die Braut offenbar nicht ganz von denselben ausgeschlossen war. Passte ihr nämlich der vorgesetzte Ehemann nicht, dann scherte sie sich nicht weiter um die versammelten Anverwandten, sondern verließ Stube oder Deele, zog sich ihre Alltagskleidung an und begann, den Ruf des Vaters nicht achtend, mit irgendeiner Arbeitsverrichtung auf dem Hofe. Inwieweit ihrem Widerstand allerdings Erfolg beschieden war, blieb in der Macht ihrer Eltern.
Der Hochzeitsbitter
Also wurde nun die Hochzeit geplant, wozu es zunächst einmal eines „Hochzeitsbitters“ bedurfte, der mit einem bändergeschmückten Stock von Haus zu Haus ging und seine Einladung in gereimter Form vortrug. Bauernhochzeiten fielen generell groß aus, und ein- bis zweihundert Gäste mochten noch auf der Einladungsliste auch der ärmsten Bauernfamilie gestanden haben, die der Hochzeitsbitter nun zusammenholen musste. Kaum ein Gast wird sich seiner Einladung verweigert haben, und so heftete man ein weiteres Band an seinen Stock, bevor er sich verabschiedete und das nächste Haus ansteuerte.
„Kränsen“, Poltern und Brauwagenschmuck
Vor dem Hochzeitstag kam natürlich das traditionelle „Kränsen“; Freundinnen der Braut, Nachbarstöchter, Mägde und vielleicht auch die Töchter der hofeigenen Heuerlinge kamen zusammen, um in einem Nachbarhause die zum Schmuck gebrauchten Kränze zu binden. Ein Polterabend mit viel Lärm kam dazu, wobei der Lärm der guten Laune und dem Anliegen geschuldet war, irgendwelche bösen Geister, die dem Eheglück hinderlich hätten im Wege stehen können, frühzeitig zu verscheuchen.
Zu den traditionellen Hochzeitsvorbereitungen gehörte zudem das Einholen des Brautwagens, der die Ausstattung der Braut enthielt. Zu dieser Aussteuer gehörten: Kleiderschrank und Koffer, Bettstelle, Anrichte, Butterfass und ein vollständiges Bett. Zudem fanden sich bergeweise Leinensachen in der Aussteuer, manchmal auch säckeweise Getreide und vor allem ein Spinnrad. Zum krönenden Abschluss wurde oben auf den Wagen ein bebänderter Besen montiert und die „Brautkuh“ – die angeblich beste Milchkuh aus des Vaters Stall – ward hinten an den Wagen gebunden.
Festmahl und Ehrentrunk
Nach der Trauung machte sich die Hochzeitsgesellschaft dann für einen kurzen Imbiss auf ins Brauthaus. Von dort aus gings weiter zum Elternhaus des Bräutigams, in das die Braut gemeinhin einzog. Hier nahm sie ihr Schwiegervater in die Arme, womit sie in die Familie aufgenommen war. Darauf reichte man ihr einen Ehrentrunk, den sie mit ihrem Bräutigam gemeinsam nahm. Und dann folgte das große Festmahl, bei dem Braut und Bräutigam den Ehrenplatz am Quertisch einnahmen, von den engsten Verwandten eingerahmt. Was nicht fehlen durfte, war natürlich der Ehrentanz, den die Braut mit dem Brautführer eröffnete, worauf sie vielleicht auch ihren Vater auf die Tanzfläche bat und hernach noch den einen oder anderen wichtigen Anverwandten oder Nachbarn. Eine Reihe von Bräuchen wurde noch gepflegt, die dreimalige Umführung der Braut um den Herd etwa, damit sie gut wohnen (und vermutlich auch gut arbeiten konnte).
Abenteuer Brautlager
Und dann endlich neigte sich die Feier dem Ende zu und es folgte der Weg zum Bautlager, an dem die Freunde und Bekannten gern allerlei Veränderungen vornahmen. Gelegentlich dürfte ein Brautpaar etwa Steine unter der Matratze gefunden haben, in anderen Fällen vielleicht auch Schellen und in wieder anderen Fällen einen Hahn unter der Bettstatt, der den anstehenden Vollzug der Ehe auf seine Weise zu stören suchte. Hoffen wir, dass sich das Paar von allen Widrigkeiten nicht weiter ablenken ließ.