Mit blauem Strumpfband und aufgeblasenen Luftballons im Schlafzimmer. Eine Hochzeit in Italien ist auch heute noch ein stark religiöser, aber sehr fröhlicher Akt unter dem Motto „Bis daß der Tod Euch scheidet“.
Sie hatten sich das Jawort gegeben, in der Kirche hatten alle schön geweint, das Festmahl im Ristorante war allen gut bekommen, sie hatten getanzt, gezecht und gelacht. Zu mitternächtlicher Stunde strebten Claudia und ihr frisch vermählter Massimo zur heimischen Wohnung. Plötzlich gab es dort hinter den noch erleuchteten Fenstern einen hellen Knall, unten in der Gasse schoben sich dunkle Gestalten aus dem Schatten der umliegenden Häuser – und applaudierten. Dem ersten Knall folgte ein zweiter…usw. Insgesamt waren es 68 kleine helle Explosionen, jeweils von kräftigem Applaus begleitet. Das junge Paar war nämlich einem besonderen italienischen Hochzeitsulk zum Opfer gefallen: Freunde des Paares hatten im Lauf des Tages das Schlafzimmer mit aufgeblasenen Luftballons gefüllt, und die mussten zerplatzen; sie mussten vom jungen Ehemann zum Platzen gebracht werden. Ein etwas turbulenter, zugleich hinderlicher Abschluß der Hochzeitsfeier.
Spätere Scheidung ziemlich ausgeschlossen
Hochzeit auf Italienisch ist insgesamt im Regelfall etwas anderes als jenes „Matrimonio all’italiana“, das Vittorio De Sica 1964 mit Marcello Mastroianni in der Hauptrolle als umwerfende Filmkomödie in Szene gesetzt hatte. Eine Hochzeit in Italien ist auch heute noch zumeist ein sehr stark religiös geprägter Akt, weil die Ehe – so, wie es der Ehering symbolisieren soll – ohne Ende ist. Spätere Scheidung also ausgeschlossen, oder von Gesetzes wegen mit solch hohen Hürden versehen, dass sie schier ausgeschlossen ist. Hier gilt zumeist noch das Wort „Bis dass der Tod Euch scheidet“. Was immer wieder auch zu Missverständnissen Anlaß geben kann, wie schon in der 1961 von Pietro Germi gedrehten Filmkomödie „Scheidung auf Italienisch“ (Divorzio all’italiana“) mit allerlei mörderischen Gedanken wiederum von Marcello Mastroianni trefflich und Oscar-gekrönt demonstriert wurde.
Ein Strumpfband in Blau
Aber am Hochzeitstag kommen solcherlei trübe Gedanken natürlich nicht auf. Und natürlich trägt auch in Italien die Braut ein Kleid in Weiß – Symbol für Reinheit, Vollkommenheit, Freude und Festlichkeit. Der Schleier hingegen ist außer Mode gekommen, vielleicht ist die Furcht geschwunden, böse Dämonen könnten, wie die Altvorderen glaubten, die Braut sehen und von ihr Besitz ergreifen. Aber die Braut sollte am Hochzeitstag vier verschiedene wichtige Dinge tragen:
– Etwas Altes, beispielsweise ein Schmuckstück der Großmutter, um die innerfamiliäre Tradition zu bewahren,
– Etwas Neues, also das Brautkleid, als Sinnbild dafür, dass die Ehe einen neuen Anfang bedeutet, der in die Zukunft gerichtet ist,
– Etwas Geliehenes von einem glücklichen Menschen: Der Armreif einer Freundin zum Beispiel soll Glück auf die Braut übertragen,
– Etwas Blaues, als Symbol für die Reinheit der Jungfrau Maria. Das ist dann meistens ein Strumpfband.
Mit weißem Zuckerguß überzogene Mandeln
Nach der kirchlichen Trauung, wenn das vermählte Paar die Kirche verlässt, stehen die Hochzeitsgäste draußen Spalier, applaudieren anhaltend, und Reis wird über das Paar geworfen: Ein Symbol für Fruchtbarkeit und neu entstehendes Leben. Manchen Orts muß das Brautpaar, bevor es sich den Weg durch die Menge bahnt, ein Band durchschneiden – es soll damit demonstrieren, dass es gemeinsam alle Schwierigkeiten im Leben zu überwinden in der Lage ist. Für den „Segen“ mit den Reiskörnern bedankt sich ein italienisches Brautpaar mit dem so genannten Confetti, das mit deutschen Papierschnipseln nichts gemein hat. Die Hochzeitsgäste erhalten, meist in kleinen Bonbonnieren, mit weißem Zuckerguß überzogene Mandeln. Häufig gibt es dann etwa neun Monate später rosa Mandel-Confetti für weibliche und blaue für männliche Babies.
Unter der Türschwelle lauern die Geister
Bevor solches alles aber gerichtet werden kann, bevor auch die Luftballons im Schlafzimmer platzen können, muß der frisch getraute Ehemann seine Frau über die Türschwelle tragen: Denn unter dieser Schwelle könnten böse Geister lauern in der Absicht, der Frau in der Hochzeitsnacht Böses anzutun. Und wenn das junge Paar dann anderentags zur Hochzeitsreise aufbricht, ist die Autoantenne mit Bändern und weißen Schleifen geschmückt; wiederum ein Symbol – nämlich das der Zusammengehörigkeit.
In den Tagen nach einer italienischen Hochzeit schrumpfen dann im Umfeld an Pfählen, Bäumen und Mauersimsen jene Luftballons, die zuvor als Markierung den Gästen den Weg zur Hochzeitsfeier gewiesen hatten.