Heiratsbräuche einer deutschsprachigen Minderheit in Rumänien. In Siebenbürgen, im heutigen Rumänien, gibt es noch Reste einer deutschsprachigen Minderheit, die Siebenbürger Sachsen, die früher ihre eigenen Hochzeitsbräuche hatten.
Georg Böhm, 1924 im nordsiebenbürgischen Senndorf (rumänisch Jelna) geboren, schildert in seinem Beitrag über das „Bauernjahr“ im Sammelband „Wir Siebenbürger“ (herausgegeben im Wort und Welt Verlag von Hans Bergel und Walter Myß im Jahr 1986) exemplarisch die Hochzeit seiner Schwester, die im Jahr 1935 stattfand.
Verlobung und Hochzeitsvorbereitungen
Seiner Darstellung nach fanden die meisten siebenbürgisch-sächsischen Hochzeiten im Februar statt. Gründe oder auch nur Belege dafür nennt er allerdings nicht, und in dieser Allgemeinheit ist die Aussage auch falsch: Eine eigene Recherche in den genealogischen Daten der südsiebenbürgischen Ortschaft Katzendorf (Cata) ergibt für die stichprobenartig überprüften Namen mit den Anfangsbuchstaben A und B, dass dort mit weitem Abstand der November als häufigster Heiratsmonat verzeichnet wurde.
Im Fall von Böhms Schwester wurde die Verlobung vor Weihnachten im Haus der Braut – vermutlich eher im Haus ihrer Eltern – gefeiert. Dabei legten die Eltern des Brautpaares gemeinsam den Hochzeitstermin fest. Einige Wochen vor der Hochzeit mussten die Brautleute „persönlich alle in Frage kommenden Gäste einladen“, nach Böhms Erinnerung etwa 200 Personen.
Die Dorfbewohner waren in die Hochzeitsvorbereitungen einbezogen. So trugen zum Beispiel die eingeladenen Frauen Zutaten für das Hochzeitsmahl in das Haus des „Hochzeitsvaters“, der nach unterschiedlichen Quellen der Vater der Braut, der Vater des Bräutigams oder einfach der Familienvater des Haushalts sein konnte, in dem die Hochzeit stattfand, unabhängig davon, ob er mit Braut oder Bräutigam in einem Verwandtschaftsverhältnis stand. Zu den mitzubringenden Naturalien gehörten nach Böhm „je eine Henne, einige Eier, Zucker und Butter“. Sie wurden der „Hochzeitsmutter“ übergeben.
Auch fürs Backen waren in Senndorf die eingeladenen weiblichen Gäste zuständig. An den dafür festgesetzten Tagen standen sie um drei Uhr morgens auf und „kneteten zu zweit in einer großen Mulde aus dem vom eigenen Weizen gemahlenen Mehl den Brotteig“. Gebacken wurde im großen Backofen des Dorfes, der vorher mit Buchenholz beheizt werden musste. Vierzehn Vier- bis Fünf-Kilogramm-Brote hatten gleichzeitig darin Platz. Nicht nur für Hochzeiten wurde das Brot darin gebacken – aber wenn jemand heiratete, kam zu dem üblichen wöchentlichen Backtag ein Extra-Backtag hinzu.
Hochzeitszug und Trauung
Nach Böhms Erinnerung dauerte eine Hochzeit „mit den ganzen Vorbereitungen und Nachfeiern (…) eine Woche lang.“ In Senndorf stellten die Mädchen (gemeint sind vermutlich die eingeladenen unverheirateten jungen Frauen, nähere Angaben macht Böhm nicht) Papierblumen her, „die am Hochzeitstag an die Männer verkauft wurden.“ Anderswo, zum Beispiel in Neppendorf (Turnisor), heute einem Stadtteil von Hermannstadt (Sibiu), nähte die Braut allen Männern ein Kunstblumensträußchen an den Rock. In Senndorf wurden laut Böhm auch die Pferde für die Hochzeitskutsche und für die Reiter mit Papierblumen geschmückt.
