Leiden wir unter Magen-Darm-Erkrankungen nennen Ärzte dies Gastroenteritis, so führen Infektionen mit Noroviren, Rotaviren und EHEC-Bakterien zu einer Entzündung der Schleimhaut des Magens (Gastritis) und des Dünndarms (Enteritis): Dann kommt es bei uns Menschen zu typischen Symptomen. Wir leiden dann oft an krampfartigen Bauchschmerzen und flitzen mit wässrigem Durchfall auf die Toilette – durch die Übelkeit müssen wir uns oft Erbrechen. Nach der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) verursachen Noro- und Rotaviren etwa 70 Prozent aller beim Robert Koch-Institut (RKI) gemeldeten Gastroenteritis-Erkrankungen – was empfehlen der Biochemische Bund Deutschlands (BBD) und homöopathische Ärzte gegen unseren Durchfall?
BBD empfiehlt Magnesium phosphoricum – homöopathische Ärzte empfehlen Elektrolyte
Nach der Broschüre „Dr. Schüßlers Biochemie“ empfiehlt der BBD gegen Darmkatarrh oder Durchfall als Anfangsmittel das Schüßler Salz Nr. 3 Ferrum phosphoricum und bei krampfartigen Durchfall das Schüßler Salz Nr. 7 Magnesium phosphoricum – alle 15 Minuten soll man entweder eine Tablette Magnesium phosphoricum einnehmen oder als „heiße Sieben“ trinken. Laut BBD gilt dies aber nicht als strenge Anweisung, man überlässt „die Krankenbehandlung dem erfahrenen naturheilkundlich behandelnden Arzt oder Heilpraktiker.“ Eine auch homöopathisch bewanderte Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin ist zum Beispiel Dr. med. Marion Eckert, sie empfiehlt 2008 auf dem „7. Internationalen Symposium Homöopathie in Klinik, Praxis und Forschung“ eine orale „Rehydratationslösung (ORL)“ – dies ist eine einfache Elektrolyt-Zucker-Lösung.
Homöopathische Ärzte empfehlen orale Rehydratationslösung – Elektrolyte & Glukose
Homöopathische Ärzte empfehlen wie die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft orale Rehydrierungslösungen, diese Lösungen sollen den Mineralstoffverlust durch Durchfall und Erbrechen ausgleichen. Solche oralen Rehydratationslösungen (ORL) bestehen aus essentiellen Elektrolyten plus Glukose: Für Kinder in Deutschland empfiehlt zum Beispiel die GPGE-Leitlinie „Akute infektiöse Gastroenteritis“ bei Rotaviruserkrankungen ORLs mit einem Natrium- und Glukosegehalt von etwa 50 Milli-Mol (mmol). Im Prinzip kann man sich die ORL für Erwachsene selbst zusammen mixen: Man nehme einen halben Liter keimfreies Leitungswasser oder Mineralwasser plus einen halben Liter Orangensaft und rühre einen „Teelöffel“ Kochsalz (viel Natrium) mit etwa sieben „Teelöffel“ Traubenzucker (viel Glukose) um. Selbst Tierärzte geben ihren durchfallkranken Kälbern teelöffelweise Elektrolyte in die ORL, dagegen gibt sich der Biochemische Bund Deutschlands tablettenweise Magnesium phosphoricum in die „heiße Sieben“.
Der BBD empfiehlt winzige Mengen an Magnesium phosphoricum
Nach dem BBD liegt „das große Abenteuer der Heilung und Wiedergesundung“ im Lebensmittelzusatzstoff „E 343“; E 343 oder Magnesium phosphoricum ist auch als Magnesiumphosphat bekannt. In einer typischen 250 Milligramm schweren homöopathischen Tablette der Stufe D6 sind nach den Decimalpotenzen 0,00025 Milligramm oder 0,25 Mikrogramm Magnesiumphosphat enthalten. In dieser Lösung sind die minimalen Mengen an Magnesium- und Phosphat-Ionen als Elektrolyt vermutlich maximal ineffektiv – täglich nehmen wir alleine mit unserer Nahrung etwa 400 Milligramm Magnesium zu uns: Das sind über eine Million mal mehr Magnesium-Ionen. Eine Wirkung zeigen wohl höchstens die sowieso im Mineral- oder Leitungswasser enthaltenen Natrium-Ionen. Aus heutiger Sicht entspricht die Behandlung des Durchfalls mit Magnesium phosphoricum weder dem medizinischen Wissen der Arzneimittelkommission, noch dem Wissen unserer homöopathischen Ärzte.
Entsprach die „Abgekürzte Therapie“ des Dr. Schüßler jemals medizinischen Wissen?
1874 veröffentlichte der Arzt Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüßler sein Schrifttum „Eine Abgekürzte Therapie“, damals grassierte in Deutschland keine EHEC-Epidemie, damals starben die Menschen in Deutschland an der Durchfall-Erkrankung Cholera – ohne adäquate Behandlung verlief die Cholera-Erkrankung bei etwa der Hälfte aller Patienten tödlich. Aus den Therapieverfahren gegen die Cholera-Epidemie entwickelten unsere Ärzte allerdings die heutigen ORLs gegen Durchfall-Erkrankungen. Durch die ORL-Rehydrierung wurde die Cholera mittlerweile zu einer selbstlimitierenden Erkrankung: Heute dauert die Cholera-Erkrankung etwa drei bis sieben Tage, nur noch etwa ein Prozent der Patienten sterben an Cholera. Schon 1856 schrieb Prof. Dr. Wilhelm Griesinger aus Tübingen über Cholera in einem medizinischen Lehrbuch: „Reichliches, d. h. sehr oft wiederholtes, aber in kleinen Einzelmengen geschehendes Trinken wässriger Flüssigkeiten, passend mit einem Zusatz von Natronverbindungen, (Selterwasser, Brausepulver, sehr kleine Mengen Kochsalz), ist das einfachste Verfahren“ (siehe Literatur). Entweder kannte Dr. med. Wilhelm Heinrich Schüßler 1874 nicht die wissenschaftliche Literatur, oder er setzte mit „Dr. Schüßlers Biochemie“ in puncto Durchfall auf einen biochemikalischen Reinfall.
Wer mit goldgelben Gummibärchen heilt hat Recht!
Zwar ohne therapeutische Wirkung, zeigen die Schüßler Salze mit dem richtigen Marketing weiterhin ihre Wirkung: „Wer heilt hat Recht!“ heißt das Glaubenscredo der bekennenden Schüßlerschar. Klebt man sich allerdings am Anfang einer Norovirus-Erkrankung mit einem Pflaster ein goldgelbes Gummibärchen in den Nacken, werden die Symptome der selbstlimitierenden Norovirus-Infektion meist nach etwa 24 bis 72 Stunden spontan abklingen – mit den richtigen Schüßler Salzen ist man dagegen schon nach 1 bis 3 Tagen symptomfrei. Allerdings veröffentlichte weder Haribo eine klinische Studie über das Heilen durch Goldbären-Tatzen-Auflegen, noch die Schüßlerschar eine klinische Studie über Schüßler Salze. Zumindest stellte Stiftung Warentest fest: „Biochemie nach Schüßler ist zur Behandlung von Krankheiten nicht geeignet.“ Immerhin zeigen wirkungslose Schüßler Salze keine unerwünschte Nebenwirkungen – im Gegensatz zur Natriumchlorit-Quacksalberei mit Miracle Mineral Supplement.