Kam der Bräutigam, wie im Fall von Böhms Schwester, aus einer Nachbargemeinde, so „mussten die Pferde am Hochzeitstag schon in aller Früh gefüttert und geputzt werden.“ Die Mähnen wurden zu kleinen Zöpfen geflochten, die Schwänze aufgebunden. Zu der Abordnung, die in die Gemeinde des Bräutigams fuhr, um ihn abzuholen, gehörten die so genannten Bittknechte und der Hochzeitsvater. In genau festgelegter Weise mussten sie um die „Freigabe“ des Bräutigams bitten, der sich daraufhin bei seinen Eltern und Großeltern für „alles, was ihm in seinem Geburtshaus zuteil geworden war“, zu bedanken hatte.
Währenddessen hatte sich auf der Dorfstraße der Hochzeitszug des Bräutigams gebildet, also die von ihm geladenen Gäste, im Fall von Böhms Schwester in ihren Pferdeschlitten, da ja Winter war. Die jungen, unverheirateten Männer (die „Burschen“) ritten voran, dann folgten die vierspännige Hochzeitskutsche und die Schlitten. Die Gäste der Braut versammelten sich während dieser Zeit schon im Elternhaus der Braut, dem „Brauthaus“, wo die Braut, nicht anders als der Bräutigam, sich rituell für ihre Erziehung zu bedanken und für ihre Verfehlungen zu entschuldigen hatte.
Anschließend zogen Braut und Hochzeitsgesellschaft zur Ortseinfahrt, um den Bräutigam und seine Gesellschaft zu begrüßen, bevor alle zu den Klängen von Blasmusik erst zur standesamtlichen und dann zur kirchlichen Trauung gingen.
Die Hochzeitsfeierlichkeiten
Gefeiert wurde im Gemeindesaal, wo eine Roma-Kapelle für die Tisch- und Tanzmusik zuständig war. Junge Frauen mit weißen Schürzen und Hauben servierten Suppe und Fleisch (Schweine-, Geflügel- und Hackbraten): Während die Kapelle einen Marsch spielte, ging die Saaltür auf, „und zehn bis fünfzehn Frauen marschierten herein und verteilten die Terrinen mit Nudelsuppe und einer Art Backerbsen auf die Tische.“ Zum Tischgebet, das der Hochzeitsvater sprach, standen die Gäste auf. Auf den Tischen standen Gebäck, Brot und Wein in Krügen, der von den „Bittknechten“, zwei unverheirateten männlichen Verwandten der Brautleute, nachgegossen wurde.
„Bis um Mitternacht wurde viel getanzt, gesungen und gescherzt“, schreibt Böhm. Danach tanzten beim so genannten Brautreigen die Verwandten der Reihe nach mit der Braut (aus Böhms Schilderung geht nicht hervor, ob es sich dabei nur um die männlichen oder um sämtliche, also auch die weiblichen, Verwandten handelte). Nach dem Brautreigen wurden die Hochzeitsgeschenke übergeben, zunächst vom Hochzeitsvater (er schenkte Geld), dann von den Männern und anschließend von den Frauen. Die Art der Geschenke war allerdings nicht beliebig: „Die Schwiegermutter der Braut schenkte dieser die bestickte Haube, die anderen Frauen Bettzeug, Geschirr, Handtücher, Besteck und alles, was man so für den Haushalt braucht.“ Die Männer scheinen eher Geld geschenkt zu haben, ausdrücklich erwähnt Böhm das nicht.
Nachdem sich der Bräutigam, auch im Namen seiner Braut, für die Geschenke bedankt hatte, zog sich das junge Ehepaar um: „Der jungen Frau wurde der Borten abgenommen und die Haube aufgesetzt.“ Aus dieser Bemerkung geht hervor, dass das Brautpaar die traditionelle Sonntagstracht trug: Der „Borten“ bestand aus bunten Bändern, die zur Sonntagstracht der konfirmierten Mädchen gehörten und ihnen als Kopfschmuck dienten. Nach dem Umziehen wurde weiter gefeiert und getanzt, bis die Hochzeitsgesellschaft zur Musik der Hochzeitskapelle das neue Ehepaar zu seiner Wohnung begleitete. Zum Abschluss gab es dort heißen gezuckerten Schnaps; die Frauen erhielten für ihre daheimgebliebenen Familienmitglieder Hühnerfleisch, Hefegebäck und Zwieback als Hochzeitsgaben mit nach Hause.
Auch aufgeräumt wurde übrigens gemeinsam – nicht ganz uneigennützig, wie man annehmen darf, denn „dabei wurden bei guter Laune die Reste verzehrt.“